Ein Zwischenbericht

von Michael Genner,
Asyl in Not

Liebe Freundinnen und Freunde
von Asyl in Not !

Wie immer erstatten wir zur Jahresmitte Bericht. Wir haben viel getan und wir haben noch mehr vor. Bis August 2003 haben wir 23 Asylverfahren gewonnen, davon 5 in erster Instanz beim Bundesasylamt, 18 im Berufungsverfahren vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat (UBAS). Dazu kommen 27 Asylerstreckungen auf EhepartnerInnen und minderjährige Kinder; zusammen also 50 Flüchtlinge, die mit unserer Hilfe Asyl erhielten.


Einige Fallbeispiele:

1.) Bundesasylamt

Die meisten unserer Klienten kommen erst zu uns, wenn sie den negativen Bescheid der Erstinstanz in Händen halten, gegen den wir eine Berufung schreiben sollen. Diese Bescheide strotzen oft von willkürlichen Behauptungen, von haarsträubenden Verdrehungen des Sachverhalts; die Verfahren sind extrem mangelhaft.

Umso wertvoller ist es, wenn Flüchtlinge es schaffen, schon vor der Ersteinvernahme zu uns zu kommen, sodaß wir sie vorbereiten und begleiten können.

Dann gibt es immerhin die Chance auf ein faires Verfahren. So konnten wir in diesem Jahr zwei Fälle von schwer traumatisierten Folteropfern aus der Türkei schon in erster Instanz positiv abschließen:

Hüseyin A., Kurde und Sympathisant einer linksgerichteten Organisation, war 9 Jahre im Gefängnis gesessen und schwer gefoltert worden. Er nahm am Todesfasten teil, wurde beim Sturm der Sicherheitskräfte auf dass Gefängnis von einer Kugel getroffen, nach 234 Tagen Hungerstreik wegen akuter Lebensgefahr vorübergehend entlassen. Einer neuerlichen Verhaftung entzog er sich durch Flucht.

Nach der Einvernahme in Traiskirchen, zu der ich Herrn Hüseyin begleitete, wollte der zuständig Beamte ihn gleich anerkennen; der Chef des Bundesasylamts, Wolfgang Taucher, versuchte jedoch, die Sache in die Länge zu ziehen. Mit ein bisschen öffentlichem Druck (einer Internetaussendung von mir und einem TV-Interview des Klienten) haben wir es dann doch rasch über die Bühne gebracht.

Hüseyin A. erhielt Asyl und beauftragte uns, eine Beschwerde gegen die Türkei an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte einzubringen. Ist inzwischen mit Hilfe von Rechtsanwalt Dr. Pochieser geschehen. Auf den Ausgang warten wir gespannt.

Asyl in erster Instanz erhielt auch eine alte Frau aus Kurdistan, die wegen ihrer Teilnahme am Newroz-Fest (dem kurdischen Neujahr) verhaftet und brutal mißhandelt worden war.

Die erste Einvernahme führte der (aus früheren Aussendungen bekannte) Beamte Aschauer durch, der sich nun sehr korrekt verhielt; als wir erwähnten, daß unsere Klientin auch sexuell gefoltert worden war (nähere Einzelheiten hatte sie natürlich auch mir nicht erzählt), brach Aschauer, wie es sich gehört, die Befragung ab.

Sie wurde von einer weiblichen Beamtin fortgesetzt; bald darauf erhielt unsere Mandantin Asyl. Also dann: Vielleicht hat das Bundesasylamt doch etwas aus unseren Kritiken (insbesondere aus dem berühmtem Fall des Jahres 2000, Frau K.) gelernt…


2.) Unabhängiger Bundesasylsenat

Asyl erhielten einige von uns vertretene afghanische Frauen beim UBAS mit der Begründung, daß die Lage für Frauen sich in Afghanistan seit dem Sturz der Taliban nur unwesentlich geändert hat, sodaß die den Frauen von der islamischen Gesellschaft auferlegten Beschränkungen nach wie vor als asylrelevante Verfolgung (wegen Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Frauen) gewertet werden muß.

Das ist mittlerweile einhellige UBAS-Judikatur, die wir sehr begrüßen und zu deren Zustandekommen unsere Rechtsvertretung ihren Beitrag geleistet hat.

Leider dauern die Afghanistan-Verfahren meist endlos lange, weil der UBAS überlastet ist. Unsere Klienten sind meist völlig zermürbt und oft sogar selbstmordgefährdet; nur mit viel Geduld und Einfühlsamkeit gelingt es uns, sie über Wasser zu halten.

