Internationaler Haftbefehl gegen Bülent Öztoplu aufgehoben. Asyl in Not fordert Konsequenzen aus dem Polizeiskandal.

Asyl in Not

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Wien, 18. Dezember 2001

Polizeiskandal Bülent Öztoplu:
Asyl in Not fordert Konsequenzen


Der internationale Haftbefehl gegen Bülent Öztoplu, den Leiter des Jugendvereins “ECHO”, ist vom Landgericht in Mannheim aufgehoben worden. Ein Zwischenerfolg im Kampf gegen eine infame Intrige, durch die eine führende Persönlichkeit der MigrantInnen in Österreich aus dem Weg geräumt werden sollte.

Bülent Öztoplu hatte als Mitglied einer Kommission des Menschenrechtsbeirats unter anderem ein Polizeikommissariat in Wien zu kontrollieren. Bülent ist für seine sorgfältige Arbeit bekannt. Er geht den Dingen auf den Grund. Die Fragen, die er stellte, dürften den dortigen Beamten zu gründlich gewesen zu sein.

Von Beamten eben dieses Kommissariats wurde Bülent Öztoplu im vergangenen September verhaftet. Unter der Beschuldigung, er hätte 1984, vor 17 Jahren, in Deutschland einen Zivilpolizisten, der sich rassistisch aufführte, durch einen Messerstich verletzt.

Der Mann gehörte zu einer Gruppe von Beamten in Zivil, die – in betrunkenem Zustand und ohne ihre Dienstmarken vorzuweisen – mit Waffengewalt gegen junge Türken vorgingen. Die Türken waren – nicht ganz zu Unrecht! – der Meinung, sie hätten es mit einem neonazistischen Schlägertrupp zu tun. Sie setzten sich zur Wehr. Bülent Öztoplu wurde von dem Polizisten, den er angeblich verletzt hatte, niedergeschossen.

Die Beamten gehörten zu einer für besondere Brutalität berüchtigten Wachstube, der unter anderem die tödliche Misshandlung eines Berbers sowie die sexuelle Nötigung drogensüchtiger Prostituierter angelastet wird. Jener Beamte, den Bülent verletzt haben soll, wurde im Prozeß wegen des Nötigungsskandals der falschen Zeugenaussage beschuldigt.

Die politischen Zusammenhänge der Verhaftung Bülent Öztoplus sprach eine Wiener Boulevardzeitung unter dem Titel “Menschenrechtsaktivist in Haft – versuchter Polizistenmord?” mit dankenswerter Offenheit aus:

“Ein Mitglied des Wiener Menschenrechtsbeirats ist in Wien unter dem Verdacht des versuchten Mordes an einem Polizisten verhaftet worden. (…) Vor nicht so langer Zeit soll der Mann noch eine Dienststelle der Wiener Polizei in seiner (ehrenamtlichen) Funktion besucht haben. Dabei fiel er als ‚besonders streng” und ‚sehr kritisch” auf… Mittwoch Nachmittag konnte der Mann an seinem Arbeitsplatz verhaftet werden…”

Statt sich mit Bülent zu solidarisieren, fiel der Menschenrechtsbeirat seinem Kommissionsmitglied in den Rücken. So berichtete der “Falter” (43/01) von einem “Umlaufbeschluß”, durch den der Beiratsvorsitzende die – offenbar ungenügend, wenn nicht falsch informierten – Mitglieder über den Ausschluß des Verhafteten (der nicht einmal Parteiengehör erhielt) abstimmen ließ.

In einem offenen Brief am 25. Oktober forderte “Asyl in Not” daher eine öffentliche Sitzung von Menschenrechtsbeirat und NGOs, auf der das Verhalten der Beiratsmitglieder erörtert und Maßnahmen zur Unterstützung Bülents beschlossen werden sollten. Diese Sitzung wurde bis heute nicht einberufen, sodaß sich die Frage aufdrängt, warum der Menschenrechtsbeirat das Licht der Öffentlichkeit so scheut.

SOS-Mitmensch-Sprecher Max Koch sprach von einer “Nagelprobe” des Beirats angesichts eines “derartigen Umgangs mit seinen Mitgliedern”. Aber Bülent ist noch immer vom Dienst in der Kommission suspendiert.

Durch die Aufhebung des internationalen Haftbefehls ist eine neue Lage eingetreten. Jetzt muß es Konsequenzen geben.

1.) Selbstverständlich muß Bülent Öztoplu seine Arbeit im Menschenrechtsbeirat wieder aufnehmen. Seine Suspendierung ist aufzuheben. Unverzüglich und mit dem Ausdruck des Bedauerns. Aber das ist nicht genug.

2.) Wir fordern auch eine Untersuchung der Machenschaften, die zu Bülents Verhaftung geführt haben. Ganz besonders das Kommissariat, für dessen Kontrolle Bülent zuständig war und von dessen Beamten er verhaftet wurde, wird einer genauen Überprüfung zu unterziehen sein: Wir wollen wissen, welche Kontakte es vor Bülents Festnahme zwischen diesem Kommissariat und den deutschen Behörden gab.

3.) Aber es muß auch Konsequenzen im Menschenrechtsbeirat geben. Eingerichtet nach dem Mord an Marcus Omofuma, um Verbrechen dieser Art zu verhüten, ist er nun selbst Bestandteil eines Polizeiskandals. Hier sind tiefgreifende Reformen nötig:

Diesem Gremium sollen unabhängige Persönlichkeiten aus den Reihen der NGOs angehören, die die Gewähr bieten, stets für das Recht einzutreten – keine Wetterfahnen, die sich nach dem Wind drehen.

Die Zeit drängt. Die Menschenrechte sind schon zu sehr beschädigt worden in diesem Land.

Michael Genner
Geschäftsführer von Asyl in Not

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