Unsere Arbeit ist 2015 vielschichtiger geworden – viele Fälle, die noch vor 2014 anhängig waren, wurden vom Bundesverwaltungsgericht inzwischen abgeschlossen, womit wir seltener als letztes Jahr an Verhandlungen vor diesem Gericht teilnehmen.



Dafür betreuen wir weit häufiger Menschen, die erst seit wenigen Wochen in Österreich sind, viele von ihnen will das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nach Ungarn, Bulgarien oder andere Randstaaten Europas abschieben, wo die Gesetzeslage und Betreuungssituation für Flüchtlinge oft unmenschlich ist oder an der Unmenschlichkeit schrammt.

Derzeit nehmen vor allem syrische und afghanische StaatsbürgerInnen unsere Beratung in Anspruch, aber auch Menschen aus der Russischen Föderation, aus Afghanistan, von Sierra Leone, der Elfenbeinküste, Eritrea, Somalia und sogar Australien und darüber hinaus finden ihren Weg zu uns.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat über einen Großteil der von uns übernommenen Fälle noch nicht entschieden – bei insgesamt nach Schätzungen des Innenministeriums 95.000 Asylanträgen dieses Jahr wird das Bundesamt nur etwa 35.000 Bescheide erlassen können. Viel bleibt damit liegen, und das betrifft leider auch etwa drei Viertel aller unserer Fälle.

Trotzdem ist es uns dieses Jahr gelungen, in 110 Fällen positive Entscheidungen zu erkämpfen.

55 von uns vertretene Asylwerber und Asylwerberinnen erhielten bis zum heutigen Tag Asyl, darunter ein syrischer Oppositionspolitiker, der wegen seines Eintretens für Frieden vom Assad-Regime verhaftet worden war, eine homosexuelle Frau aus Tschetschenien, die wegen ihrer sexuellen Orientierung zuhause eine Verfolgung von Seiten ihrer Familie befürchten musste, eine gerade erst volljährig gewordene junge nigerianische Dame, die als Kind Opfer skrupelloser Menschenhändler und in Italien zu Zwangsprostitution gezwungen worden war und ein irakischer Künstler, der vor den Schlächtern des so genannten Islamischen Staates fliehen konnte, als diese Mossul überrannten.

20 weitere Personen, die unsere parteiische Rechtsberatung und –vertretung in Anspruch nahmen, erhielten subsidiären Schutz. Zu ihnen zählt ein junger tschetschenischer Mann, der seit seiner Kindheit unter schwerer Epilepsie und zunehmenden psychischen Problemen leidet. Im Fall seiner erzwungenen Rückkehr in die Russische Föderation wäre er mit seinen Krankheiten völlig auf sich alleine gestellt gewesen, hier in Österreich hilft ihm seine Familie auf dem Weg zur Besserung.

22 von uns vertretene Personen erhielten wegen ihrer guten Integration ein Aufenthaltsrecht, in13 Fällen behob das Bundesverwaltungsgericht unseren Beschwerden folgend mangelhafte Bescheide.

In zwei dieser Fälle konnten wir die Abschiebung syrischer Staatsbürger nach Ungarn dauerhaft verhindern, wo seit September 2015 die Gesetze derart verschärft wurden, dass Flüchtlinge keine reellen Chancen auf Schutz haben und von einer Abschiebung nach Serbien bedroht sind.

In vielen anderen solchen Fällen erteilte das Bundesverwaltungsgericht in Folge unserer Rechtsmittel aufschiebende Wirkung, womit die Betroffenen zumindest momentan von einer Abschiebung nach Ungarn – und damit zurück in unmenschliche Bedingungen – geschützt sind (mehr dazu im nächsten Artikel).

Trotz all dieser Erfolge dürfen wir jedoch nicht die Augen verschließen – das Asylgesetz soll verschärft werden, „Asyl auf Zeit“ wird, wenn es wie geplant eingeführt wird, viele tausenden zusätzliche Verfahren zur Folge haben. Viele Rechtsmittel werden geschrieben, zusätzliche Beratungen geführt werden müssen, um diesem gesetzlichen Irrsinn entgegentreten zu können.

