OHNE ILLUSIONEN
Asyl in Not begrüßt die rot-grüne Koalition in Wien.
Sie ist besser als das Bisherige (zugegeben: da gehört noch nicht viel dazu), sie eröffnet neue Möglichkeiten, sie kann ein Umfeld schaffen, in dem unsere Bewegung, wenn wir ernstlich wollen und uns anstrengen, gedeiht.
Vor allem aber ist Rot-Grün ein politisches Signal – gerade jetzt, nach dem Durchmarsch der Rechten bei der Wahl und all den unsäglichen Fektereien: Es kann auch anders gehen.
Daher unterstützen wir das rot-grüne Projekt in kritischer Solidarität.
Dabei machen wir uns keine Illusionen über den Wert des Parlamentarismus. Er kann ein Hilfsmittel sein; wirkliche Änderungen kommen aber nur durch politischen Kampf, durch Bewegungen außerhalb der Institutionen.
Daher werden wir Rot-Grün daran messen, in welchem Maß es diese unsere Aktionen in Zukunft unterstützt.
Ebenso wenig täuschen wir uns über den Wert des bürgerlichen Rechtsstaates. Der Prozeß gegen ein paar jämmerliche Kadyrov-Schergen ändert nichts daran, dass der Drahtzieher der feigen Mörder ungeschoren bleibt.
Nicht nur, dass die österreichische Polizei dem späteren Opfer Israilov jeden Schutz verweigerte – auch die Justiz verweigerte die Ausstellung eines Haftbefehls gegen Kadyrov, als dieser zur Fußball-EM erwartet wurde: Eine dreiste Komplizenschaft der österreichischen Polizei und Justiz mit einem Mörderregime.
Wir begrüßen es aber, dass dieser Prozeß Anlaß gibt, um das Mördernetzwerk ebenso wie seine inländischen HelfershelferInnen anzuprangern.
Wir bekunden aus diesem Anlaß unsere Solidarität mit Vaha Banjaev, unserem alten Freund, Obmann der Vereinigung ehemaliger Gefangener der Filtrationslager, der den Schergen Putins und Kadyrovs in seiner Heimat getrotzt hat und sich auch in Wien trotz brutalen Überfällen und Mordversuchen nicht einschüchtern lässt.
Er ist ein Kronzeuge für die Verbrechen des Putin-Kadyrov-Regimes; wir empfehlen (auch wieder völlig illusionslos) den österreichischen Asylinstanzen, sich in ihrer Einschätzung der Lage in Tschetschenien von seiner Erfahrung leiten zu lassen.
Ohne Illusionen über dieses Asyl- und Fremdenwesen freuen wir uns über die Niederlassungsbewilligungen, die nun Herrn Komani und den Zwillingen (der schwer kranken Mutter noch nicht!) erteilt wurden.
Dieser Rückzug des Innenministeriums ist dem Kampf zivilgesellschaftlicher Gruppen in Wien und Steyr zu verdanken.
Viele andere aber verschwinden weiterhin in der Schubhaft, unschuldige Menschen, die niemandem etwas zuleide taten, deren einzige “Schuld“ daran besteht, daß sie Schutz und Arbeit suchten in diesem ach so schönen und gastfreundlichen Land.
Eben hören wir, dass unsere Berufung für Nabin Gurung, den Studenten aus Nepal, der seit 2002 in Österreich lebt und nun ausgewiesen werden soll, von der Wiener Sicherheitsdirektion abgewiesen wurde. Dergleichen Unrecht geschieht in Österreich jeden Tag.
Mit diesem Unrecht schließen wir keinen Frieden. Und auch nicht mit denen, die es tun.
Michael Genner
Obmann von Asyl in Not
18.11.2010
Spendenkonto:
Raiffeisen (BLZ 32000),
Kontonummer 5.943.139, Asyl in Not