Strasser greift den Rechtsstaat an

Polizeiminister Strasser möchte den Unabhängigen Bundesasylsenat (UBAS) einem „verstärkten Controlling“ unterziehen („Standard“, 18.6.). Die 35 UBAS-Mitglieder hätten nämlich in den vergangenen beiden Jahren „nur drei Entscheidungen pro Mitarbeiter und Woche“ gefällt. Die (an Strassers Weisungen gebundene) Erstinstanz, das Bundesasylamt, hingegen 15 Bescheide pro Person und Woche.

So sehen sie allerdings auch aus: Ein Großteil der negativen Bescheide des Asylamtes ist rechtswidrig und wird aufgehoben. Meist nach einem langen Verfahren, weil die Ermittlungen der Erstinstanz so schlampig sind, daß der UBAS ganz von vorne anfangen muß. Kriegen Strassers Beamte eigentlich Prämien für rasche, willkürliche, rechtswidrige Bescheide?

Der UBAS verwendet Dokumentationsmaterial aus dem Internet; Strasser will ihm den Zugang kappen. Der UBAS setzt Sachverständige ein – Strasser (der über die Finanzen entscheidet) möchte sie einsparen. Der UBAS hält sich an die Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes; Strasser meint wohl (wie wir hören), das hätte das Innenministerium doch auch nie getan…

Zur Erinnerung: Der UBAS ist die wichtigste Errungenschaft des Asylgesetzes 1997, das von Caspar Einem mit Unterstützung der NGOs ausgearbeitet worden war. Wir sind nicht immer einverstanden mit den Bescheiden des UBAS (übrigens: wo der UBAS vermeint, Entscheidungen des Asylamts bestätigen zu müssen, hebt sie oft genug der Verwaltungsgerichtshof auf !). Aber daß es eine unabhängige Berufungsinstanz gibt, ist ein Pfeiler des Rechtsstaates, an dem nicht gerüttelt werden darf.

Strasser geht seinen Weg konsequent weiter: Ausschaltung des Schubhaftsozialdienstes – Asylgesetznovelle – jetzt kommt der UBAS in sein Visier.

Unterdessen verschwinden Menschen: Man drückt ihnen „Dublin“-Bescheide in die Hand; sie werden sofort verhaftet und abgeführt – die RechtsberaterInnen in der Erstaufnahmestelle erfahren es nicht einmal.

Und sitzen sie erst in der Schubhaft in Wien, von der Strassers Kerkermeister Ecker die NGOs fernhält, dann ist jede Hoffnung vorbei. Dort verliert sich ihre Spur.

Also wird meist gar keine Berufung eingebracht, über die der UBAS entscheiden könnte. Und selbst wenn eine eingebracht würde – nach Strasser Novelle kommt ihr keine aufschiebende Wirkung zu. Die Menschen werden abgeschoben, ins Nichts.

Das ist Strasserland, im Sommer 2004. Ein halbes Jahr nach dem „Weihnachtsfrieden“, den manche (aus Naivität – oder aus Eigennutz ?) mit dem Polizeiminister schlossen, so daß er aus der Defensive herausfand, in die wir und andere ihn gedrängt hatten.

Jetzt vermeint er, stark genug zu sein zum Angriff auf die Gewaltenteilung, zum direkten Angriff auf ein Grundprinzip der Demokratie. Unsere Leserinnen und Leser erinnern sich: Wir haben vor dem Wirken dieses Mannes oft genug gewarnt.

Michael Genner,
Asyl in Not

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