Asyl in Not – Jahresbericht 2020
Wir blicken ohne Frage auf ein äußerst ereignisreiches Jahr zurück. So einiges hat uns unvorbereitet getroffen, vor manchen anderen Ereignissen haben wir schon lange gewarnt. Das Jahr 2020 begannen wir mit einer geplanten Schulungsphase im ersten Quartal. Wir halten und besuchen Workshops, bilden uns und unser Umfeld intensiv weiter und bilden mehr Menschen aus.
Währenddessen eskaliert die Situation an Europas Außengrenzen weiter: Rettungsboote werden an ihrem Einsatz im Mittelmeer gehindert. Die griechische Polizei schießt an der Grenze auf Geflüchtete und sowohl offiziell (abgestellte Polizei) als auch inoffiziell (Betriebsausflug der „Identitären“) beteiligt sich Österreich einmal mehr auf der menschenfeindlichen Seite der Auseinandersetzungen.
Während die Corona-Zahlen steigen und die ersten Maßnahmen der Regierung verkündet werden beschließen wir kurzerhand, unsere Schulungen auch in diese Richtung auszubauen und bilden uns auch im Verwaltungsrecht weiter aus, um mit unseren Klient*innen die horrenden – mittlerweile bestätigt rechtswidrigen – Strafen zu bekämpfen, die die Polizei auf den Straßen verteilt.
Kurzzeitig werden aufgrund der Weltlage Abschiebungen aus Österreich ausgesetzt, jedoch können wir uns leider nicht lange darüber freuen: Die Schubhaft wird für die Gefangenen nämlich in den meisten Fällen nicht beendet, es kommt zu Protesten der Inhaftierten.
Mittlerweile ist die Pandemie kein Grund mehr für die Behörden, Abschiebungen nicht durchzuführen, denn: „Eine Epidemie im Herkunftsstaat eines Fremden ist zwar grundsätzlich […] beachtlich. Da es sich aber eben nicht nur um eine Epidemie in Ihrem Herkunftsstaat, sondern um eine Pandemie handelt, ist das allgemeine Lebensrisiko am Erreger SARS-CoV-2 zu erkranken, weltweit. d.h. sowohl in ihrem Herkunftsstaat, als auch in Österreich erhöht.“
Die Gerichte setzen für kurze Zeit die Verhandlungen aus, entscheiden aber viele Fälle aus dem Home-Office. Das heißt für unsere Rechtsabteilung jede Menge Schriftsatzarbeit, um die notwendigen Beschwerden und angeforderten Stellungnahmen zu verfassen.
Im Sommer dominiert #blacklivesmatter die Medien. Wir freuen uns über die große Bewegung und viele neue, junge Aktivist*innen. Leider blicken wir schon auf einen weiten Weg zurück, entlang dem bereits zu viele ihr Leben lassen mussten. Was Michael Genner bereits zur Ermordung von Marcus Omofuma im Jahr 2002 schrieb, gilt heute für George Flyod und morgen für die nächsten Opfer rassistischer Peiniger: „[Er] starb als Opfer eines rassistischen Systems. Wir werden ihn nicht vergessen. Nicht ihn, und auch nicht die vielen anderen […]. Wir vergessen auch die Schuldigen nicht. Unser Weg ist weit und mühevoll. Wir geben nicht auf.“
Wir freuen uns aber auch über neue Verbündete auf dem Weg, der noch vor uns liegt.
Im Sommer öffnen die Gerichte wieder und die Ladungen trudeln bei uns ein: Unsere Rechtsberater*innen fahren zu mehreren Verhandlungen jede Woche und pendeln zwischen den Gerichten in Innsbruck, Linz und Wien.
Ende Oktober eskalieren die Proteste der Jugend Nigerias gegen die Polizeibrutalität und das Regime. Auch in Wien gibt es unterstützende Veranstaltungen. Wir bieten Rechtshilfe vor Ort an.
Die Corona-Zahlen steigen in Österreich wieder, die nächsten Maßnahmen werden bekanntgegeben. Wir machen uns bereit für die nächste Welle an Einsprüchen.
