Unser heißgeliebter Gegenspieler, das Bundesasylamt, ist zwanzig Jahre alt geworden. Hoffentlich auch ein bißchen weiser.

Am 1. Juni 1992 trat das Anti-Asylgesetz 1991 in Kraft; Polizeiminister Franz Löschnak und sein „furchtbarer Jurist“, Sektionschef Manfred Matzka, hatten es ausgeheckt. Es bescherte uns als Erstinstanz statt der bisher zuständigen Polizei eine zivile Behörde, das Bundesasylamt. Formal ein Fortschritt; in Wirklichkeit keine Spur.

Leiter des Bundesasylamtes Wien zum Beispiel wurde Johann Schadwasser; bis dahin Leiter der Asylabteilung der Sicherheitsdirektion. Schon 1989 hatte er in der Zeitschrift „Der Kriminalbeamte“ unter dem Titel „Das Boot ist voll“ eine radikale Verschärfung des österreichischen Asylwesens gefordert.

Dementsprechend sah sein Wirken im Bundesasylamt aus. Die jungen Beamten, die über Menschenschicksale entscheiden sollten, waren meist völlig überfordert. Einige, die es nicht aushielten, berichteten uns von einer informellen Order: „Macht’s es, wia’s wollt’s, aber macht’s es negativ.“

Kernstück des Gesetzes war die Drittlandklausel, die aber (doppelt hält besser) in Verbindung mit einer inhaltlichen Abweisung anzuwenden war: „Sie waren in Ungarn sicher, außerdem sind Sie unglaubwürdig.“

Berufungen wurde oft die aufschiebende Wirkung aberkannt, sodaß die Deportation sofort vollstreckbar war. Berufungsinstanz war das Innenministerium und bestätigte fast alle Bescheide der (an seine Weisungen gebundenen) Erstinstanz.

Viele Menschen fielen diesem Gesetz zum Opfer. Manche konnten wir retten, wenn wir von ihnen erfuhren. Manche verschwanden sofort nach der Einvernahme im Asylamt hinter Gittern.

So Shaba S., Folteropfer aus Zaire; zum Glück hatte er in Österreich einen asylberechtigten Cousin, der mich verständigte. Wir starteten eine „Aktion Notruf Asyl“, unsere LeserInnen bombardierten das Innenministerium mit Protestanrufen und Faxen. Löschnak war kurz vorher gestürzt (1995); unter Caspar Einem führten Protestaktionen rascher zum Ziel:

Shaba wurde freigelassen und erhielt schon nach wenigen Wochen in zweiter Instanz Asyl! Ohne seinen Cousin hätten wir nie von ihm gehört. Er wäre abgeschoben worden, wie viele andere, in die Hände seiner Verfolger, in den Tod.

1996 gelang es uns, die Bestellung Schadwassers zum Leiter des Bundesasylamtes durch Proteste zu verhindern. Schadwasser wurde versetzt, Johann Taucher (vormals Caritas) zum Leiter ernannt. Er hatte freilich schon in der Caritas seine Aufgabe in der Spaltung der Flüchtlinge gesehen. Leiter der Außenstelle Wien wurde Wilfried Stracker (jetzt Asylgerichtshof), unter dem es besser wurde.

Das UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) war über die Zustände in Österreich besorgt. 1994 trat unter seiner Obhut in Traiskirchen das erste „UNHCR-NGO-Forum“ zusammen: NGOs aus ganz Österreich berieten über eine gemeinsame Strategie. Wichtigstes Ergebnis war die Bildung der Gemeinsamen Flüchtlingskommisssion (GFK).

Sie bestand aus 9 NGOs (darunter Asyl in Not); UNHCR nahm mit beratender Stimme teil. Ihre Aufgabe war es, Fälle „illegaler“, von Abschiebung bedrohter Asylwerber zu prüfen und gegebenenfalls die Flüchtlingseigenschaft festzustellen.

Die Kommission führte also nichtstaatliche Asylverfahren durch! Ein bis dahin unerhörter Schritt. Als ersten Fall brachte ich die rechtskräftig negativ beschiedene, extrem gefährdete Iranerin Shahnaz ein. Sie wurde von der Kommission als Flüchtling anerkannt, von UNHCR interviewt und erhielt, in Ermangelung anderer Dokumente, einen „Schutzbrief“ (protection letter) des UNHCR ausgestellt.

Solche Schutzbriefe gibt es nur in Ländern ohne rechtsstaatliches Asylverfahren, etwa in der Türkei oder in Pakistan. Österreich war der einzige EU-Staat, in dem UNHCR eine solche Maßnahme nötig fand.

Natürlich hatte der Schutzbrief keine Rechtswirksamkeit. Aber UNHCR intervenierte oft im Innenministerium, schließlich mit Erfolg: 1996 erhielt Shahnaz Asyl. Damals war Franz Löschnak nicht mehr im Amt.

Mit der von Caspar Einem begonnenen Gesetzesreform (Asylgesetz 1997) und der Einrichtung des UBAS als erstmalig rechtsstaatlicher Berufungsbehörde im Asylverfahren wurde die Gemeinsame Kommission überflüssig und stellte 1999 ihre Arbeit ein.

Das Asylgesetz 1997 ermöglichte uns gewaltige Fortschritte in der Judikatur. Dabei mußte das Asylamt immer wieder in die Schranken gewiesen werden. So etwa als manche dortige Beamte die klare Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes und des UBAS, daß afghanische Frauen eine soziale Gruppe im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention sind, nicht wahrhaben wollten.

Unvergessen bleibt mir ein Amtsdirektor in Eisenstadt: Als ich ihn mit einer afghanischen Frau aufsuchte, die einen neuen Antrag aufgrund der neuen Judikatur stellte, schlug er mit der Faust auf den Tisch und rief: „Das Asylgesetz ist doch eine Hure!“ Auf meine erstaunte Frage, warum: „Weil es euch so mißbräuchliche Anträge erlaubt.“ Ich veröffentlichte diesen Spruch im Internet; meine Klientin erhielt Asyl.

Ein besonderes Problem erwuchs schließlich in Gestalt der Erstaufnahmestellen des Bundesasylamtes, wo zu Strassers und Prokops Zeiten regelrechte Menschenjagden stattfanden. Tag für Tag spielten sich Schreckenssszenen ab, Familien wurden zerrissen, Väter vor den Augen der Kinder in Handschellen abgeführt, Frauen erlitten Nervenzusammenbrüche und kamen auf die Psychiatrie. Auch das war für uns Anlaß vieler Internetkampagnen, einige Menschen konnten wir retten, viele andere wurden deportiert.

Unsere Rechtsmittel, die die Judikatur des UBAS und später des Asylgerichtshofes maßgeblich beeinflußten, führten immer wieder zum Erfolg. Unsere Veröffentlichungen und Kampagnen ebenso.

Auch in Teilen der Beamtenschaft haben unsere Maßnahmen allmählich ein Umdenken bewirkt. Selbst im Bundesasylamt gibt es heute Menschen guten Willens, die sich redlich bemühen, rechtsrichtig zu entscheiden. Dank ihnen konnten wir mitunter sogar Fehlentscheidungen des Asylgerichtshofes mittels Folgeanträgen korrigieren.

Aber sie sind noch immer die Minderheit. Unsere Aufgabe ist es daher weiterhin, erzieherisch zu wirken und Spreu vom Weizen zu trennen. Wir haben viel Erfahrung darin. Eines Tages wird das Menschenrecht gelten, auch in diesem Land.

Michael Genner

Obmann von Asyl in Not

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