Offener Brief
an Benita Ferrero-Waldner:
Asyl in Not
Unterstützungskomitee
für politisch verfolgte Ausländerinnen und Ausländer
Währingerstraße 59, 1090 Wien
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Michael Genner
(Geschäftsführer)
Wien, 12. Oktober 2001
Offener Brief
an Benita Ferrero-Waldner
Treten Sie zurück !
Sehr geehrte Frau Bundesministerin!
Sie haben das skandalöse Verhalten des österreichischen Botschafters in Pakistan, Walter Howadt, der verzweifelte, schutzsuchende Menschen aus Afghanistan vom Gelände der Botschaft wegprügeln ließ, öffentlich verteidigt.
Sie haben unserer Aufforderung, Howadt unverzüglich abzuberufen, keine Folge geleistet. Schlimmer noch: Sie haben erklärt, daß die Entscheidung, die Botschaft zu schließen, “im Einvernehmen mit dem Ministerium” erfolgt sei (ich zitiere Ihre Stellungnahme gegenüber der APA, abgedruckt im “Standard” vom 12. Oktober 2001, Seite 4).
Sie haben somit einbekannt, daß Sie selbst die Verantwortung für die Knüppelorgie pakistanischer Polizisten gegen wehrlose Flüchtlinge tragen.
Sie haben eingestanden, daß Herr Howadt nicht nur aus eigenem bösen Antrieb, sondern im Einvernehmen mit Ihnen das Asylgesetz gebrochen hat – das Asylgesetz, das die Möglichkeit der Asylantragstellung bei Botschaften ausdrücklich vorsieht.
Sie haben gestanden, daß Herr Howadt in Absprache mit Ihnen, und nicht nur aufgrund seiner eigenen sattsam bekannten, im Handbuch des Rechtsextremismus dokumentierten Einstellung, die Menschenrechtskonvention gebrochen hat – die Menschenrechtskonvention, derzufolge niemand einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt werden darf.
Somit haben auch Sie selbst, wie Herr Howadt, das Delikt des Amtsmißbrauchs in Verbindung mit Anstiftung zu Körperverletzung an wehrlosen schutzsuchenden Menschen begangen.
Daher müssen Sie auch – abgesehen von den strafrechtlichen Maßnahmen, die gegen Ihre Person einzuleiten sind – die politischen Konsequenzen ziehen.
Sie sind nach dem Wortlaut des Asylgesetzes gemeinsam mit dem Innenminister für den Vollzug des § 16 verantwortlich, der die Antragstellung bei Botschaften regelt:
Sie hatten dafür Sorge zu tragen, daß Asylwerber Zugang zur Botschaft erhalten, daß in genügender Menge Asylantragsformulare vorhanden sind, daß genügend Personal eingestellt wird, um die Asylwerber zum Ausfüllen der Formulare anzuleiten, und daß die Anträge sofort an das Bundesasylamt weitergeleitet werden.
Statt dessen haben Sie in Zusammenwirken mit Walter Howadt veranlasst, daß den Asylwerbern Zettel mit der rechtswidrigen, dem Asylgesetz widersprechenden Nachricht in die Hand gedrückt wurden, alle “Gerüchte”, dass “Österreich Menschen afghanischer Nationalität aufnimmt”, entbehrten “jeder Grundlage”. (Siehe dazu: “Falter”, 12.10.2001, Seite 11).
Sie haben in Zusammenwirken mit dem Howadt den brutalen Polizeieinsatz auf dem Gewissen, der in Medienberichten dokumentiert worden ist.
Sie tragen die Verantwortung für einen ungeheuerlichen Skandal, für einen dreisten Bruch des Völkerrechts.
Frau Benita Ferrero-Waldner, Sie sind als Mitglied der Bundesregierung untragbar geworden. Tun Sie Österreich einen Gefallen:
Treten Sie sofort zurück!
Michael Genner
(Geschäftsführer von Asyl in Not)