Manal Mohammad und ihre vier Söhne dürfen nicht nach Bulgarien geschickt werden!
Ein Erfolgsbericht von Franziska Perl, Rechtsberaterin, Asyl in Not

Oft wurde in den letzten Monaten über die tragischen Erlebnisse der Familie berichtet. Endlich ist es soweit. Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden. Eine Abschiebung nach Bulgarien ist rechtwidrig. Manal und ihre Söhne sind zum Asylverfahren in Österreich zuzulassen. Noch ist die Entscheidung jedoch nicht rechtskräftig.


 
Bereits im November 2015, als ich Manal zur Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) in Traiskirchen begleitete, wurde uns gleich zu Beginn der Befragung vermittelt, die Familie könne nicht in Österreich bleiben; der Vater der Kinder habe schließlich subsidiären Schutz in Bulgarien. Dass zu diesem kein Kontakt besteht, kümmerte das Bundesamt genauso wenig, wie die Tatsache, dass Manal und ihre Kinder schwer traumatisiert sind. Einerseits aufgrund des Krieges in Syrien, andererseits aufgrund des 5-tägigen Gefängnisaufenthalts der Kinder in Bulgarien, wo sie von ihrer Mutter getrennt und von bulgarischen Sicherheitsbeamten misshandelt wurden.
 
Es folgte eine Stellungnahme nach der anderen von unserer Seite, in denen auf die höchst prekäre Lage für AsylwerberInnen und Schutzberechtigte in Bulgarien eingegangen und betont wurde, dass sich die Schilderungen der Kinder zur Gänze mit Berichten zahlreicher Menschenrechtsorganisationen decken.  Mehrmals wurde auf die schlechte psychische Verfassung Manals und ihrer Söhne und entsprechende ärztliche und psychologische Schreiben hingewiesen. Die Kinder haben Albträume und große Angst, erneut von ihrer Mutter getrennt zu werden. Hinzu kommt die Angst vor Männern in Uniform.
 
Zahlreiche Befunde, psychologische Stellungnahmen und sonstige ärztliche Schreiben wurden an das Bundesamt weitergeleitet. Der Zusammenhalt und die Unterstützung der Großfamilie in Österreich und auch der große Freundeskreis hierzulande wurden detailreich beschrieben. Auch Schreiben von Seiten der Schule, in die Delo geht, wurden dem Bundesamt übermittelt.
 
Wir stützten uns insbesondere auf die Kinderrechtskonvention, das österreichische Bundesverfassungsgesetz über die Rechte der Kinder, wie auch auf die Europäische Menschenrechtskonvention. Kinder haben ein Recht auf Stabilität und Geborgenheit. Das Kindeswohl ist schließlich auch in der österreichischen Verfassung verankert. In Bulgarien werden Rechte der Kinder im wahrsten Sinne des Wortes mit den Füssen getreten, so mussten es die Kinder selbst erleben.
 
Mitte Juli 2016 langten schließlich die Bescheide bei uns ein. Negativ. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat entschieden, die Familie nach Bulgarien abzuschieben. Ein Land, in dem sie furchtbares erleben mussten. Ein Land in dem Manal und ihre Kinder höchstwahrscheinlich auf der Straße landen würden. Eine Außerlandesbringung der Familie nach Bulgarien sei nach Ansicht der ersten Instanz zulässig, da die Familie dort mittlerweile ja “schutzberechtigt” sei. Ein Schutz, der einer Illusion gleicht.
 
Panik brach in der Familie aus. Die Kinder begannen sich zu verstecken. Sie wollten weglaufen. Die vorgelegten ärztlichen Gutachten bewertet die Behörde als mangelhaft, die psychologische Stellungnahme Dr. Hrubys, Allgemeinmedizinerin mit ÖÄK Diplom für Psychosomatische und Psychotherapeutische Medizin, aus der deutlich hervorgeht, dass eine „neuerliche Ortveränderung als problematisch“ einstuft, blieb gänzlich unberücksichtigt. Sogar den vom Bundesamt eigens ausgehändigten Länderinformationen, auf denen die Entscheidung derselben Behörde auch zu beruhen hat, ist zu entnehmen, wie miserabel Lage in Bulgarien für Schutzsuchende und –berechtigte ist. Dass Manal die bulgarischen Polizeibeamten nicht angezeigt hat, wird ihr zynisch zum Vorwurf gemacht. Die Intensität des Familienlebens in Österreich wird als nicht ausreichend erachtet. Laut Bundesamt sei es durchaus möglich, den Kontakt zur Familie in Österreich via Mail, Telefon und Internet aufrecht zu erhalten. Die Geschwister und Eltern können ihnen ja Geld schicken.
 
