Vor dreißig Jahren…

Revolution und Konterrevolution im Iran

Bis dahin waren die Fronten klar. Links gegen rechts; der Schah: ein reaktionärer Diktator, ein Verbündeter des Imperialismus. Sein Volk litt Not, Kinder verhungerten. Wenn er auf Wienbesuch kam zur Frischzellenkur, demonstrierten wir gemeinsam mit iranischen Studenten gegen ihn.

Schahtreue Jubelperser vom Geheimdienst SAVAK prügelten in Wien und Berlin auf Demonstranten ein. Nur einmal, im Jänner 1969, beim Neuen Institutsgebäude in Wien, hielten drei Spartakisten, ein Franzose und zwei Wiener, die Stellung gegen eine Übermacht der SAVAK.

In den Foltergefängnissen im Iran gingen unzählige Linke zugrunde. Aber wir glaubten fest daran: Eines Tages, und zwar bald, würde das Volk den Schah stürzen, würde der Iran frei sein.

Vor dreißig Jahren, im Februar 1979, war es so weit. Die Massen im Iran eroberten die Straße. Der Schah war geflüchtet. Einen Augenblick lang standen die Volksfedajin (eine linkskommunistische Bewegung) und die Volksmudjaheddin (die – vergebens – versuchten, Islam und Sozialismus zu vereinigen) an der Spitze der Bewegung. In den Städten jedenfalls, bei der Jugend, auf der Universität…

Aber dann kam alles ganz anders. Unbemerkt von uns hatten die Mullahs die Opposition gegen den Schah unterwandert. Lange Zeit hatten sie beim Volk als Heuchler und Parasiten gegolten.

Aber während die Linken im Gefängnis gefoltert wurden, hatten die Mullahs Zeit genug gehabt, ihren Einfluß auszubauen: unter den reaktionärsten, korruptesten Elementen der Gesellschaft, bis hin zur organisierten Kriminalität – jenen Schichten, die in jedem Land die Basis des Faschismus sind. Freilich auch unter den Massen der Modernisierungsverlierer, unter denen die Linken zu wenig verankert waren.

Khomeiny, einem – bei allem Altersstarrsinn – raffinierten Intriganten, gelang es, die linken Gruppen gegeneinander auszuspielen. Allzu lange jubelten seine späteren Opfer ihm zu. Immerhin war er doch auch gegen den Schah, gegen Amerika, gegen Israel…

Bis sie alle an die Wand gestellt wurden, eine Gruppe nach der anderen; zuerst die Fedajin, dann die Mudjaheddin; als letzte kamen die moskautreuen Tudeh-Kommunisten dran. Die hatten Khomeiny, dem „Antiimperialisten“, bis zuletzt die Stange gehalten und die anderen Linken verleumdet, bis sie selber an der Reihe waren.

Wäre es besser ausgegangen, hätten die Linken geschlossen (auch gemeinsam mit den – freilich schwachen – bürgerlich-liberalen Kräften) gegen Khomeiny gekämpft? Wahrscheinlich auch nicht. Aber ehrenvoller wäre es gewesen, und sie hätten nicht ihren ganzen Kredit verspielt.

Der Schleier kam über den Iran, die Rechte der Frauen wurden ausgelöscht. Auf Unzucht stand seither die Peitsche, auf Ehebruch die Steinigung, auf Homosexualität ebenso. Allzu viele „gute Marxisten“ hielten das für einen „Nebenwiderspruch“.

Der Sieg der islamischen Konterrevolution im Iran war ein Meilenstein für den Aufstieg einer neuen Art von Faschismus. Damit haben wir seither Tag für Tag zu tun.

In Afghanistan erschossen die prowestlichen, von Amerika aufgerüsteten Mudjaheddin in jedem Dorf, das sie „vom Kommunismus befreiten“, als erstes den Lehrer. Der hatte nämlich die Kinder (ja, die Mädchen sogar!) lesen und schreiben gelehrt.

Lesen und schreiben…Wissen ist Macht. Bildung – erster Schritt zur Befreiung der Gedanken, der Seelen und der Körper von der Herrschaft der Familie und der Religion.

In Pakistan schütteten Islamisten „treulosen“ Frauen Säure ins Gesicht, in Algerien schnitten sie ihnen die Kehlen durch. In Berlin wurde Hatun (ihr Name steht stellvertretend für unzählige Frauen, die in Freiheit leben wollen) von ihren Brüdern erschossen, in Tirol Layal von ihrer Familie umgebracht.

Der Iran wird aber vielleicht auch das erste Land sein, das sich vom Joch der alten Ordnung befreit. Die Jugend des Iran, der Städte vor allem (und das gilt für junge Männer ebenso wie für junge Frauen), hat genug von den Mullahs, genug von der religiösen Heuchelei.

Dieser Protest entlud sich 1999 in den Studentendemonstrationen (niedergeknüppelt unter dem ach so liberalen Präsidenten Khatami); er fand Unterschlupf in privaten Freiräumen; er kann wieder zur Revolte führen, viel früher vielleicht als mancher Mullah (hier und dort) glaubt.

Irgendwie gespürt hat das ein anderer (als „gemäßigt“ missverstandener) Expräsident, Rafsandjani, von dem der Ausspruch stammt:

Amerika kann den Islam auch mit all den Panzern, Bombern und Raketen nicht besiegen. Der Islam wird aber bezwungen werden, wenn sich die Frauen weigern, die Haare zu bedecken und sich anständig zu kleiden.“

Die Zerstörung der traditionellen Familie, der islamischen Moral im Iran wird, so hoffen wir, das Zeichen zum Aufbruch sein für die Jugend in allen vom Islam geprägten Ländern, aber auch für die nächste Generation der Eingewanderten in Europa und in Österreich.

Auch hier bei uns werden Burschen und Mädchen der dritten und vierten Generation gleichermaßen erleben und erkennen, daß sie ihre Bedürfnisse nur miteinander, nur im gemeinsamen Kampf beider Geschlechter gegen Familie und Religion befriedigen können.

Das habe ich vor einigen Jahren einem islamischen Wortführer in Wien, dessen kleine Freunde mich dann auf eine „schwarze Liste“ setzten, zu erklären versucht – wahrscheinlich ohne Erfolg. Ich habe ihm bei einer Podiumsdiskussion gesagt: „Wir werden eure Kinder verführen. Wir wissen, wie das geht: Wir haben ja schon 1968 die Kinder des christlich-abendländischen Kleinbürgertums verführt.“

Damals haben wir vollendete Tatsachen geschaffen, an denen auch das Todeszucken des Ratzingerklerus nichts mehr ändern wird. Khomeiny und Ratzinger – Brüder derselben schlechten Art. Ihre Zeit läuft ab, in Europa genauso wie im Iran.

Michael Genner

Obmann von Asyl in Not

0676 – 63 64 371

www.asyl-in-not.org

Spendenkonto:

Raiffeisen (BLZ 32000),

Kontonummer 5.943.139, Asyl in Not

Newsletter gefällig?

Melde dich hier an und bleib' auf dem Laufenden über aktuelle Veranstaltungen, neue Entwicklungen und mehr

Komm in unser
Team!

Wir suchen immer angagierte Menschen die uns bei unserer Arbeit unterstützen wollen.