Naziaufmarsch gestoppt.

In Wien hat heute, am 11. Juni, ein Polizeiskandal stattgefunden. Dergleichen sind wir seit jeher gewohnt, aber das jetzt schlägt dem Faß den Boden aus. Die Polizei hat den Rammbock gespielt für die Idiotären, die gar nicht selbst kämpfen mußten, sondern einfach nur hinter der Polizei hermarschieren konnten, die ihnen mit Pfefferspray den Weg freimachte.


 
Das freilich nur ein kurzes Wegstück lang, von einer U-Bahnstation zur nächsten: am Westbahnhof war Endstation. Dort gab die Polizei angesichts immer neuer antifaschistischer Blockaden ihren rechtswidrigen Versuch auf und verfrachtete die Nazis in U-Bahnzüge. Ab die Post…
 
Der heutige Aktionstag, an dem über tausend antifaschistisch gesinnte Menschen teilnahmen, war insoweit ein Erfolg. Unser großer Dank gilt allen, die mit uns unterwegs waren. Schon im Vorfeld war es gelungen, den geplanten Einmarsch nach Ottakring zu unterbinden.  In Fünfhaus kamen die Nazis angesichts mehrerer gut kombinierter Blockadepunkte keinen Schritt voran.
 
Nur am Gürtel zwischen Burggasse und Westbahnhof waren sie kurze Zeit sichtbar, und das nur, weil die Polizei an ihrer Spitze marschierte. An ihrer Spitze, das ist kein Wortspiel von mir, sondern so war es wirklich: eine große Polizeiformation im Sturmschritt mit gezückten (und sofort abgefeuerten) Spraydosen griff unsere Demonstration an; dahinter folgten die Nazis mit Gebrüll… Aber wie gesagt, nur bis zum Westbahnhof.
 
Polizeiminister Sobotka (der wievielte seiner Unglückssorte?) wollte den Pfeffersprayeinsatz (der eine große Zahl von Verletzten zur Folge hatte) mit angeblichen Gewaltakten gegen seine Beamten rechtfertigen; selbst „Die Presse“ widersprach seiner Darstellung und verwies auf zahlreiche Videos, die das Gegenteil belegen:

http://diepresse.com/home/panorama/wien/5012926/Wiener-Strassenschlacht-zwischen-Links-und-Rechts?xtor=CS1-15
 
In einer demokratischen Republik hat die Staatsgewalt nicht neutral zwischen Recht und Unrecht zu sein. Sondern sie hat das Unrecht zu bekämpfen. Heute hingegen war die Polizei nicht einmal „nur“ neutral. Sondern sie hat sich aktiv auf die Seite des Unrechts gestellt.
 
Das NS-Verbotsgesetz genießt Verfassungsrang. Es ist von jeder Behörde, also auch von der Polizei, unmittelbar anzuwenden. Daher hätte die Polizei den Naziaufmarsch verbieten müssen, statt uns bei unserer Arbeit zu stören.
 
Über den heutigen Ereignissen können wir nicht zur Tagesordnung übergehen. Dieser Fehler wurde zu oft begangen, etwa nach den Polizeieinsätzen zum Schutz der Burschenschafterbälle. Der jetzige Kampfeinsatz der Polizei als Vorhut der Nazis erreicht eine neue Qualität.
 
Dies umso mehr, da wir mit dem Brandanschlag auf eine Flüchtlingsunterkunft, dem versuchten Sprengen einer Vorlesung und der Störaktion gegen eine Theateraufführung, und schließlich mit dem Amoklauf eines Nazischützen in Vorarlberg auch eine neue Qualität des Terrors erleben.
 
Ich erwarte nun von den demokratischen Parteien in diesem Land, von den Gewerkschaften, von den Glaubensgemeinschaften eine klare Verurteilung des heutigen Vorgehens der Sobotka-Polizei. Ich erwarte von ihnen einen gemeinsamen Aufruf zu einer Großdemonstration gegen den Naziterror. Und für die sofortige Abdankung dieses Sobotka.
 
Michael Genner
Obmann von Asyl in Not
11. Juni 2016

 
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