Behördliche Falschmeldungen zum neuen Asylgesetz

Innenminister Ernst Strasser zur Tiroler Tageszeitung, 15.5.2004:
„Das neue Asylsystem gewährleistet eine strengere Handhabe. Seit dem 1. Mai hat sich gezeigt, daß wir viele direkt an der Grenze zurückweisen (…) können.“

Das ist sehr interessant. Es stimmt zum Teil: Asylwerber, die über die Schweiz oder Liechtenstein nach Österreich kommen, dürfen gemäß § 17 schon an der Grenze zurückgeschickt werden. Wie viele dürften das sein? Nullkommajosef.

Die große Mehrzahl der Flüchtlinge kommt nach wie vor über unsere östlichen Nachbarländer Tschechien, Slowakei, Ungarn und Slowenien, die seit 1. Mai EU-Mitglieder sind. Hat er die gemeint? Schiebt Herr Strasser diese Flüchtlinge direkt an der Grenze zurück? So wie er es zu Allerheiligen mit den Tschetschenen getan hat?

Das ist immer noch verboten. Kennt Herr Strasser nicht sein eigenes Gesetz? Oder versucht er, der Öffentlichkeit einzureden, seine illegale Praxis sei nun rechtens geworden? Das nennt man: Desinformation.

Wer über einen Dublinstaat nach Österreich kommt, hat Anspruch auf ein „Dublin-Verfahren“. Das ist schlimm genug:

Sein Asylantrag wird zurückgewiesen, wir können zwar Berufung erheben, aber er wird trotzdem ins Nachbarland zurückgeschoben. Dort sitzt er im Gefängnis (in Ungarn im berüchtigten Szombathely, bis zu einem Jahr!).

Aber er hat wenigstens die Chance, daß der UBAS den Bescheid behebt und er nach Österreich zurückkommen kann – vorausgesetzt, die NGOs in den Nachbarländern haben ihn bis dahin vor Weiterschiebung ins Verfolgerland geschützt.

Herr Strasser plaudert einmal mehr allzu ungeniert aus der Schule. Offenbar schiebt er Flüchtlinge in die Beitrittsländer zurück. Wurden deshalb seit 1. Mai so wenige Asylanträge in Österreich gestellt?

Diese Länder sind nicht sicher. Der UBAS hat das in den vergangenen Jahren in ständiger Rechtsprechung festgestellt. Herr Strasser versucht einmal mehr, die Entscheidungen einer unabhängigen Berufungsinstanz zu umgehen.

Dementsprechend dreist schiebt Herr Strasser auch dem UBAS die Schuld daran zu, daß Asylverfahren so lange dauern.

Strasser zur APA (zitiert nach „Wiener Zeitung“, 13.5.2004) über den UBAS. „Das ist ein ganz eigenes Kämmerchen, das frank und frei arbeiten darf.“ Das Innenministerium habe dem UBAS „mehrfach Vorschläge gemacht, wie man den Output bei Verfahren erhöhen könnte, ist damit aber auf Desinteresse und taube Ohren gestoßen“.

Ein Gericht, das „frank und frei“ entscheidet, ohne den „Output“ zu erhöhen, ist dem Polizeiminister ein Dorn im Auge. Er zeigt einmal mehr, wie wenig er den Rechtsstaat liebt.

Die wirkliche Ursache der langen Verfahren ist aber, daß der UBAS die Arbeit nachholen muß, die der Erstinstanz, Herrn Strassers Bundesasylamt, zu beschwerlich war: die Ermittlung des wahren Sachverhalts.

Daran krankt das Asylsystem in diesem Land; und das zeigt einmal mehr, daß im Bundesasylamt eine Reform an Haupt und Gliedern nötig ist.

Herr Strasser, von dem wir vieles gewohnt sind, ist aber nicht der einzige, der Falschmeldungen verzapft.

Im „Falter“ vom 19.Mai finden wir eine „Promotion“-Seite der Gemeinde Wien und der Caritas mit der schönen Überschrift „Geregeltes Asyl“. Die Wiener Flüchtlingsbeauftragte Barbara Derkits-Kremser wird in diesem Inserat unter anderem befragt, wie man eigentlich Asylwerber wird.

„Voraussetzung ist die Bekanntgabe eines Asylansuchens nach dem Grenzübertritt auf der nächsten Polizeidienststelle oder Bezirkshauptmannschaft,“ sagt Frau Derkits-Kremser dazu. Und auf die Frage, woher die Flüchtlinge das wissen: „Diese Information dürfte Teil des so genannten Schlepperpakets sein.“

Nun, wir wollen hoffen, daß kein Schlepper und kein Asylwerber so dumm ist, diese „Information“ der Frau Derkits ernst zu nehmen. Wer sofort nach der Grenze zur Polizei geht, wird nämlich Opfer eines „Dublin-Verfahrens“: Weil man ihm beweisen kann, durch welches Nachbarland er gekommen ist, wird sein Asylantrag als unzulässig zurückgewiesen; er wird (siehe oben) trotz Berufung zurückgeschoben.

Zurück – in einen unsicheren Staat, wo er eingesperrt wird und Gefahr läuft, weitergeschoben zu werden bis ins Verfolgerland.

Wenn ein Flüchtling Zugang zum Asylverfahren finden will, darf er keinesfalls zur nächsten Polizeistelle gehen, sondern er muß weit genug ins Landesinnere (nach Traiskirchen, nach Thalham, nach Wien…) kommen, sodaß der „zuständige“ Dublinstaat nicht mehr festgestellt werden kann.

Frau Derkits verbreitet also auf ihrer „Promotion“-Seite eine gefährliche Falschinformation. Sie gefährdet die Sicherheit der Flüchtlinge und bringt sie in Abschiebungsgefahr.

Tut sie das in der Hoffnung, die Zahl der Schutzsuchenden zu vermindern, für deren Aufnahme und Versorgung sie geradezustehen hat? Und was sagt dazu die Caritas, deren Kontaktadresse unter diesem Inserat steht?

Asyl in Not wird weiterhin die Rechte und Interessen der Flüchtlinge parteiisch vertreten und Mißbräuche abstellen. Zweckdienlichen Hinweisen (auch von MitarbeiterInnen der Gemeinde Wien, der Caritas und anderer Institutionen) gehen wir gerne nach.

Michael Genner, Asyl in Not

Währingerstraße 59
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