Die Geschichte der Migrant:innen in Europa ist eine Geschichte zwischen Elend und Verzweiflung, zwischen Hoffnung und Sehnsucht und fortwährendem Kampf, zwischen Selbstbestimmung und absoluter Ausbeutung.
Und sie ist eng verwoben mit der Geschichte dessen, was wir heute allgemein als „die Linke“ bezeichnen.
Im Verhältnis zwischen migrantischer Arbeit und linker Politik sehen wir ganz besonders schmerzhaft, dass die gesellschaftlichen Ausschlüsse auch innerhalb der politischen Arbeit entlang rassifizierter Grenzen verlaufen.
Vor exakt 60 Jahren kam mein Großvater mit dem Zug in Österreich an und ahnte noch nicht, dass er sein ganzes Leben hier verbringen und seine Enkelkinder hier aufziehen würde.
Das Reichsfremdarbeitergesetz, das um die sog. Gastarbeiteranwerbeabkommen ergänzt wurde, bildet weiterhin die Grundlage des heutigen Ausländerbeschäftigungsgesetzes und war damals schon die Basis für die Abschiebung politisch aktiver Tschech:innen und sogennanter Ziegelböhm.
Mit der Gastarbeit aber wurde der Aufenthalt in Österreich auf ein Jahr und einen Dienstgeber befristet, so dass jede Schwangerschaft, Krankheit, Kündigung und jede Art des Arbeitskampfes zur Abschiebung führen konnten und führten.
Dass das heute die Nachfahren der Gastarbeiter:innen nicht mehr betrifft, ist alles andere als selbstverständlich.
Nichts, von dem was heute möglich ist, ist gesetzlich geregelt worden.
Das Recht als Migrantin Betriebsrätin werden zu dürfen, bei der Arbeiterkammerwahl gewählt zu werden, gewerkschaftliche Organisierung, Bezahlung nach Kollektivvertrag. All das wurde erkämpft. Von Migrant:innen selbst. Oftmals nicht mit der österreichischen Linken, sondern TROTZ der österreichischen Linken und gegen die Sozialdemokratie.
Heute diskutieren wir Abschiebungen lediglich als Thema im Flüchtlingsbereich, auch wenn der Großteil von Abschiebungen EU-Staatsbürger:innen betrifft.
In der Abschiebung von Flüchtlingen, von Illegalisierten, von Rassifizierten und Ungewollten entlädt sich aber die geballte rassistische Gewalt dieses Staates.
Wie auch schon vor 25 Jahren Marcus Omofuma, Arbeiter und Vater, von rassistischen Polizisten ermordet wurde.
Lasst uns hier eine Minute Marcus, aber auch an Yankuba Ceesay, Ahmed F., Cheibane Wague, Imre Kertesz Binali Ilter und den vielen anderen von der Polizei ermordeten gedenken.
Der Kampf gegen die rassistische Polizeigewalt in Österreich war kraftvoll und solidarisch, er fand in den Parteien, in der Zivilgesellschaft und auf der Straße statt und viele mussten einen hohen Preis dafür bezahlen.
Heute beschränken sich sog. Antirassistische Organisationen und Schwarze Community Vereine auf Diversity Management und Kampagnen gegen Blackfacing in Österreich.
Keine Spur mehr von der Organisierung, die mit ihrer Kraft noch die gesamte Staatsgewalt im Rahmen der Operation Spring auf den Plan gerufen hatte, aber auch kein Wort über den Sudan, oder die Krise im Kongo, die Kollaborateure in Ruanda oder die nicht enden wollenden Angriffe von Islamisten auf vermeintlich Ungläubige in Nigeria, die massive expansive Politik der Türkei und Russlands in ganz Westafrika, mit denen die neu erwachten antikolonialen Bewegungen im Machtvakuum drohen, Deals einzugehen mit Islamisten und russischen Wagner-Söldnern.
Vom Glanz der vergangenen Tage der antirassistischen Mobilisierung in Österreich bleibt das Elend ihrer Gegenwart, in der die massive Entsolidarisierung der österreichischen Zivilgesellschaft, zunächst von den Kurd:innen Anfang der 90er und dann von den afrikanischen Organisationen 2001, die Spaltung zwischen Linken und Migrant:innen so langfristig und tiefgehend einbetonierte, dass man das Wort „Rassismus“, bei der neuen KPÖ zum Beispiel, heute gar nicht mehr anzubringen braucht.
Die Parteien, auf die wir Gastarbeiter:innen und ihre Nachfahren, Illegalisierte, Geflüchtete, Migrant:innen in Wien, alle ein historisches Anrecht haben, erkennen mit ihrer Politik unsere Existenz nicht an. Und das im besten Fall.
Im Schlimmsten Fall verbrüdern sie sich mit unseren Verfolgern, wie es die Sozialdemokratie tagein tagaus praktiziert.
Das Motto „kein Fußbreit dem Faschismus“ gilt nämlich nur den Faschist:innen, von denen sich die Würdenträger:innen der bürgerlichen Demokratie selbst bedroht fühlen, nicht jedenfalls den Faschisten, die uns bedrohen.
Wir müssen Strukturen aufbauen, die uns für uns alle kämpfen, die uns alle schützen, die migrantischen Widerstand nicht unsichtbar machen, wir müssen endlich Strukturen aufbauen, in denen von Anfang an verunmöglicht wird, dass 30- ,40-, 50-jährige Männer junge Frauen oder gerade-noch Mädchen ausbeuten und in denen sich junge Menschen mit Migrationserfahrung nicht konstant entfremdet fühlen.
Es ist Zeit, alle hinter uns zu lassen, die uns ausschließen. Holen wir uns, was uns gehört!
In diesem Sinn:
Hoch der 1. Mai!