Ein schöner Erfolg

Neulich war ich mit Bilal (der Name ist natürlich geändert), einem jungen Afghanen, bei der öffentlichen Beschwerdeverhandlung im Bundesverwaltungsgericht. Bilal hatte in Afghanistan als Dolmetscher für die amerikanischen Truppen gearbeitet. Schon im erstinstanzlichen Verfahren beim BFA hatte er diese Tätigkeit durch Fotos, die ihn in Uniform mit amerikanischen Offizieren zeigen, und durch das Bestätigungsschreiben eines US-Kommandanten bewiesen. Trotzdem hatte das BFA seinen Antrag abgewiesen. Es sei zwar glaubhaft, daß er Dolmetscher war, aber verfolgt würde er deshalb nicht…


Darüber kann man sich nicht einmal mehr wundern, es ist der tägliche Wahnsinn im BFA. Wer die Lageberichte zu Afghanistan kennt, weiß natürlich, daß Dolmetscher, die für die US-Truppen tätig sind, zu den Berufsgruppen mit dem größten Risiko gehören.
 
Nach einem gründlichen Vorbereitungsgespräch gingen wir zur Verhandlung. Gute Vorbereitung ist das um und auf, um ein Verfahren zu gewinnen. Ich ließ den jungen Mann ausführlich erzählen, worin seine Arbeit bestanden hatte, bei welchen Operationen er dabei gewesen, mit wem er in Konflikt geraten war. Denn genau dazu hatte man ihm in der ersten Instanz nicht genug Zeit gelassen.
 
Mein Gewissen war rein, denn ich hatte alles getan, was nötig war; aber verdammt nervös war ich trotzdem wie immer, obwohl ich nun fast dreißíg Jahre lang diese Arbeit mache. Denn passieren kann immer etwas, der Richter kann ein Bösewicht sein, der Klient kann alles verpatzen, selber kann ich nur dabei sitzen und hoffen und nur im Notfall dazwischenfahren.
 
Aber es ist alles gut gegangen. Der Richter war freundlich, der Klient erzählte präzise und mit vielen Details. Der erste Teil der Verhandlung war in englischer Sprache, denn der Richter wollte sich überzeugen, ob Bilal gut genug Englisch kann, sodaß seine Dolmetschtätigkeit glaubhaft wäre. Hat alles gepaßt.
 
Bilal schilderte eindringlich, mit welchen Methoden die Taliban, wenn sie eine Provinz erobert hatten, sich den Zugang zu den Personalakten der US-Administration angeeignet haben:
 
„Das ganze System, das die amerikanische und afghanische Armee gehabt haben mit ihrem Fingerabdrucksystem, haben die Taliban bekommen. Entweder haben die afghanischen Soldaten die Geräte schwarz verkauft oder wurden diese Geräte erbeutet. Sie haben unsere komplette Identität. Mich zu finden wird für sie nicht so schwierig sein.“
 
„Sie zwingen die Leute, andere zu verraten. Wenn sie Soldaten festnehmen, ist es möglich, dass Reumütigkeit ihnen vielleicht hilft. Aber bei Dolmetschern haben sie keine Gnade.“
 
Am Ende verkündete Richter Dr. Christian Baumgartner das positive Erkenntnis. In der mündlich diktierten Begründung stützte er sich auf zahlreiche Länderberichte, insbesondere auf die aktuellen UNHCR Eligibility Guidelines vom August 2018, und stellte folgendes fest:
 
 „Dolmetscher, die für die amerikanische Armee gearbeitet haben, stellen herausragende Ziele der Taliban dar und können in ganz Afghanistan gefunden und mit dem Tod bedroht werden. (…) Der Beschwerdeführer würde sich daher bei seiner Rückkehr einer exzeptionellen, akuten Bedrohungssituation durch regierungsfeindliche Kräfte ausgesetzt sehen. Seine Furcht ist daher wohlbegründet, aus politischen Gründen verfolgt zu werden, zumal der Staat ihm aufgrund der Fähigkeit des Taliban-Geheimdienstes, ihn aufzuspüren und der Durchsetzung des Staatsapparates mit Taliban-Spionen keinen effektiven Schutz gewähren kann.“
 
„Eine innerstaatliche Fluchtalternative besteht für ihn nicht, weil im gesamten Staatsgebiet von Afghanistan von einer derartigen Verfolgung auszugehen wäre. Die Taliban können ihn auch in großen Städten aufspüren und würden angesichts der Art seiner Tätigkeit auch einen entsprechenden Aufwand betreiben. Der Beschwerdeführer wäre auch besonders gefährdet, bei Straßensperren aufgedeckt zu werden und Schaden zu nehmen.“
(BVwG – Geschäftszahl: W104 217862-1/102)
 
Ein mustergültiges Verfahren also und eine richtungweisende Entscheidung. Aber wir wissen leider, daß es nicht immer so glatt geht. Negative Gegenbeispiele berichten wir ein anderes Mal.
 
Michael Genner
Obmann von Asyl in Not
12. September 2018
 
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