Judith Ruderstaller (Asyl in Not) berichtet über ihre erfolgreiche Arbeit.

Erst im vergangenen Monat konnte ich mich mit meiner transsexuellen türkischen Klientin Seyhan freuen, dass ich für sie vom Bundesasylamt Wien Asyl erhalten hatte und sie damit ein neues Leben ohne ständige Angst vor Übergriffen beginnen kann. In ihrem Fall wurde völlig richtig und in rekordverdächtigen sechs Monaten erkannt, dass sie wegen ihrer Geschlechtsidentität einer sozialen Gruppe im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention angehört und deswegen in der Türkei verfolgt wird.

Unsere neue Klientin Yasar hatte weniger Glück – ihr Fall wurde am Bundesasylamt Innsbruck entschieden, und zwar diametral entgegengesetzt: vollinhaltlich negativ. Neben einer ständigen Vermischung der Begriffe Homosexualität und Transsexualität wurde auch verabsäumt, ausreichende Feststellungen zur Lage der Transsexuellen in der Türkei zu treffen. Über die zahllosen Morde und gewalttätigen Übergriffe an Transsexuellen schweigt sich das Bundesasylamt aus, obwohl es dazu zahllose Berichte aus seriösen Quellen gibt.

Mit diesem Bescheid hat sich Yasar an den wegen fragwürdiger Praktiken hinlänglich bekannten „Verein Menschenrechte Österreich“ (Obmann: Günter Ecker) gewandt, der jedoch die Beschwerde verspätet einbrachte und das folgende Verfahren zur Wiedereinsetzung mit geringem juristischen Engagement betrieb. Günter Ecker gesteht diesen Fehler ein, lehnt aber jede weitere Verantwortung ab. Die zuständige Mitarbeiterin hat sich zu einem späteren Zeitpunkt bei Yasar für die Fehler entschuldigt, als sie bereits in Schubhaft saß.

Glücklicherweise wurde über Jo Schedlbauer vom Verein TransX Kontakt zu Yasar hergestellt und wir versuchten seither mit vereinten Kräften und der Unterstützung des erst kürzlich gegründeten Netzwerks zur Unterstützung von LGBTIQ-AsylwerberInnen, an dem auch Asyl in Not beteiligt ist, ihr Leben zu retten. Unser Antrag an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte auf einstweilige Verfügung, um die Abschiebung zu stoppen, wurde jedoch am 9.6.2011 negativ entschieden.

Als letzten Ausweg haben wir daher einen „Asylfolgeantrag“ gestellt. Denn in langen Gesprächen, die ich im Gefängnis mit Yasar führte, hatten sich viele neue Gründe ergeben. Aber wir wußten natürlich, daß ein neuer Antrag nicht automatisch zum Abschiebeschutz führt.

Am 8. und 13. Juni demonstrierten hunderte Menschen für Yasars Freiheit vor dem Polizeigefängnis Hernalser Gürtel. Am 14. Juni stand ich Yasar bei der Einvernahme zu den neuen Gründen im Gefangenenhaus zur Seite. Am Ende eines nervenzerreißenden Tages stand dann, nur 17 Stunden vor dem Abschiebetermin, ein positives Ergebnis: Das Bundesasylamt gab unserem Antrag auf faktischen Abschiebeschutz statt!

Eine halbe Stunde später holten wir sie im kleinsten Kreise aus der Schubhaft ab. Am nächsten Tag nahm sie, bestärkt durch ihre Freunde von TransX, ihre neue Identität Denise Donau an und lebt jetzt wieder als Frau.

Damit ist der Kampf noch nicht endgültig gewonnen. Wir sind immer noch im Zulassungsverfahren. Aber es ist ein wichtiger Schritt voran.

Aus der Schubhaft hat Yasar den Menschen, die draußen für sie demonstrierten, folgende Nachricht geschickt:

„Ich bedanke mich bei allen, die gekommen sind. Nicht nur für mich, auch für alle, die mit Gewalt konfrontiert sind, umgebracht werden, sollen solche Demos gemacht werden. Niemand soll sterben. Lieben wir Menschen als Menschen, lieben wir Tiere als Tiere. Behandeln wir Menschen nicht wie Tiere. Liebe Grüße an alle und vielen, vielen Dank.“

Mag. Judith Ruderstaller,

Leiterin der Rechtsabteilung von Asyl in Not

www.asyl-in-not.org

Spendenkonto:

Raiffeisen (BLZ 32000),

Kontonummer 5.943.139, Asyl in Not


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