Negativ für schwersttraumatisierte Familie aus Afghanistan

Heute, zwei Tage vor den Weihnachtsferien wurde uns ein unerträglicher Bescheid zugestellt: Eine Referentin vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat den Antrag einer Familie ohne Rücksicht auf das Fluchtvorbringen völlig gnadenlos negativ abgewiesen.

Familie A. aus Afghanistan hat eine Geschichte, die einem das Blut in den Adern gefrieren lässt:
Eine Mutter, 4 Schwestern und ein Vater; Der Schwager und seine Eltern; die Brüder werden von der Polizei gesucht. Ein Überfall durch die Taliban, die Entführung des Vaters und des Schwiegervaters, Ermordung des Schwiegervaters, Folter, Vergewaltigung der Töchter, beschwerliche Flucht aus Afghanistan, komplette körperliche Lähmung und Erblindung des Vaters als Folge des psychischen Traumas, Selbstmordversuch der an Schizophrenie erkrankten Tochter.
 
Es ist der sensiblen und intelligenten Gesprächs- und Verfahrensführung von Mag.a Ariane Olschak zu verdanken, dass sich die Familie öffnen und ihre schrecklichen Erlebnisse erzählen konnte.
 
Schwersttraumatisierter Vater
 
Der Vater hat den Horror, dem er und seine Angehörigen ausgesetzt waren, nicht verkraftet. Er ist ein gebrochener Mensch. Wie bei einer posttraumatischen Belastungsstörung üblich, fiel er bei der Ankunft zur ersten als halbwegs sicher empfundenen Station in sich zusammen. Seitdem ist er erblindet, sitzt im Rollstuhl und spricht kein Wort mehr.
Genau das legt ihm das BFA nachteilig aus. Er hätte sich an der Einvernahme nicht beteiligt.
 
Das BFA möchte ihn abschieben. Ghazni, der Herkunftsort, an dem die Taliban ihr Leben zerstörten, sei der Familie nicht zumutbar, aber die anderen Provinzen wie Herat, Mazar-i Sharif oder Kabul könne man sich vorstellen. Außerdem seien der Vater (63 J)  und die Mutter (58 J) ja im erwerbsfähigen Alter und bisher auch in der Lage gewesen, sich zu versorgen.
 
Zum Vater hält das BFA fest: „Für Sie wurde eine Erwachsenenvertretung bestellt da Sie weder einvernahmefähig noch geschäftsfähig sind.“, nur um dann fortzuführen: „Sie wirkten zu keiner Zeit am Verfahren aktiv mit obwohl seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nochmals mit einem männlichen Referenten und einem männlichen Dolmetscher die niederschriftliche Einvernahme durchgeführt worden wäre.“
 
Das BFA hat also einen nicht einvernahmefähigen Mann zur Einvernahme geladen und wundert sich, dass er nicht an der Einvernahme mitwirken konnte:
„Es konnte seit Ihrer rechtswidrigen Einreise im Jahre 2015 nach Österreich keine Mitwirkung leider nicht einmal der Versuch mitzuwirken, registriert werden. Sie machten weder bei der Erstbefragung eigene Angaben bzw. versuchten sich mit der Außenwelt zu verständigen, noch bei der polizeifachärztlichen Untersuchung. Hier konnte der leitende Arzt nur Informationen Sie betreffend durch vorgelegte Befunde und durch Konversation mit Ihrer Ehegattin bekommen. Sie selbst hätten sich nicht geäußert. Auch bei den Versuchen einer Einvernahme vor dem BFA tätigten Sie keine Angaben und machten auch keine Versuchte sich durch Mimik oder Gestik mit der Außenwelt zu verständigen.
Es konnte keine klare medizinische Diagnose aufgestellt werden, welche Ihr Verhalten erklären würde bzw. Ihre mangelnde Kommunikationswilligkeit mit Ihnen unbekannten Personen. Es war nämlich aus den Angaben Ihrer Familie ersichtlich, dass Sie mit diesen kommunizieren, sei es durch Worte, Handzeichen oder Klopfzeichen.“
Die Mutter gibt an, dass der Vater nicht mehr spricht, auf keine Fragen reagiert und nur noch manchmal rufend fragt, wie spät es sei. Man muss kein Experte sein, um die Schwere dieser Erkrankung einschätzen zu können. Nur ein Mensch sollte man sein.
Doch damit kein Ende.
 
