Geht’s mich was an…[1]
Wenn ein Deportierter in Afghanistan erschossen wird

Farhad war 29, als er starb. Zwei Jahre zuvor war er aus Afghanistan nach Deutschland geflüchtet. Sein älterer Bruder hatte dort Schutz gefunden. Aber die Lage hatte sich geändert seither. Farhads Asylantrag wiesen die deutschen Behörden ab. Die EU hatte nämlich mit der korrupten afghanischen Regierung ein Rücknahmeabkommen geschlossen. Einen Teufelspakt.


 
Farhads Vater hatte in der kommunistischen Zeit als Offizier gegen die vom „freien Westen“ hochgerüsteten Islamisten gekämpft. Nach deren Machtergreifung war er in den Iran geflüchtet und später, nach dem vermeintlichen Sturz der Taliban, in seine Heimatregion  Herat zurückgekehrt. Wo die Taliban jetzt wieder auf dem Vormarsch sind.
 
Farhad wurde am 14. Februar 2017 von Deutschland in die afghanische Hauptstadt Kabul deportiert. Dort soll es ja sicherer sein als anderswo in Afghanistan. Obwohl es täglich Bombenanschläge gibt.
 
Farhad kannte niemanden in Kabul. Er konnte keine Arbeit finden. Unzählige junge Männer, Abgeschobene ebenso wie Binnenflüchtlinge, suchen dort vergeblich Arbeit. Sie leben auf der Straße, werden drogensüchtig, manche schaffen es, Dealer zu werden, ein gewaltiger sozialer Aufstieg, andere schließen sich den Terroristen an.
 
Farhad lehnte diese „Alternativen“ ab. Er ging in seine Heimatregion Herat, wo seine alten Eltern leben. Er meldete sich freiwillig als „Dorfschützer“, um die Menschen dieser Gegend gegen die Taliban zu verteidigen. Sein jüngerer Bruder und sein Cousin schlossen sich ihm an. Keiner von ihnen hatte irgendeine militärische Ausbildung. Sie gerieten am 10. Mai 2017 in einen Hinterhalt der Taliban. Farhad und sein Cousin wurden erschossen, sein Bruder überlebte schwer verletzt.
 
Der „freie Westen“ hat Afghanistan längst abgeschrieben, seine Truppen abgezogen. Das Land war wichtig, solange es dem antikommunistischen Kreuzzug diente. Wenn die Islamisten in den 80er-Jahren ein Dorf vom Kommunismus „befreiten“, war der erste, den sie erschossen, der Lehrer. Weil er den Kindern beigebracht hatte, daß Wissen wertvoller als Glauben ist.
 
Den jetzigen Kampf gegen die islamischen Faschisten hat der „freie Westen“ Menschen wie Farhad überlassen. Farhad ist auch für unsere Freiheit gefallen. Ehre seinem Andenken.
 
Michael Genner
Obmann von Asyl in Not
17. Juni 2017
 
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[1] Dieser Artikel erschien erstmals im „Augustin“, 7.-20.6.2017, in der Rubrik “Geht’s mich was an?”

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