Weg mit “Dublin”!

Dublin ist unmenschlich, sinnlos und teuer

Innenminister P., ein würdiger Nachfolger seiner Vorgängerin, hat nichts aus der Kritik der NGOs gelernt. Er will „gerade gegen jene, für die laut Dublin-Übereinkommen ein anderes EU-Land zuständig ist“, die „Schubhaft in ihrer jetzigen Form beibehalten“ („Der Standard“, 12.6.).

Gefängnis, oft monatelang, nur um eine „Zuständigkeit“ festzustellen! Gefängnis ohne Delikt, ohne Urteil, ohne Sinn. Das ist die Linie des Herrn P. Seine Opfer sind die am meisten Verfolgten, die Traumatisierten und Gefolterten – die „echten“ Flüchtlinge im Sinne der Konvention.

„Dublin“ – das ist gleichbedeutend mit abschreckendem Terror gegen Flüchtlinge. „Dublin“ bedeutet Zerreißung von Familien. „Dublin“ ist eine späte, willkürliche Einschränkung der Genfer Flüchtlingskonvention.

„Dublin“ ist aber auch Vernichtung von Geld, das wir Steuerzahler aufbringen müssen: Schubhaft ist nicht nur unmenschlich, sondern auch teuer. Warum lässt man die Leute nicht dort ihren Asylantrag stellen, wo sie wollen?

Ich betreute einmal eine Familie aus Afghanistan. Sie waren vor dem Terrorregime der Taliban geflüchtet, durch Österreich (wo sie ihre Fingerprints hinterließen) nach Holland gezogen, weil dort der Bruder des Mannes als anerkannter Flüchtling lebt. Der Bruder hätte ihnen helfen können, rasch Fuß zu fassen und sich zu integrieren.

Statt dessen bekamen sie in Holland einen „Dublin“-Bescheid: Abschiebung nach Österreich. Sie legten Berufung ein, gingen durch alle Instanzen, jahrelang – immer negativ.

Da die Holländer menschlicher sind als Herr P. und seine Vorgängerin, waren sie nicht in Haft, sondern in einem Lager. In dieser Zeit durften sie nicht arbeiten. Also fielen sie dem Staat zur Last. Dann sind sie nach Norwegen weiter, wo eine Cousine lebte, auch sie als Flüchtling anerkannt. Dort dasselbe noch einmal.

Dann wurden sie nach Österreich abgeschoben. Ich übernahm ihre Vertretung, und sie wurden schon in erster Instanz (wenn auch erst nach einem Jahr) als Asylberechtigte anerkannt.

Sie sind nämlich – was auch Holland hätte feststellen können – Flüchtlinge im Sinne der Genfer Konvention. Jetzt geht es ihnen gut, der Mann hat Arbeit gefunden – aber warum ausgerechnet hier? Warum nicht in Holland oder Norwegen, wo ihre Verwandten sind?

Nur um eine formale „Zuständigkeit“ festzustellen, haben sie drei Jahre verloren. Drei Jahre lang wurden sie, statt zu arbeiten, von den Steuerzahlern dreier europäischer Staaten ernährt.

Dabei gilt die Genfer Flüchtlingskonvention in Holland genauso wie in Österreich, ihre Fluchtgründe waren da wie dort die selben – das Verfahren hätte nicht anders ausgehen können als, Jahre später, hier bei uns.

Für diese Afghanen war also Österreich „zuständig“, umgekehrt schiebt Österreich schwerst verfolgte, traumatisierte Tschetschenen nach Polen und in die Slowakei, wo es noch kein ordentliches Asylverfahren gibt – ein teures, unmenschliches Nullsummenspiel.

Asyl in Not tritt, wie viele europäische NGOs, für die Abschaffung von „Dublin“ ein. Für die freie Wahl des Asyllandes durch den Flüchtling. Bei gleichen Standards der Aufnahme und des Verfahrens in allen Ländern der EU. Die Ämter würden sich sinnlose Verfahren, die Steuerzahler viel Geld ersparen, die Flüchtlinge säßen nicht im Gefängnis, sondern könnten ihre Familien ernähren – es wäre besser für alle.

Das Europäische Parlament hat am 12. März 1987 – long, long ago! – eine Entschließung zu Fragen des Asylrechts verabschiedet, in der es heißt:

„Es ist wichtig, zwischen dem Erstaufnahmeland und dem asylgewährenden Land zu unterscheiden, da es dem Asylbewerber freistehen muß, sein Asylland innerhalb der Europäischen Gemeinschaft auszuwählen, welches dann ausschließlich für die Asylgewährung zuständig ist; in diesem Sinne müssen die nationalen Asylverfahren gemeinschaftlich aufeinander abgestimmt werden.“

1987! Damals hatte man noch Visionen. Aber wir wissen auch, wie wenig das Europäische Parlament zu reden hat.

Die damals angedachte Lösung ist aber heute aktuell wie nie zuvor. Wenn schon nicht aus Gründen der Menschlichkeit – so wenigstens aus Kostengründen. Wie sagte einst Bill Clinton so schön? „It’s economy, stupid!“ Ob Herr P. das auch kapiert?

Michael Genner

Asyl in Not

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