Wir haben einen Angriff auf die Menschenrechte abgewehrt

Es war ein ziemlich hartes Jahr. Wir waren so pleite, daß wir einige verdiente Mitarbeiter abbauen mussten. Wir hatten kein Geld und kein Personal. Aber wirwaren gefordert und mussten handeln: Am 1. Mai trat Strassers Gesetz in Kraft.

Es begannen die Verhaftungen und Deportationen. Und wir waren unter den NGOs beinahe die einzigen, die sich politisch und mental auf diese Auseinandersetzung vorbereitet hatten.

Der Zugang zur Erstaufnahmestelle Traiskirchen war uns zunächst verwehrt. Strasser plante dort sein kleines Guantanamo, abgeschirmt vor der Öffentlichkeit, von wo aus er seine Opfer ohne Aufsehen abzuschieben gedachte. Diesen Plan haben wir vereitelt; unsere wichtigste Stütze war die Selbstorganisation der tschetschenischen Flüchtlinge.

Unsere erste erfolgreiche Aktion war im Juli, als wir einen traumatisierten, von Abschiebung bedrohten Asylwerber aus Traiskirchen rausholten und unter Schutz stellten. Wir hielten eine Pressekonferenz ab – mit dem Resultat, daß unser Klient zum Verfahren zugelassen wurde (inzwischen erhielt er auch schon mit seiner Familie Asyl).

In der Folge erhielten wir an die dreihundert Vollmachten, vorwiegend von Tschetschenen., deren Boten mit diesen Vollmachten und Aktenkopien mehrmals wöchentlich aus Traiskirchen in unser Büro kamen. Umgekehrt fuhr ich bei jeder Gelegenheit nach Traiskirchen, um an Einvernahmen teilzunehmen (was nur mit Vollmacht möglich ist).

Die Flüchtlinge verstanden, daß wir ihnen nur so Rechtsschutz geben können. Wenn wir Vollmacht haben, wird der Dublinbescheid uns zugestellt und wir können Rechtsmittel ergreifen. So verhinderten wir im August die Abschiebung eines weiteren Tschetschenen, der gefoltert worden war und seither an PTSD (schwerer Traumatisierung) leidet:

Er war vor den Augen seiner schwangeren Frau in Handschellen abgeführt worden und saß in Eisenstadt in Schubhaft.

Wir mobilisierten die Medien, der ORF verlangte einen Drehtermin im Gefängnis, dank dem öffentlichen Interesse wurde die Abschiebung gestoppt, bis der UBAS (erfreulich rasch) den rechtswidrigen Bescheid behob.

Dem UBAS-Bescheid zufolge befand sich auf dem Arztbrief (der Traumatisierung und Folter bescheinigte) ein Aktenvermerk: „Laut Dr. Eichenseder Dublin-Verfahren fortsetzen.“

Eichenseder ist der Leiter der Erstaufnahmestelle Traiskirchen. Er hatte offenbar die rechtswidrige Weisung erteilt, den Tschetschenen trotz der ärztlichen Bescheinigung abzuschieben – eine krasse Verletzung der Ausnahmeklausel (§ 24 b), der zufolge traumatisierte oder gefolterte Asyl-werber nicht unter die Dublinklausel fallen, sondern zum Verfahren zuzulassen sind.

Gegen Eichenseder haben wir daher eine Strafanzeige wegen Amtsmissbrauchs erstattet (und wegen Verleumdung, weil er ernstlich behauptete, den Aktenvermerk hätte vielleicht ich selber geschrieben…); die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt ermittelt gegen ihn.

Wie wir aus der Beamtenschaft hörten, gab es überhaupt eine informelle Weisung von ganz oben, den Folter- und Traumatisierungsparagraphen nicht zu beachten, sondern alles, was greifbar war, einzusperren und abzuschieben.

So wurde Herr O., dem die Amtsärztin bescheinigte, daß er mit einer Zange mißhandelt worden war, in die Slowakei abgeschoben, wo ihm die Gefahr der Weiterschiebung drohte.

Der UBAS behob den Bescheid und O. (den wir mit Hilfe des Slowakischen Helsinkikomitees in einem Flüchtlingslager wiederfanden) konnte nach Österreich zurückkehren.

Auch in diesem Akt fand der UBAS einen Eichenseder-Vermerk, daß der Arztbrief nicht als Hinweis auf Folter zu werten sei… Wir weiteten die Strafanzeige gegen Eichenseder auch auf diesen Fall aus.

Herr S. und seine sechsjährige Tochter Diana wurden ebenfalls in die Slowakei deportiert, obwohl die Ärztin bei Diana eine Anpassungsstörung (Albträume, Angstzustände, Bettnässen) festgestellt hatte.

Als der Vater in Schubhaft saß, durfte Diana (die in ein Kinderheim gesteckt wurde) ihn nur einmal und nur durch eine Trennscheibe sehen.

Der UBAS behob auch diesen Bescheid und stellte fest, daß die Trennung vom Vater bei Diana eine Retraumatisierung auslösen konnte. Die beiden sind mittlerweile nach Österreich zurückgekehrt.

In allen diesen Fällen klagt die Rechtsanwaltskanzlei Dr. Rainer für unsere Klienten Entschädigungszahlungen ein.

Viele anderen tschetschenische Familien, die ebenfalls deportiert werden sollten, konnten wir rechtzeitig warnen, nachdem uns die Bescheide zugestellt worden waren.

Ihnen gelang es, aus Traiskirchen zu fliehen und „unterzutauchen“.

Anfangs wussten wir nicht, wo wir sie unterbringen sollten; manche schliefen bei Verwandten, andere im Park.

Aber dann fanden wir Unterstützung bei größeren Vereinen: Caritas und Diakonie stellten Notquartiere zur Verfügung. SOS-Mitmensch rief dazu auf, Flüchtlinge privat unterzubringen; allen, die sich daraufhin meldeten, danken wir sehr.

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