Gewonnen haben wir zu Jahresbeginn das Asylverfahren des kommunistischen Polizeioffiziers Multan H. aus Afghanistan, der 1999 vor den Taliban geflüchtet war, aber auch unter der jetzigen Regierung Verfolgung befürchten muß – gewonnen nach einer monatelangen, ergebnislosen Dublinüberprüfung, einem negativen Bescheid des Bundesasylamtes, gegen den wir Berufung erhoben, sowie drei UBAS-Verhandlungen (März 2001, Dezember 2001, November 2002; der Bescheid erging am 10.1.2003).

Ein Erfolg, der uns mit Freude erfüllt, weil Multan viele Jahre lang unter schwierigsten Bedingungen seiner Gesinnung treu geblieben war und als Leiter einer illegalen Zelle im afghanischen Innenministerium unter Lebensgefahr gegen die Taliban gekämpft hatte.

Kein Verständnis haben wir dafür, daß Multan nicht sofort nach seiner Ankunft Asyl erhielt, sondern daß es dreier (zeitlich weit auseinanderliegender) UBAS-Verhandlungen bedurfte, bis unser Klient zu seinem selbstverständlichen Recht kam.

Asyl erhielt Herr Dr. G. aus Afghanistan. Er war KP-Mitglied und Arzt im Offiziersrang in einem Spital, das dem Geheimdienst unterstand. Auch nach der Machtergreifung der Islamisten im Jahre 1992 blieb er seiner Überzeugung treu und lehnte das freundliche Angebot dreier Mudjaheddin-Kapos aus seinem Heimatdistrikt, er möge doch für sie arbeiten, dankend ab.

Er wurde daher wegen illegaler kommunistischer Betätigung verhaftet und gefoltert. In den Wirren vor der Machtergreifung der Taliban (1996) gelang es ihm, aus dem Gefängnis zu entkommen. Er lebte sodann im Untergrund, in ständiger Gefahr, von den Taliban ergriffen zu werden, bis ihm Anfang 2001 die Flucht nach Österreich gelang.

Der Sturz der Taliban und die Errichtung des prowestlichen Karzai-Regimes nützte Dr. G. nicht das Geringste: Die drei Kapos, die ihn schon einmal verhaften ließen, nehmen im neuen Regime Schlüsselpositionen ein. Einer von ihnen, nunmehr Chef der Bezirksverwaltung, wohnt in Dr. G.”s Haus, das er beschlagnahmt hat. Die beiden anderen gehören zum Geheimdienst und erkundigten sich erst kürzlich bei Dr. G.”s Bruder nach seinem Aufenthaltsort. Ein Studienkollege Dr. G.”s, der im Vertrauen auf die angeblich geänderte Lage nach Afghanistan zurückgekehrt war, wurde wenige Tage später von Islamisten umgebracht.

Dr. G. hatte schon während des Asylverfahrens Arbeit in der Krankenstation des Flüchtlingslagers Traiskirchen gefunden – als Krankenpfleger, nicht als Arzt; immerhin: einer der seltenen Glücksfälle, wo Asylwerber ihren erlernten Beruf anwenden können. Trotzdem ging es ihm im Lauf des Verfahrens psychisch immer schlechter.

Seine Familie war nicht mit nach Österreich, sondern nur bis Pakistan geflüchtet, wo sie unter schwierigsten Bedingungen in Peshawar lebte. In dieser Stadt treiben die (aus Afghanistan vertriebenen) Taliban ihr Unwesen; das Flüchtlingslager steht unter Kontrolle des blutrünstigen Mudjaheddin-Führers Hekmatyar. Dr. G.”s Familie lebte vorsichtshalber nicht im Lager; Ende 2002 wurde aber Dr. G.”s sechsjähriges Kind auf offener Straße von Islamisten überfallen und wäre verschleppt worden, hätte es nicht laut geschrien, sodaß Passanten eingriffen und die Entführer verjagten.

Dr. G. erzählte mir in Panik von diesem Vorfall; er hatte seither keine ruhige Minute mehr. Eines Tages kam er verzweifelt zu mir und berichtete, ihm sei etwas Schreckliches passiert: Auf der Krankenstation in Traiskirchen habe er einen Patienten, der ihn nervös machte, angeschrieen. Nie zuvor in seiner Laufbahn als Arzt habe er so etwas getan.

