Asylsuchende brauchen eine lange Geduld. Oder:
Wie zerlegt man eine Kalaschnikov?
(Erster Teil)
Die Brüder Ayub und Salman sind 2007 aus Tschetschenien geflüchtet; nicht wie üblich über Polen, sondern auf einem Umweg über Italien. Seit damals werden sie von Asyl in Not beraten und vertreten. Manchmal schien es aussichtslos. Jetzt ist es doch zu einem guten Ende gelangt.
Über die Erlebnisse nach der Ankunft in Italien berichtet Ayub: „Wir wurden dort eingesperrt, angeschrieen, demütigend behandelt und mit dem Deportieren bedroht. Wir erhielten unmissverständlich die Aufforderung, das Land zu verlassen.“
Besonders erniedrigend war, daß der durch Erlebnisse in seiner Heimat ohnedies schwer traumatisierte Ayub sich vor den italienischen Beamten nackt ausziehen mußte und sie dabei über ihn lachten.
Das Bundesasylamt entschied trotzdem, daß Italien zuständig sei. Unsere Berufungen wurden abgewiesen, die Brüder nach Italien abgeschoben. Am Flughafen Milano setzte man sie quasi aus…
Obwohl Italien sich ausdrücklich zuständig erklärt hatte, nahm sie niemand in Empfang, wurden sie in kein Lager gebracht, sie erhielten nicht einmal Tickets und mußten schwarz mit dem Bus in die Stadt fahren, wo sie tagelang vergebens nach einer Polizeistation suchten, die breit gewesen wäre, ihren Antrag anzunehmen.
Überall schickte man sie weg, sie hungerten und froren und hatten keinen Platz zum Schlafen. Die einzige Auskunft, die sie von einem italienischen Behördenorgan erhielten, lautete: „Today no asyl, tomorrow no asyl!“ Ein mitleidiger Kebabstandbesitzer gab ihnen manchmal ein bißchen zu essen; schlafen mußten sie auf der Straße; schließlich flüchteten sie nach Österreich zurück.
In Traiskirchen befand sogar die amtseigene Ärztin, daß Ayubs psychischer Zustand sich seit ihrem ersten Befund massiv verschlechtert hatte. Daran waren seine Erlebnisse in Italien schuld. Trotzdem machte das Asylamt wieder einen Dublin-Bescheid… Unserer Beschwerde gegen diesen Justament-Bescheid gab der Asylgerichtshof diesmal statt.
Der Fall ging nun an die Außenstelle Wien des Bundesasylamtes. Die Brüder wurden dort ausführlich über ihre Erlebnisse in Italien befragt. Aber wozu? Das Asylamt erließ trotzdem wieder (nun schon den dritten!) Dublin-Bescheid…
Also wieder Beschwerde an den Asylgerichtshof, der sich zwar vor der Entscheidung, daß Italien nicht sicher ist, drückte, aber wenigstens den Akt so lange liegen ließ, bis er verfristet war.
Bis dahin waren die Brüder zwar „illegal“, aber in einem Heim der Caritas halbwegs sicher untergebracht. Psychisch ging es ihnen immer schlechter; die lange Wartezeit hatte sie zermürbt.
Der Asylgerichtshof behob den Dublinbescheid also wegen Ablaufs der Überstellungsfrist, sodaß das Bundesasylamt Wien nun endlich ein inhaltliches Verfahren durchzuführen hatte.
Und was hat das alles mit dem Zerlegen einer Kalaschnikov zu tun? Liebe Leserinnen und Leser, wir bitten um ein wenig Geduld. Sie lesen das im nächsten Rundmail. Vorab nur eines:
Ayub und Salman mußten auch sehr geduldig sein. Das berüchtigte Dublin-System hat ihnen drei verlorene Lebensjahre beschert. Daher fordert Asyl in Not die Abschaffung der Dublin-Verordnung und die freie Wahl des Asyllandes durch den Flüchtling.
Auch dafür – und nicht nur gegen die erbärmlichen Fektereien – demonstrieren wir am 27. April 2011. Wir versammeln uns um 18 Uhr am Christian Broda Platz beim Westbahnhof und marschieren von dort zum Parlament, wo das Fekter-Unrechtspaket beschlossen werden soll.
Liebe Leserinnen und Leser, marschieren Sie mit!
Michael Genner
Obmann von Asyl in Not
Spendenkonto:
Raiffeisen (BLZ 32000),
Kontonummer 5.943.139, Asyl in Not