Kaiser Josef und die Schreibtischtäter
Michael Genner hatte in einem Artikel für den “MUND” am 25.12.2000 einen Beamten des Bundesasylamtes als “Schreibtischtäter” bezeichnet.
Sektionschef Szymanski (Bundesministerium für Inneres) interpretierte dies in den Medien als “Gleichsetzung mit einem Nazischergen”.
Kaiser Josef und die Schreibtischtäter
Eine Abschweifung in die Geschichte,
Herrn Szymanski gewidmet
von Michael Genner, Asyl in Not
Mein lieber Szymanski!
Im “Standard” vom 24. September 2002 muß ich lesen, daß Sie mit mir “kein Wort mehr reden” wollen. Das ist ein bißchen schade, denn es war immer amüsant, mit Ihnen zu plaudern. Manchmal freilich war ich bestürzt über Ihre – sagen wir: eigenwilligen Auslegungen der Genfer Flüchtlingskonvention, der bei solchen Unterhaltungen hervorkamen.
Schade ist es noch aus einem anderen Grund. Hätten Sie mich nämlich gefragt, was ich mit “Schreibtischtäter” meine, dann hätte ich es Ihnen erklären können und sie hätten sich vielleicht eine Blamage erspart.
Wie ich lesen muß, meinten sie zur APA, ich hätte Herrn Aschauer “als ‚Nazischergen” bezeichnet”, weil ich ihn einen “Schreibtischtäter” nannte. Sie seien “nicht in der Lage, das anders zu interpretieren.” Sie nehmen ja nicht an, “daß Schreibtischtäter zur Zeit Josefs II. gemeint waren”.
Aber, aber! Ich habe Herrn Aschauer ziemlich viel vorgeworfen. Das können sie nachlesen im Internet. Einen “Nazischergen” habe ich ihn nicht genannt. Ich wäge meine Worte stets sehr genau.
Allerdings – der Ausdruck “Nazischerge” (den Sie geprägt haben, nicht ich!) wird an Herrn Aschauer hängen bleiben. Er ist in allen Zeitungen gestanden; Sie, Herr Szymanski, haben dafür gesorgt. Herr Aschauer kann sich dafür bei Ihnen bedanken, nicht bei mir. Wer Sie zum Freund hat, mein lieber Szymanski, braucht keine Feinde mehr.
Sabotage und „Meuterey“
Schreibtischtäter hat es viele gegeben in der blutigen Geschichte dieses Landes. So steht es in meinem Artikel, und so meine ich es auch.
Schreibtischtäter gab es schon in der Zeit der Gegenreformation, als Österreich mit Feuer und Schwert, aber auch mit Gesetzen und Verordnungen „katholisch gemacht“ wurde. Schreibtischtäter gab es zu Metternichs Zeit, im Austrofaschismus und in der Nazizeit. Es gab sie unter den Parteigängern der russischen Besatzungsmacht. Es gibt sie auch heute noch.
Aber weil Sie Kaiser Josef II. erwähnen: Er hat Großes geleistet für dieses Land. Er hat die Bauern aus der Leibeigenschaft befreit; er hat Juden und Protestanten die Ausübung ihrer Religion gestattet. Er hat auch die Pressefreiheit eingeführt.
Die Pressefreiheit war damals schon vielen Schreibtischtätern ein Dorn im Aug. Es erschienen nämlich zahlreiche Druckschriften und Zeitungen voll heftiger Angriffe auf die Kirche und das Feudalsystem – zum Entsetzen des Polizeiministers Pergen, der meinte, das viele Zeitunglesen entfache „beim Pöbel den Geist der Meuterey“.
Gescheitert ist Kaiser Josef beim Versuch, die Bauern auch von den Grundlasten (Zehent und Robot) zu befreien – gescheitert an der Sabotage durch eidbrüchige beamtetete Schreibtischtäter seiner Zeit, über deren „Mangel an der wahren Gedankensart, Willen und Eifer“ er sich heftig beklagte.
Und das, obwohl Kaiser Josef aus härterem Holz geschnitzt war als Caspar Einem in unserer Zeit, der auch an der Sabotage durch die eigenen Beamten gescheitert ist.
Und Sie, Szymanski ?
Verzeihen Sie meine Abschweifung. Aber sagen Sie – was für ein Täter, mein lieber Szymanski, sind eigentlich Sie?
