In unserem vorigen Rundmail berichteten wir über einen Verein, der ein Naheverhältnis zum Innenministerium hat und der – gelinde gesagt – nicht ganz so gute Beschwerden macht wie etwa die Diakonie. Heute berichten wir über einen Flüchtling (einen von vielen), der auf diese Weise geschädigt worden ist.
Herr S., Flüchtling aus Pakistan, hatte in seiner Heimat ein Videogeschäft. Er lebte in einer Gegend, in der die Taliban ihr Unwesen treiben. Pakistan ist das Ursprungsland der Taliban; dort wurden sie (mit Unterstützung des Geheimdienstes) gegründet, von dort breiteten sie sich nach Afghanistan aus. Filme jeder Art sind unter ihrem Regime verboten. Noch dazu, wenn es sich, wie bei einigen im Videogeschäft des Herrn S., um Liebesfilme handelt.
Anfangs ging es trotzdem gut, denn das Geschäft war nicht offiziell, es hatte kein Ladenschild, es war ein Geheimtipp. Aber nach ein paar Jahren kamen die Taliban trotzdem drauf. Sie schickten Herrn S. drei Drohbriefe, und als er nicht reagierte, zündeten sie ihm das Geschäft an. Als sie ihn dann noch aufforderten, für sie zu arbeiten, reichte es ihm, er flüchtete nach Österreich.
Sein Asylantrag wurde in erster Instanz abgewiesen. Er sei unglaubwürdig, denn er habe nur eine Rahmengeschichte ohne Details erzählt. Man hatte ihn gefragt, welche Filme er denn verkauft habe, welche Schauspieler darin spielten, wer die Regisseure waren. Er hatte auf diese Fragen geantwortet: ich weiß es nicht.
Er war nämlich auf Urdu befragt worden, während seine Muttersprache Paschtu ist. Er hatte die Fragen nicht verstanden. Seine Antwort: „ich verstehe nicht“, war mit „ich weiß nicht“ übersetzt worden. Mir hat er unterdessen (nachdem er Vertrauen zu mir gefaßt hatte) mit Hilfe unseres Paschtu-Dolmetschers acht Filme samt Hauptdarstellern genannt. Indische Liebesfilme.
Asylwerber haben (dank einer EU-Richtlinie) einen Anspruch auf Rechtsberatung. Es gibt zwei Einrichtungen, mit denen das Innenministerium zu diesem Zweck Verträge geschlossen hat: Die Diakonie – und den sogenannten „Verein Menschenrechte Österreich“ (VMÖ). Ihnen werden Asylwerber abwechselnd zugeteilt; Herr S. hatte Pech: Er kam zum VMÖ…
Dieser Verein brachte zwar eine Beschwerde ein, aber nur eine Seite, einen Textbaustein, in den Herrn S.‘ Daten eingefügt waren; ohne dem Bescheid des Asylamtes auch nur im geringsten entgegenzutreten! Dazu drei Seiten, auf denen man Herrn S. seine Fluchtgründe noch einmal mit der Hand aufschreiben ließ – ungefähr das gleiche, was er schon ausgesagt hatte.
Auf die Vorhaltungen des Asylamtes ging S. genauso wenig ein wie seine „Rechtsberatung“ vom VMÖ; einfach weil er sie gar nicht verstand!
Dieses Verhalten einer sogenannten “Rechtsberatung“ ist völlig unakzeptabel und verantwortungslos. Der Asylgerichtshof hätte die „Beschwerde“ sofort abweisen können, weil sie den Argumenten des Asylamtes „nicht qualifiziert entgegengetreten“ ist.
Herr S. war kürzlich bei mir. Zum Glück (soweit erkennbar) gerade noch vor der Entscheidung in zweiter Instanz. Ich habe das gemacht, was seine VMÖ-„Rechtsberatung“ hätte mach müssen: Ihn genau zu den angeblichen Widersprüchen und Ungereimtheiten gefragt, die das Bundesasylamt ihm vorhält; insbesondere zu den Filmen. Danach habe ich für ihn eine ausführliche Ergänzung eingebracht.
Dieser „VMÖ“ ist uns seit langem bekannt. Er ist keine NGO, sondern ein Geschöpf des Innenministeriums. Eine GONGO (government organized NGO), so lautet der Fachausdruck. Sein Chef, Günter Ecker, war vor langer Zeit bei SOS Mitmensch und fiel dort auf, als er die Polizei aufforderte, doch endlich gegen mich vorzugehen.
Es war das Ende seiner NGO-Karriere; wir alle betrachten ihn als Überläufer. Sein „VMÖ“ entstand 2003; Ernst Strasser hat ihn aus der Taufe gehoben. Seither hat er sich die Schubhaft-„Betreuung“ in einem Gefängnis nach dem anderen unter den Nagel gerissen. Daß er jetzt auch noch „Rechtsberatung“ machen darf, schlägt dem Faß den Boden aus. Es ist eine mißbräuchliche Verwendung von Steuergeldern und eine Mißachtung der Richtlinien der EU.
Michael Genner,
Obmann von Asyl in Not
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Kontonummer 5.943.139, Asyl in Not
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