Offener Brief zum Jahreswechsel

an Liese Prokop
Bundesministerin für Inneres

Sehr geehrte Frau Bundesministerin!

Glückwunsch zu Ihrem neuen Amt. Ihre ersten Konflikte mit den Blauen haben wir registriert. Ebenso Ihre Ankündigung, mit uns NGOs zu verhandeln, und Ihr Versprechen, für ein „menschliches Asylgesetz“ zu sorgen. Wir erinnern uns aber auch, daß Ihr Vorgänger – wie hat er geheißen? – anfangs als „liberales“ Aushängeschild der schwarz-blauen Regierung gehandelt wurde. Es ist schlecht weitergegangen mit ihm.

Asyl in Not hat den Verfassungsbrüchen des vorigen Ministers erbitterten Widerstand entgegengesetzt. Wir haben die Menschenrechtsverletzungen in der Erstabschiebestelle Traiskirchen an die Öffentlichkeit und vor den Staatsanwalt gebracht. Wir haben zahlreiche Berufungsverfahren gewonnen, Verfolgte unter unseren Schutz gestellt und rechtswidrig Deportierte nach Österreich zurückgeholt.

Und wir haben den Sturz dieses Menschen gefordert und Verbündete für unser Ziel gewonnen, bis er auch in den eigenen Reihen als untragbar galt und gehen musste. Wir wenden uns nun mit unseren Forderungen an Sie.

Wir verlangen Respekt vor der Genfer Flüchtlingskonvention und vor den Menschenrechten. Wir wollen, daß Verfolgte ohne wenn und aber Schutz erhalten.

Ohne wenn und aber! Das heißt auch: ohne lange zu fragen, durch welche Länder sie geflüchtet sind. Schutzbedürftige haben ein Recht darauf, möglichst weit weg zu flüchten vom Verfolgerland – je weiter, desto sicherer für sie. In der Genfer Flüchtlingskonvention, der Magna Charta des Asylrechts, steht daher von der „Drittlandklausel“ kein Wort.

Überdies können Flüchtlinge dort, wo sie hinwollen, weil schon Freunde, Verwandte, Gesinnungsgenossen dort leben, viel leichter Fuß fassen und sich in die Gesellschaft integrieren als in irgend einem zufälligen „Drittstaat“, wo sie niemanden kennen und es keinerlei Empfangsstrukturen gibt.

Und noch aus einem anderen Grund wird das Rechtskonstrukt „Drittland und Dublin“ (da können Sie sicher sein) über kurz oder lang verschwinden – nämlich dann, wenn Europas Regierungen erkennen, wie teuer und nutzlos die sogenannten „Dublinverfahren“ sind. Schön wäre es, wenn Österreich in diesem Erkenntnisprozeß eine Vorreiterrolle spielt.

Wir wollen, daß die Grundsätze des fairen Verfahrens auch für „Fremde“ gelten. Daß den Flüchtlingen daher auch alle Rechtsmittel (bis zu den Höchstgerichten) offen stehen, die für „inländische“ Rechtsunterworfene vorgesehen sind. Daß für sie keine Sondergesetze gemacht, sondern die gleichen Verfahrensregeln angewendet werden wie für alle.

Und wir wollen, daß unabhängige, sachkundige, mit genügenden Mitteln ausgestattete Behörden in angemessener Frist über ihre Anträge entscheiden.

Wir verlangen, daß gefolterte, traumatisierte Menschen gastfreundlich aufgenommen werden in unserem Land; daß sie ärztlichen Beistand und psychologische Betreuung erhalten – und daß sie nicht auch hier in Angst leben müssen vor all dem, was so vielen Flüchtlingen im vergangenen Jahr widerfahren ist: Angst vor neuerlicher Verfolgung, Verhaftung und Deportation.

Wir wollen daher auch, daß fremdenfeindlichen Elementen in der Beamtenschaft das Handwerk gelegt wird. Wir hoffen gerade auch in dieser Hinsicht auf Ihre Bereitschaft zur Kooperation. Namen und Fakten liefern wir Ihnen gern.

Wir sind bereit, Sie bei einer verfassungskonformen Neuordnung des Asylwesens zu unterstützen. Wir bieten Ihnen unsere Erfahrung aus vielen Jahren, unser Wissen und unsere Tatkraft an.

Wir wollen ein österreichisches Asylgesetz, das ein Vorbild für die anderen europäischen Staaten wird und ein Meilenstein auf dem Weg zu einer wirklichen europäischen Harmonisierung im Geist der Menschenrechte und der Demokratie.

Für ein offenherziges Gespräch stehen wir immer zur Verfügung.

Mit besten Wünschen zum neuen Jahr
und freundlichen Grüßen

Michael Genner
Asyl in Not

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Tel.: 408 42 10-15,
0676 – 63 64 371


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