Vergewaltigung einer der Töchter
 
Zur geschilderten Vergewaltigung der Tochter maßt sich das BFA diesen zynischen Kommentar an:
„Die Männer hätten das Haus durchsucht und Ihre Eltern geschlagen, ihre Schwester hätten Sie hinaus gezerrt und Sie wären in den Holzschuppen gelaufen, wohin Ihnen ein Mann gefolgt wäre. Der Mann hätte eine Kopfbedeckung gehabt, einen langen Bart sowie lange Kleidung. Sie hätten sich hinter dem Holz versteckt und hätten Sie sich, als dieser Mann Sie entdeckt hätte hinlegen müssen. Sie hätten sich die Hose runterziehen müssen und wäre Ihnen von diesem Mann zu diesem Zeitpunkt der Mund zugehalten worden und hätte er Sie mit einer Waffe bedroht. Er hätte sich auf Sie gelegt und als Sie geschrien hätte, hätte dieser Sie geohrfeigt. Ihnen wäre anschließend schwarz vor Augen geworden. Als Sie wieder zu sich gekommen wären, wäre Ihre Hose nass gewesen. Danach hätte Ihre Mutter nach Ihnen gerufen.
Es war Ihnen nicht möglich ausführliche und lebensnahe Angaben zu Ihren persönlichen Fluchtgründen plausibel zu machen. Sie stellten vor der Behörde bloß ein abstraktes Vorbringen auf. Es ist nicht plausibel, dass Sie betreffend Ihres Fluchtvorbringens lediglich einen solch kurzen und sehr allgemein gehaltenen Sachverhalt angaben.“
Das BFA weiter: „Zu dem Vorfall im Holzschuppen gelang es Ihnen ebenfalls nicht glaubwürdige und plausible Angaben aus nachfolgenden Gründen zu tätigen. Es ist vorerst der Behörde nicht bekannt, dass Frauen in Afghanistan lediglich Hosen tragen.
Ihre Schilderungen bezüglich des Geschehens welches offenbar dadurch nicht mehr in Erinnerung ist, da Sie behaupteter Weise nach einer Ohrfeige ohnmächtig geworden wären, kann wenig zur Beurteilung und Mitarbeit bei der Wahrheitsfindung beitragen.“
Weiter: „Indem der Holzschuppen laut Aussage von Ihrer Mutter sehr klein gewesen wäre und darin Holz gelagert und gekocht worden wäre bleiben Sie in dieser Beschreibung der näheren Umstände wo das stattgefunden hätte und in der räumlichen Aufteilung äußerst vage. Sofern ein wütender Mann einer jungen Frau nacheilt diese findet ist es kaum vorstellbar, dass dieser ihr anordnet sich zulegen und sich auszuziehen, diese Beschreibung rührt weniger von einem gewaltsamen Übergriff. Ihre behauptete Ohnmacht nach einer Ohrfeige kann auch als Schutz vor weiteren detaillierten Fragen zum tatsächlichen Geschehen abgeleitet werden.“
(Alle Rechtschreibfehler darf das BFA behalten.)
 
Auf die einzutreten, die schon am Boden liegen – urösterreichischer Volkssport – wird beim BFA hochgehalten…
 
2017 hatte Asyl in Not bereits einen Fall einer vergewaltigten Afghanin veröffentlicht, der das BFA abermals nicht geglaubt hatte, weil sie sich nach der Tat nicht unverzüglich gewaschen habe. Diese hat aber dank unserer Beschwerde Asyl erhalten.
2018 hat sich die Entscheidungspraxis derart verschärft, dass nicht einmal derart offensichtlich traumatisierten Menschen Schutz gewährt werden soll.
 
Liebes BFA, unsere Wut macht uns nur stärker. Wir wünschen der Referentin nichts Gutes.
 
Kübra Atasoy
Geschäftsführerin
Asyl in Not


21. Dezember 2018

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