Asyl in Not erhob fristgerecht eine Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamts und beantragte die Zulassung des Verfahrens. Insbesondere wurde ausgeführt, warum die erstinstanzliche Entscheidung in sich unschlüssig, rechtswidrig und schlicht unmenschlich ist und abermals auf den gesundheitlichen Zustand, wie auch auf den Zusammenhalt der Großfamilie in Österreich, verwiesen. Delo, Juan, Masoud und Saleh wollen nicht in ein Land zurück, in dem sie misshandelt wurden. Manal erst recht nicht. Sie haben dort niemanden. Sie verstehen die Sprache nicht. Sie können sich vom bulgarischen Staat keine Hilfe erwarten. Es stellt sich die Frage: Wie soll die Mutter vier minderjähriger schwerst traumatisierter Kinder alleine in Bulgarien zurecht kommen? Laut Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl kein Problem. Dass dies selbst den von der Behörde eigens hinzugezogenen Länderberichten, wie auch Zeugenaussagen, eindeutig widerspricht, blieb gänzlich unberücksichtigt. Bulgarien ist schließlich ein Mitgliedstaat der EU und somit „sicher“.
 
Es wurde Zeit die Öffentlichkeit einzuschalten. Manal erklärte sich umgehend einverstanden. Die Menschen sollten erfahren, wie mir ihr und ihren Kindern umgegangen wird.
 
Irmgard Seidler, eine enge und äußerst engagierte Freundin der Familie, startete eine Online Petition. Innerhalb kurzer Zeit sprachen sich tausende Menschen für den Verbleib der Familie in Österreich aus:
https://www.change.org/p/bundesverwaltungsbericht-wien-syrische-fl%C3%BCchtlings-mutter-mit-ihren-vier-kleinen-kindern-vor-abschiebung-retten
 
Yilmaz Gülüm berichtete in der Zeitschrift „news“ vom Schicksal der Familie. Die Online Version ist nach wie vor verfügbar: http://www.news.at/a/sicheres-trittland-gueluem-7518858
 
Auch der ORF besuchte die Familie bei den Großeltern in Wien. Ein Beitrag wurde in „Wien heute“ gezeigt.
 
Schließlich kam der erste Teilerfolg. Im August 2016 wurde unserer Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt. Ein gutes Zeichen, jedoch noch keine Prognose für den positiven Ausgang des Verfahrens.
 
Dann, Mitte September, wurde uns die lang ersehnte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zugestellt. Unserer Beschwerde wurde stattgegeben. Der Richter, Dr. Ruso, führte in seinem Erkenntnis aus, dass Manal und ihre Kinder nicht nach Bulgarien abgeschoben werden dürfen und die Familie zu ihrem Asylverfahren in Österreich zuzulassen ist. Begründet wird die Entscheidung insbesondere durch die starken Bindungen zu den in Österreich lebenden und asylberechtigen Familienangehörigen.
 
Die Entscheidung ist jedoch noch nicht rechtskräftig. Es gilt noch ein paar Wochen zuzuwarten, ob das Bundesamt eine Revision erhebt. Die Chancen auf Erfolg einer solchen Revision sind aber als gering einzuschätzen.
 
Wir freuen uns über die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts! Wir freuen uns über den Erfolg der Rechtsberatung von Asyl in Not!
 
Herzlichen Dank an alle UnterstützerInnen! Danke für eure Solidarität! Danke, dass ihr die Petition unterschrieben und geteilt habt! Danke auch für das Interesse der Medien, die es ermöglichten einen großen Teil an UnterstützerInnen überhaupt zu erreichen! Auch gilt unser Dank an Irmgard Seidler, die sich von ihrem Sinn für Gerechtigkeit leiten ließ und sich beharrlich für die Familie einsetzte! Danke euch allen für eure Menschlichkeit! Wir haben großes erreicht!
 
Wir hoffen, dass Manal und ihre Kinder nun endlich in Ruhe gelassen werden. Dass sie bald durchatmen können und die Albträume der Kinder endlich ein Ende nehmen. Wir hoffen auf Rechtskraft der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ab Mitte Oktober. Auch hoffen wir, das nächste Mal über positive Asylbescheide berichten zu können und uns zu freuen, dass die Familie endlich in Österreich angekommen ist.
 
Franziska Perl
Rechtsberaterin, Asyl in Not

 
www.asyl-in-not.org
 
Spendenkonto: Asyl in Not
IBAN: AT29 3200 0000 0594 3139
BIC: RLNWATWW
 
Online spenden:
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