Richtigstellungen und Perspektiven

Was in den letzten Tagen und Wochen an Erbärmlichkeiten in Medien und Politik hervorgekommen ist, vergällt mir die Lust am Schreiben. Ich versuche es trotzdem.

Asyl im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) ist kein Schutz auf Zeit.

Es ist vielmehr ein unbefristeter Schutz, der nur dann beendet werden kann, wenn die Fluchtgründe so nachhaltig weggefallen sind, daß eine neuerliche Verfolgung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann.
 
Artikel 34 der Genfer Flüchtlingskonvention sieht die beschleunigte Einbürgerung anerkannter Flüchtlinge vor.
 
Ziel der Schutzgewährung im Sinne der GFK ist somit, daß die Geflüchteten (sofern sie dies wünschen) für immer im Aufnahmeland bleiben können und schon nach kurzer Zeit die gleichen Rechte genießen wie die eingesessene Bevölkerung.
 
Asyl auf Zeit steht daher in Widerspruch zur GFK.
 
In der Genfer Flüchtlingskonvention steht kein Wort über sichere Dritt- oder Dublinstaaten. Das sind späte Erfindungen, die dem Zweck dienen, möglichst viele Flüchtlinge vom Schutz der GFK auszuschließen.
 
Wir verlangen daher die Aufhebung der Dublin-Verordnung. An ihre Stelle darf aber keine Quotenregelung treten, die die Schutzsuchenden erst recht unsicheren, fremdenfeindlichen Staaten wie Ungarn oder Polen zuschieben würde.
 
Vielmehr verlangen wir die freie Wahl des Asyllandes durch die Flüchtenden.
 
Und das ist kein Asyl „à la carte“, wie manche Erbärmlinge in der österreichischen Politik es zynisch formulieren, sondern ein  legitimes Schutzinteresse der Verfolgten.
 
Die Versuche der Regierenden, die Fluchtbewegungen zu stoppen, werden scheitern. Aber nicht sofort. Und bis dahin  werden sie ungeheures Leid über zahllose Menschen bringen.
 
Der Kampf gegen die Festung Europa, zu der einige in der derzeitigen Regierung sich nun schon offen und dreist bekennen, ist daher mit aller Konsequenz weiterzuführen.
 
Das beinhaltet den Kampf um rasche Eingliederung der Geflüchteten in das gesellschaftliche und politische Leben hierzulande.
 
Das bedeutet insbesondere die Forderung nach freiem Zugang zum Arbeitsmarkt. Nach raschem, ungehinderten Zugang zu Deutsch- und Integrationskursen.
 
Aber auch (und das müssen wir selber tun): politische und weltanschauliche Schulung. In Praxis und Theorie. Das Erlernen demokratisch-säkularer Praktiken kann nur durch Teilhabe, also durch Einschluß, nicht durch Ausgrenzung geschehen.
 
Das bedeutet ganz besonders auch die Teilnahme der geflüchteten Frauen und Mädchen am politischen Leben und am gesellschaftlichen Aufbau.
 
Das bedeutet weiter, auch das sei in aller Klarheit gesagt: Kampf gegen alle islamistischen Organisationen, die die Not der Geflüchteten für ihre erbärmlichen Zwecke auszunützen versuchen.
 
Dazu gehören hierzulande besonders (aber nicht nur) die vom Erdogan-Regime bezahlten Moscheevereine. Sie sind für den Aufbau einer gemeinsamen demokratisch-säkularen Gesellschaft gleich schädlich wie die extremen Rechten alteingesessener Provenienz.
 
Der Kampf gegen diese alle darf nicht dem Staat allein überlassen bleiben, sondern ist von uns NGOs im Bunde mit den fortschrittlichsten Kräften unter den Geflüchteten und Eingewanderten zu führen.
 
Das alles muß gleichzeitig geschehen und erfordert gewaltige Anstrengungen, sowohl der schon bisher bestehenden Zivilgesellschaft also auch der NeubürgerInnen, um eine gemeinsame, demokratische, weltoffene, den Menschenrechten verpflichtete Gesellschaft aufzubauen.
 
Daran dürfen wir nicht scheitern. Denn die Alternative wäre der Untergang in einer neuen Art faschistischer Barbarei.
 
Michael Genner
Obmann von Asyl in Not
26. Jänner 2016

 
Online spenden:
https://asyl-in-not.org/php/spenden.php

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