Leider konnten wir dieses Jahr auf keinen Veranstaltungen Spenden sammeln, und auch unsere Kunstauktion konnte stattfinden. Wir haben massive Einnahmenverluste erlitten.
Ebenso ziehen sich durch das ganze Jahr leider Probleme mit unseren Räumlichkeiten: Der WUK-Verein hat einem Mietvertrag mit der Stadt Wien zugestimmt, der für uns und andere kleine Initiativen viele Fragezeichen mitbringt. Wir werden sehen, wie sich die geplante „Renovierung“ der Räumlichkeiten im kommenden Jahr auf uns auswirken.
Wir haben 2020 überstanden, wie wir so viele schwierige Jahre bereits überstanden haben. Gemeinsam können wir – geschwächt, aber niemals entmutigt, in ein neues Jahr gehen.
Jahresbericht Gewaltberatung
Ende letzten Jahres haben wir die Eröffnung unserer Anlauf- und Beratungsstelle für Gewaltbetroffene mit Beginn des Jahres 2020 angekündigt.
Für diesen Schritt haben wir uns entschieden, da wir immer wieder bei unserer Asylberatung den Bedarf nach einer Gewaltberatung speziell mit dem Fokus auf Asyl- und Aufenthaltsrecht sehen.
Wir konnten zwar aufgrund unserer verlängerten Beratungspause über die Wintermonate, die wir zur weiteren Schulung unserer Mitarbeiter*innen nutzten, nicht wie ursprünglich angedacht mit Jänner in die Beratung starten, trotzdem können wir mittlerweile auf ein knappes Jahr an Gewaltberatung zurückblicken.
Was können wir nun, ein knappes Jahr nach Start unserer Beratung, berichten?
Wir konnten mithilfe Ihrer Unterstützung
· Unsere Mitarbeiter*innen weiter schulen, sensibilisieren und ausbilden.
· Neue Mitarbeiter*innen einschulen.
· Unsere Räumlichkeiten so gestalten, dass wir ein sicheres Beratungsumfeld für unsere Klientinnen bieten können.
Seither durften wir zahlreiche Klientinnen begleiten. Bei einigen konnten wir die erlebte Gewalt als Argumentation in ihrem Asylverfahren geltend machen. Wieder anderen konnten wir dank zielgerichteter Beratung ihre Handlungsmöglichkeiten aufzeigen, sodass sie mit allen wichtigen Informationen versorgt selbstbestimmt ihre nächsten Schritte planen konnten.
Asyl in Not auf der Straße
Trotz Corona gab es vor allem im Sommer so einige Demonstrationen und Veranstaltungen, an denen wir in der ein oder anderen Art unter Einhaltung der notwendigen Sicherheitsvorkehrungen mitgewirkt haben. Unter anderem:
6. 3. 2020
Beteiligung und Redebeitrag an der Großdemonstration gegen das Vorgehen an den EU-Außengrenzen
24. und 25. 6. 2020
Solidarität gegen die Angriffe der türkischen Faschisten in Wien
3. 7. 2020
Redebeitrag auf der Kundgebung “Stop Deportations to Afghanistan” am Platz der Menschenrechte
11. 9. 2020
Beteiligung, Redebeitrag und Moderation der Demonstration in Wien zu Moria brennt
12. 9. 2020
Redebeitrag auf dem kurdischen Straßenfest “Solidarität mit Rojava” am Schwarzenbergplatz
14.9. 2020
Redebeitrag auf der Kundgebung “Tore auf” am Platz der Menschenrechte
10. 10. 2020
Beteiligung an der Kundgebung “Stoppt Hinrichtungen im Iran” am Stock im Eisenplatz
25. 10. 2020
Rechtsberatung auf der #endsars Demonstration gegen die Polizeibrutalität in Nigeria
30. 10. 2020
Mitorganisation, Redebeitrag und Rechtsberatung auf der Demonstration gegen die Regierung Nigerias