Ich beruhigte und tröstete ihn und tat alles, um das Verfahren durch ergänzende, urgierende Schriftsätze an den UBAS zu beschleunigen. Schließlich mit Erfolg: Mitte Juli fand die Berufungsverhandlung statt, eine Woche später erhielt Dr. G. Asyl. Seine Familie hat nun Erstreckungsanträge bei der österreichischen Botschaft gestellt; wir hoffen, es gibt bald ein glückliches Wiedersehen!

Asyl erhielt vom UBAS Herr S. aus dem Iran, dessen Bruder vor langer Zeit wegen monarchistischer Betätigung hingerichtet worden war und der selbst wegen Ehebruchs verfolgt wurde. Herr S. – in der Annahme, die Wahrheit würde für eine Asylgewährung nicht ausreichend sein – hatte zusätzlich eine “politische” Geschichte erfunden und vor dem Bundesasylamt vorgebracht: er habe selbst für die Monarchisten gearbeitet, sei verhaftet und gefoltert worden; die Unwahrheit dieser Geschichte wurde vom UBAS richtigerweise festgestellt.

Trotzdem erhielt Herr S. Asyl, weil der Ehebruch in Verbindung mit dem aus politischen Gründen hingerichteten Bruder den iranischen Behörden ausreicht, um auch ihm eine dem Regime feindliche politische Gesinnung zu unterstellen.

Zum Beweis der Tatsache, daß der Bruder tatsächlich hingerichtet worden war, konnten wir einen Zeugen stellig machen, dessen glaubhaftes Auftreten vor dem UBAS für den günstigen Verfahrensausgang wesentlich war.

Auch das war ein interessantes, zunächst strittiges Verfahren, zu dessen glücklichem Ende unsere Rechtsvertretung ihren konstruktiven Beitrag geleistet hat.

Richtungweisend war das Verfahren eines yezidischen Kurden aus Georgien, der Schutzgelderpressungen durch korrupte Polizisten ausgesetzt war. Das Bundesasylamt glaubte ihm nicht einmal seine yezidische Religionszugehörigkeit und vermeinte überdies, er hätte die Polizisten bei ihren Vorgesetzten anzeigen können.

Im Berufungsverfahren wurde er von unserem muttersprachlichen Betreuer Aram Cakey, einem Kurden aus dem Irak, beraten und in der UBAS-Verhandlung vertreten.

In diesem Verfahren konnten wir nicht nur durch Vorlage unbedenklicher Dokumente den Beweis erbringen, daß unser Klient wirklich Yezide ist; sondern es gelang Aram auch, in mehreren Beratungsgesprächen ein Vertrauensverhältnis aufzubauen, wodurch der Berufungswerber und seine Gattin überhaupt erst imstande wurden, die Verfolgungshandlungen, die sie erlitten hatten, in allen furchtbaren Einzelheiten zu beschreiben:

Als nämlich der Berufungswerber die Bezahlung einer größeren Summe an die Erpresser verweigerte, wurden seine Frau von diesen Polizisten vergewaltigt und sein Kind umgebracht.

In der Berufungsverhandlung vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat am 4. Oktober 2002 waren der Berufungswerber und seine Gattin erstmals psychisch in der Lage, diese schrecklichen Vorfälle einer österreichischen Behörde mitzuteilen.

In einem ergänzenden Schriftsatz machten wir geltend, daß unser Mandant den Schutzgelderpressungen sowohl als etwas besser verdienender Geschäftsmann als auch in seiner Eigenschaft als Kurde und Yezide ausgesetzt war und daß nach allen, auch seitens des UBAS, vorgelegten Dokumenten kein Schutz durch staatliche georgische Behörden zu erwarten sei.
Mit Bescheid des UBAS vom 25.2.2003 erhielt unser Mandant Asyl.

In diesem Verfahren (wie in vielen anderen auch) hat sich bestätigt, daß gerade wirklich verfolgte Flüchtlinge oft nicht in der Lage sind, sofort nach ihrer Ankunft alles zu erzählen, was ihnen widerfahren ist. Es bedarf meist langer Gespräche, um ein Vertrauensverhältnis herzustellen. Erst dann ist die Feststellung des wirklichen Sachverhalts möglich.

Das sei allen ins Stammbuch geschrieben, die immer noch vermeinen, Traumatisierung sei binnen 72 Stunden im Erstaufnahmezentrum feststellbar.


Das sind nur ein paar Beispiele unter vielen. Menschen, denen wir helfen konnten.

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