Um dem verstärkten Arbeitsaufwand gewachsen zu sein, haben wir Franziska Perl, die schon bislang geringfügig beschäftigt war, nun als Teilzeitkraft angestellt und eine zusätzliche Mitarbeiterin, Ina Stubenrauch, als geringfügig Beschäftigte in unserem Team aufgenommen. Zusätzlich unterstützen uns zehn ehrenamtlich arbeitende MitarbeiterInnen, denen allen für ihren teils bereits jahrelangen Einsatz für uns herzlichst gedankt sei.

Ungarn
Im September 2015 haben sich die Gesetze für Flüchtlinge in Ungarn deutlich verschärft, gleichzeitig wurde durch den Bau zweier langer Zaunanlagen der Zugang nach Ungarn weitgehend unmöglich gemacht. Wer seinen Asylantrag stellen möchte, muss das an einer Transitzone an der serbisch-ungarischen Grenze tun, wo jedoch nur etwa 100 Asylanträge pro Tag entgegengenommen werden. Ist man aber über ein sicheres Drittstaat gekommen – und wie günstig für Ungarn, dass es als einziger (!) EU-Staat gerade Serbien für einen solchen sicheren Drittstaat hält – wird der Antrag innerhalb weniger Stunden negativ entschieden. Nur wenige erheben Beschwerden gegen solche Entscheidungen, aus Angst vor der ungarischen Polizei, die Flüchtlingen im Fall einer Rechtsmittelerhebung droht sie zu inhaftieren.[1] Auch so genannte Dublin-Rückkehrer, also Menschen, die nach Ungarn abgeschoben werden, weil Ungarn nach der so genannten Dublin-Verordnung für das Asylverfahren zuständig ist, sind in Gefahr, ohne ordentliche Überprüfung ihres Asylantrages nach Serbien abgeschoben zu werden.[2] Vor Abschiebungen nach Serbien warnt der UNHCR seit 2012 wegen der unmenschlichen Lage, in der Flüchtlinge sich dort befinden.[3]

Nichtsdestotrotz sind in Österreich weiterhin Flüchtlinge, die wir betreuen, von einer Abschiebung nach Ungarn bedroht – unter ihnen eine alleinstehende syrische Frau und ihre unter einer posttraumatischen Belastungsstörung leidende Tochter, die seit dem Spätsommer dieses Jahres in steter Sorge leben müssen, eines Tages, wie schon vorangekündigt, eine negative Entscheidung zu erhalten und nach Ungarn abgeschoben zu werden.

In allen diesen Fällen erheben wir Beschwerden gegen negative Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, teilweise auch bereits Stellungnahmen und Beweisvorlagen, bevor das Bundesamt noch eine Entscheidung trifft. Wir weisen darin auf die schlechte Lage in Ungarn hin und führen aus, aus welchen Gründen Außerlandesbringungen dorthin gesetzwidrig wären. In vielen dieser Fälle hatten wir Erfolg: Einige der von uns Vertretenen wurden gleich zum Verfahren zugelassen, wie etwa ein junger Mann aus Syrien, der unter einer schweren Magen-Darm-Erkrankung leidet. In anderen Fällen gab das Bundesverwaltungsgericht unserer Beschwerde recht, wie etwa im Fall eines jungen irakischen Mannes, der vor dem IS die Flucht ergriffen hat und in Ungarn Gewalt durch Polizeibehörden erleiden musste.

Kennen auch Sie AsylwerberInnen, die von einer Abschiebung nach Ungarn bedroht sind, und haben Sie Zweifel daran, ob bislang alle notwendigen oder möglichen Schritte erhoben wurden? Wir sind gerne bereit Sie zu unterstützen. Nehmen Sie unter office@asyl-in-not.org zwecks Terminvereinbarung Kontakt zu uns auf oder besuchen Sie uns in unserer offenen Beratung, jeden Montag von 9 bis 15 Uhr. (Ausgenommen Montag den 28.12., da ist geschlossen!).
 
Mag. Norbert Kittenberger
Leiter des Büros und der Rechtsabteilung
www.asyl-in-not.org
Online spenden:
http://www.asyl-in-not.org/php/spenden.php
 
 
 
 


[1] Siehe zu all dem AIDA, Country Report: Hungary. November 2015, S. 15f.

[2] Siehe zu all dem AIDA, Country Report: Hungary. November 2015, S. 23f.

[3] AIDA, Country Report: Hungary. November 2015, S. 44.

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