Sie meinen: Bundesbetreuung könne nur jenen Flüchtlingen gewährt werden, „deren Asylantrag auch gute Aussichten auf positive Erledigung hat“ („Die Presse“, 28.9.2002).
Ja, wer entscheidet denn das, ob der Asylantrag gute Aussichten hat? Ihr Herr Aschauer vielleicht, der einer jahrelang in Saddam Husseins Kerkern inhaftierten, von den Wärtern oftmals vergewaltigten Frau jede Glaubwürdigkeit absprach? Herr Aschauer, der einen Flüchtling aus Zaire im Bundesasylamt verhaften ließ und einer Berufung die aufschiebende Wirkung aberkannte, sodaß mein Mandant beinahe seinen Verfolgern ausgeliefert worden wäre?
Zwei Beispiele unter vielen, wo das Bundesasylamt unseren Klienten „keine guten Aussichten“ attestierte. Beide erhielten aber, wie Sie wissen, in zweiter Instanz Asyl.
Jetzt lese ich gerade, Sie hätten „die Lage im Griff“, nachdem 130 Asylwerber, unter ihnen Frauen und Kinder, aus dem Lager Traiskirchen auf die Straße gesetzt wurden. Haben Sie geprüft, ob deren Anträge „gute Aussichten“ haben? Nach welchen Kriterien? „Sichere“ Herkunftsländer? Diesen Begriff finden Sie nirgends in der Genfer Flüchtlingskonvention. Sie verweigern den Menschen ein faires Verfahren. Weil Sie sie rasch wieder loswerden wollen.
Buschtrommeln
Am liebsten ist es Ihnen, die Flüchtlinge kommen gar nicht erst hierher. Sie sollen in den „Regionen“ bleiben, in den Nachbarstaaten ihres Heimatlandes. Als tausende verzweifelte Afghanen auf der Flucht vor den Taliban zu den österreichischen Botschaften in Teheran und Islamabad strömten, da verstiegen Sie sich zu der Behauptung, der Iran und Pakistan seien sichere Drittstaaten. Bei unserem letzten Gespräch korrigierten Sie sich dann: Sichere Drittstaaten im Sinne des Asylgesetzes zwar nicht gerade – aber Schutz gefunden hätten die Leute dort schon!
Zum „Standard“ (16.10.2001) meinten Sie: der Iran sei „für Moslems sicher“. Sie mokierten sich über die „Buschtrommeln“, von den die Flüchtlinge aus Afghanistan gehört hätten, es gebe in Österreich eine Aufnahmeaktion…
Wie sicher der Iran ist, hat mein Mandant, Herr N. aus Afghanistan, am eigenen Leib erlebt. Er wurde dreimal vom Iran nach Afghanistan abgeschoben und kam nur mit Mühe und mittels Bestechungsgeld mit dem Leben davon. Er hat nun in Österreich Asyl erhalten, obwohl Sie, Herr Szymanski, vermeint hatten, dies wäre nicht wahrscheinlich.
Mit solchen Mutmaßungen, die sich dann als unzutreffend herausstellen, sind Sie oft schnell zur Hand. Ich erinnere mich nur zu gut, was Sie einem (völlig unbescholtenen) Österreicher nigerianischer Herkunft unterstellten, dem in der alten Heimat seinen Paß gestohlen worden war. Die österreichische Botschaft weigerte sich rechtswidriger Weise, ihm einen Ersatz auszustellen – bis ich die Medien informierte; dann ging es auf einmal. Sie, Herr Szymanski, meinten damals zum „Standard“ (5.12.2000):
“Ein österreichischer Pass, in dem ein Schwarzafrikaner abgebildet ist, ist in Nigeria Gold wert. Den kann man auch selber verkaufen.” Derlei geschehe dort offenbar regelmäßig.
Natürlich entbehrte Ihr Untergriff jeder Grundlage. Er steht aber in gutem Einklang mit Ihrem Wort über die „Buschtrommeln“. So denken Sie nun einmal.
Solche Episoden aus Ihrem Leben könnte ich noch viele in Erinnerung rufen, denn ich habe ein gutes Gedächtnis und ein gutes Archiv. Aber vorläufig genügt es einmal.
Mit besten Grüßen
Michael Genner, Asyl in Not
September 2002