Angela Magenheimer
Offener Brief an die U-Bahn-Mitfahrenden heute Mittag um zwei, 17.12.2008.
Weitergeleitet von Asyl in Not, 18.12.2008

Da saßen Sie also in der U4 heute Mittag um zwei und es war bei der Station Kettenbrückengasse.

Und da sehen Sie, wie vier Männer beginnen, auf einen einzelnen Mann einzuprügeln. Sie sehen, wie die vier Männer den einen Mann bei der Station Stadtpark aus dem Waggon zerren wollen – was ihnen nicht gelingt. Sie sitzen also drei Stationen lang in einem U-Bahn Wagen und tun – nichts. Einer schlug übrigens mit einem Stock zu, haben Sie das gesehen?

Doch eine Frau mit einem Kinderwagen tat etwas, und zwar nicht minder Ungeheuerliches. Anstatt dem Verprügelten zur Seite zu stehen, beschimpfte sie den verprügelten Mann zusätzlich noch, „wie er so etwas machen kann“, in der U-Bahn vor allen Leuten.

Haben Sie die gehört?

Was ging Ihnen durch den Kopf in den fünf Minuten, die es gedauert hat? Haben Sie aus dem Fenster geschaut, in die Zeitung geglotzt, die Augen zugemacht? Was haben Sie sich in den fünf Minuten gedacht?

Er wird es schon verdient haben?

Lieber nicht einmischen?

Da wird schon was dran sein?

Verdammt.

Der Mann, dem das heute passiert ist, ist schwarz.

Hat seine Hautfarbe etwas mit Ihrem Blick zum Boden zu tun?

Ich spucke auf jeden von Ihnen gespendeten Cent, wenn Sie sich in so einer Situation, in der ein Mensch in Not ist und dem Gewalt angetan wird, abwenden. Und verdammt, Sie hätten viel tun können. Es beginnt bei lautem Schreien bis zum Verständigen der Polizei – dazwischen eine Palette von Interventionsmöglichkeiten.

Der Mann, dem das heute passiert ist, ist schwarz.

Er ist Italiener, Vater von zwei Kindern, Ehemann, EDV-Spezialist in einer großen Firma, seit fünfzehn Jahren in Österreich.

Hätten diese Informationen etwas an Ihrem Verhalten geändert, wenn Sie die im Vorfeld gehabt hätten?

Ja?

Nein?

Scheißegal!

Wann greifen Sie ein?

Welche Voraussetzungen braucht es für Sie?

Wenn das Messer schon drinnen steckt?

Wie stark muss der Mann bluten?

Wenn Sie sein Leumundszeugnis gesehen haben?

Wenn er eine andere Hautfarbe hat?

Wie stark muss der Mann bluten?

Vier Männer umringen aus dem Nichts heraus einen Mann in der U-Bahn und beginnen auf ihn einzuprügeln. Das reicht, das sehen Sie, Sie sind ZeugIn.

Ich fordere die ZeugInnen dieser Gewalttat, und alle zukünftigen ZeugInnen solcher Gewalttaten, auf, sich einzumischen und hinzuschauen. Ich erwarte kein Heldentum, ich erwarte Zivilcourage – von Ihnen!

Angela Magenheimer

P.S.: Da offene Briefe nur offen und öffentlich sind, wenn sie verbreitet werden, bitte ich um selbiges.

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