Wir sind entsetzt.
Wir sind entsetzt.
Über die Reaktionen und die Sprache, die rundum die Angriffe auf die Ukraine verwendet werden und über die plötzliche innere Anteilnahme vieler Menschen, die sich zum scheinbar ersten Mal in ihrem Leben in Bezug zu jenen setzen, die von einer militärischen Invasion bedroht werden.
Jetzt ist der Krieg zurück, heißt es mancherorts, eine „neue Ära“ breche heran und woanders kann man lesen, dass die Unter-30-Jährigen zum ersten Mal einen Krieg erleben werden.
Welch Ignoranz und welch Missachtung strotzt uns hier entgegen, dem echten Uns, nicht dem ausschließenden Uns, das diesem Mindset zugrunde liegt.
Wir, das sind nämlich unzählige Menschen mit Kriegserfahrung in diesem Land. Wir kommen aus dem Kosovo, aus Kurdistan, aus dem Kongo, aus Afghanistan, aus Syrien, aus Somalia und aus Tschetschenien.
Wir sind die Überlebenden rassistischer Polizeigewalt in diesem Land, wir kommen aus Hanau, aus Solingen, aus Köln und in Wien sind wir die Angehörigen von Marcus Omofuma, von Cheibane Wague, von Binali Ilter und allen, die uns hier genommen wurden.
Wenn ihr Journalist:innen und Hobby-Politikwissenschafter:innen Themen sucht, die edgy und neu sind, dann setzt euch doch lieber mit dieser Lebensrealität auseinander oder noch besser, recherchiert und fasst zusammen, warum ausgerechnet dieses Mal emotionale Bezugnahmen und Solidarität zur Schau getragen werden, warum diesmal ein großer Teil der Gesellschaft Betroffenheit zeigen kann.
Was macht diesen Konflikt so anders und so wahrnehmbar für die kleinbürgerliche Mittelschicht, euer „UNS“, das in den Redaktionen, Ordinationen und Kanzleien sitzt?
Vor UNSERER Haustür herrscht immer Krieg.
Wir hatten nie den Luxus, Krieg und Gewalt für Gespenster der Vergangenheit zu halten. Sie haben uns nie verlassen.
25.02.2022
Kübra Atasoy,
Vorsitzende
Asyl in Not