Welche Auswirkungen die Enttarnung der türkischen Wählerevidenzliste der FPÖ im Jahre 2017 hatte, sehen wir im derzeit bearbeiteten Verfahren für Herrn S.

Damals hat die Partei des rechten Randes sich stolz medial inszeniert angeblich 46.000 Doppelstaatsbürger:innen aufgedeckt zu haben, die im Zuge des Verfassungsreferendums 2017 in der Türkei auf Wählerlisten erschienen waren. Das mediale Echo war sehr groß und angesichts der auch in Österreich anstehenden Wahlen wurde es von der FPÖ wahlkampftechnisch missbraucht.

Was das Ganze für betroffene Menschen bedeutet,hat man erst Jahre später deutlich gesehen. Herr S. hat Ende der 1990er Jahre wirksam die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen bekommen, was ja aufgrund des sehr restriktiven Einbürgerungssystems in Österreich eine bedeutende Errungenschaft darstellt. Sein gesamter Lebensmittelpunkt – auch sein Familienleben – spielte sich seit dem Beginn der 1990er Jahre ausschließlich in Österreich ab.

Im August 2021 bekam Herr S. ein Schreiben von der MA 35 zugestellt: Er möge seine persönlichen staatsbürgerschaftsrechtlichen Verhältnisse schildern. Es wurde anschließend Parteiengehör gewährt und in dem Rahmen auch eine Stellungnahme von uns verfasst. Parteiengehör bedeutet, in diesem Kontext zu behördlichen Vorwürfen Stellung zu beziehen. Ende Juli diesen Jahres kam dann der Bescheid der MA-35 – der Magistratsabteilung für Einwanderung und Staatsbürgerschaft -, der Herrn S. die österreichische Staatsbürgerschaft aberkennt. Daraufhin verfassten wir fristgerecht eine Beschwerde, wodurch das Verfahren aktuell beim Verwaltungsgericht Wien liegt. So weit so gut. Um auf die skurrilen und fragwürdigen Begebenheiten dieses Verfahrens zu blicken, benötigt es einen kurzen Zeitsprung.

Der Wählerevidenzliste der freiheitlichen Partei wurde zurecht keine Beweiskraft vom VfGH (11.12.2018,E 3717/2018) zugesprochen. Damit ist wieder mal belegt, dass es sich um ein wahltaktisches Manöver zu Lasten von mutmaßlich unbescholtenen österreichischen Staatsbürger:innen handelt.

Im Fall von Herrn S. eröffneten die österreichischen Behörden daraufhin selbständig eine Abfrage bei einem Ausländerwählerverzeichnis. Auch diese ergab einen Treffer für unseren Klienten. Folglich genügt dieser Treffer durch die Abfrage der Behörden, um ein Verfahren zur Aberkennung der Staatsbürgerschaft zu eröffnen. Die Website, auf welche sich die Behörde beruft, ist allerdings nicht mehr aufrufbar und liefert auch ein fragwürdiges Bild.

Klar festzuhalten ist also, dass es keine Beweise gibt, die eine freiwillige Aufgabe der österreichischen Staatsbürgerschaft belegen. Weiters liegt ebenso kein Antrag auf Wiedererlangung der türkischen Staatsbürgerschaft vor.

Das einzige Beweismittel, das die Behörde vorlegt, ist eine Wählerevidenzliste von einem autokratischen Regime. Die Vergangenheit hat auch gezeigt, dass diese Wählerlisten oft seitens der Erdogan-Regierung manipuliert wurden bzw. sehr fehlerhafte Eintragungen beinhalten. Das wiederum verdeutlicht, dass sich die Autokratie in der Türkei bis in die örtlichen Verwaltungsbehörden zieht.

Wir werden auch in diesem Verfahren nicht locker lassen!

Paul Michalek

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