Die Flüchtlinge haben die – immer ungastlicher werdende – Votivkirche verlassen und sind ins Servitenkloster gezogen. Zu dieser Entscheidung hat Asyl in Not – gemeinsam mit anderen – beigetragen und wir stehen dazu.

Es bestand nämlich die akute Gefahr einer Räumung durch die Polizei. Dabei wären viele Menschen verhaftet worden. Davon hätte niemand außer dem Gegner etwas gehabt.

Daher habe ich den Flüchtlingen geraten, das Angebot der Erzdiözese Wien anzunehmen und in dieses leer stehende, renovierungsbedürftige Kloster zu übersiedeln, das sie nach ihren Bedürfnissen herrichten können und wo sie unter dem Schutz des Kardinals stehen.

Das Innenministerium hat nach schwierigen Verhandlungen, an denen Asyl in Not teilnahm, nicht nur freien Abzug aus der Votivkirche zugesichert, sondern auch, daß es für diejenigen, die sich im Kloster aufhalten und so ihre Bereitschaft zur Kooperation zeigen, keine Schubhaft geben wird, solange die individuelle Prüfung ihrer Fälle andauert.

Diese Lösung ist zwar nicht ideal, aber die heute bestmögliche; denn die Votivkirche (samt Umgebung) war für die Flüchtlinge mittlerweile (wie die provokative Verhaftung eines ihrer Sprecher zeigt) zum gefährlichsten Ort geworden in ganz Wien.

Also habe ich den Vertretern der Flüchtlinge gesagt, daß sie die Wahl haben: entweder auf einer nicht mehr haltbaren Barrikade tapfer unterzugehen (womit ihr Kampf zu Ende wäre) – oder aber: die Stellung zu räumen und den Kampf weiterzuführen an einem anderen Ort.

Daß sie sich für letzteres entschieden haben, zeigt ihre hohe politische Intelligenz. Überhaupt ist es bewundernswert, mit welcher Klugheit und Beharrlichkeit sie daran gegangen sind, in einem ihnen völlig fremden Land mit ihnen unbekannten Gesetzen und Strukturen politisch zu arbeiten, Verbündete zu suchen und ihre Interessen (und nicht nur ihre!) zu vertreten.

Wir werden nun – gemeinsam mit anderen NGOs und spezialisierten AsylanwältInnen – jeden einzelnen Fall prüfen und die nötigen Rechtsmittel ergreifen.

Wie schon früher erwähnt, könnte die derzeit amtierende Polizeiministerin schon auf Grundlage der jetzt noch geltenden Gesetze mit einem Federstrich für nahezu alle Betroffenen eine positive Entscheidung herbeiführen.

Wie wir im Zuge der Verhandlungen hören mußten, ist aber eine solche „politische Weisung“ (zu der das Gesetz die Handhabe bietet) derzeit nicht einmal angedacht. Daher sind die Menschen guten Willens aufgerufen, jenen Druck zu erzeugen, der ein Umdenken dortamts bewirken kann.

Alle, die nun zweifeln, ob unsere Entscheidung richtig war, wollen wir daran erinnern, daß es in lang andauernden Kämpfen wie dem unseren so etwas wie Niederlage nicht gibt. Es gibt immer nur eine Änderung der Taktik.

Michael Genner

Obmann von Asyl in Not

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