„Des glaub‘ i jetz‘ net!“

Frau Pribek ist Referentin im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in Wien, zuständig für Asylsuchende aus Afghanistan. Vor ein paar Monaten war eine afghanische Familie bei ihr zur Einvernahme; begleitet von Frau Maga. Alexia Weiß, ehrenamtliche Betreuerin beim Verein Shalom Alejkum, Jewish Aid for Refugees. Diese legte eingangs ihre Vollmacht als ihre Rechtsvertreterin vor. Frau Pribek fragte, ob Alexia Weiß Juristin sei, was diese verneinte. Sie ist keine Juristin, sondern Journalistin. Frau Pribek daraufhin: Dann können sie nicht Vertreterin sein, sondern nur Vertrauensperson.

Schon dieser Vorgang zeigt, daß Frau Pribek die einfachsten Regeln des Verwaltungsverfahrens unbekannt sind. Denn natürlich können Asylsuchende von jeder beliebigen Person vertreten werden. Alexia weiß hat die weiteren Vorgänge in einem Gedächtnisprotokoll dokumentiert, aus dem wir (ebenso wie aus dem Akt) zitieren.
 
„Kurze Anmerkung zum Interviewstil der Beamtin:
 
Von Anfang an bestimmte Unwirschheit den Gesprächsverlauf. Ständiges Seufzen, Murmeln von Sätzen wie “des glaub i jetzt ned” oder “jetzt reicht’s aber” (zumeist in tiefem Dialekt, diese wurden nicht übersetzt und fanden auch keinen Eingang ins Protokoll), Augenverdrehen, aufbrausendes Nachfragen zogen sich durch die beiden Interviews. Die beiden Befragten wurden ständig unterbrochen und aus dem Konzept gebracht. Bereits im Interviewverlauf war klar, dass es nur darum ging, die beiden als unglaubwürdig darzustellen.“
 
Familienvater Ali (Name geändert) war LKW-Fahrer in Afghanistan und arbeitete für die amerikanischen und anderen alliierten Truppen. Seine Brüder arbeiteten für die Amerikaner als Dolmetscher. Er machte Transporte für sie, verdiente ganz gut und erregte den Neid der Nachbarn, hielt aber zunächst verborgen, wer seine Kunden waren.
 
Dann verriet ihn jemand den Taliban. Auf eine  seiner Fahrten wurde er auf einer Fernstraße von Taliban gestoppt. Er war mit 120 kmh unterwegs und fuhr weiter, die Taliban schossen ihm nach, er kam zum Stehen, stieg aus und versteckte sich. Die durch die Schüsse alarmierte Polizei kam und vertrieb die Angreifer.
 
Die Beamtin Pribek dazu: Sie können nicht 120 gefahren sein. Das sei „unter den in Afghanistan ortsüblichen Straßenzuständen mehr als unglaubwürdig“.
 
Wie sich aber aus den von der belangten Behörde selbst vorgelegten (aber offenbar nicht verstandenen) Länderinformationen ergibt, wurden in Afghanistan seit dem Jahre 2001 (wo es weniger als 80 km asphaltierte Straßen gegeben hatte) inzwischen mehr als 24.000 km Straße im Land asphaltiert.
 
Die Beamtin weiter, es sei unglaubwürdig, daß Ali ausgestiegen sei, wo doch die Taliban hinter ihm her waren Dabei steht im Protokoll, daß seine Reifen zerschossen worden waren. Wäre er weiter aufs Gas gestiegen, hätte er sich bestimmt überschlagen und wäre tot gewesen.
 
Noch ärger wird es laut Gedächtnisprotokoll, als Alis Frau angab, dass sie nun ins Fitnessstudio gehe, unter der Woche jeden Abend: „Die Beamtin verliert die Beherrschung und sagt, es sei gelogen, dass sie jeden Tag ins Fitnessstudio gehe, denn dann würde sie nach dem Stiegensteigen nicht so keuchen.“
 
Daß jemand gerade deshalb ins Fitnessstudio gehen könnte, weil er oder sie eben keine gute Kondition hat und diese verbessern möchte, kam dieser Beamtin offenbar nicht in den Sinn.
 
Als Alis Frau sagte, dass sie auch alleine einkaufen geht, zweifelte die Beamtin das an: „Afghanische Frauen gehen nicht alleine einkaufen.“
 
Frau Pribek erklärte Alis Fluchtvorbringen für „komplett unglaubwürdig“: Er „versuchte permanent die NATO oder die Amerikaner ins Spiel zu bringen“, obwohl er „letztendlich nur ein ‚gewöhnlicher’ LKW-Fahrer war, der für eine Firma in Kabul tätig war“.
 
„Selbst wenn diese als Subfirma tatsächlich Aufträge von der NATO oder amerikanischen Firmen erhalten haben sollte, wäre dies für einen Außenstehenden in keinster (sic!) Weise erkennbar gewesen.“
 
Wie das BFA zur Ansicht gelangt, die Taliban (denn um diese handelt es sich konkret bei den hier euphemistisch als „Außenstehende“ bezeichneten Personen) hätten nicht erkennen können, daß Alis Firma für die Amerikaner tätig war, bleibt ihr Geheimnis und wird nicht weiter begründet.
 
Ali hatte ausdrücklich angegeben, wie die Taliban auf seine Tätigkeit aufmerksam geworden sind: „Jemand hat meine persönlichen Daten wie Name, welches Auto ich fahre, Nummernschild an die Taliban weitergegeben.“
 
Alis Brüder, die als Dolmetscher im amerikanischen Dienst ebenfalls exponiert waren, erhielten übrigens in den USA ein Aufenthaltsrecht. Kopien ihrer amerikanischen ID-Karten legten wir vor.
 
Das BFA wies die Asylanträge Alis und seiner Familienangehörigen zur Gänze ab. Michael Genner (Asyl in Not) hat dagegen Beschwerden eingebracht.
 
Es handelt sich hier um keinen Einzelfall. Vielmehr drängt sich die Annahme auf, daß es eine Weisung von ganz oben gibt, Asylanträge (insbesondere solche afghanischer Flüchtlinge) um jeden Preis abzuweisen.
 
Dies obwohl die Sicherheitslage in Afghanistan gerade im heurigen Jahr wesentlich schlechter geworden, die Zahl gerade der zivilen Todesopfer stark angestiegen ist.
 
Asyl in Not fordert daher einen generellen Abschiebestopp für geflüchtete Menschen aus Afghanistan. Wir werden weiter berichten.
 
Michael Genner
Obmann von Asyl in Not
14. August 2018

 
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