Eine Video-Nachricht von Michael Genner zum Morden im Meer,
aufgenommen anläßlich einer Mahnwache vor dem Innenministerium in Wien
am 4. Oktober 2013:
Wir gedenken der Toten. Und wir vergessen die Schuldigen nicht. Hunderte Flüchtlinge sind am 3. Oktober 2013 umgekommen, als ihr Boot vor Lampedusa in Brand geriet und sank. Die meisten von ihnen stammen aus Somalia. Sie waren auf der Flucht vor dem Krieg und dem Terror islamistischer Banden. Wagt es irgendjemand, zu behaupten, sie wären keine „echten“ Flüchtlinge im Sinne der Konvention?
Zehntausende andere sind vor ihnen gestorben. Das Mittelmeer ist ein Massengrab. Die volle Verantwortung dafür tragen die Regierungen der Europäischen Union und ihr ausführendes Organ, FRONTEX, die Abschiebeagentur. FRONTEX betreibt „Flüchtlingsabwehr“, FRONTEX bringt Flüchtlingsboote auf, hindert sie am Landen, hindert Flüchtlinge, Schutz zu suchen, und treibt sie zurück ins Meer.
Sehr genau wird nun zu untersuchen sein, warum diese Flüchtlinge in ihrer Verzweiflung ein Feuer anzündeten, um vorbeifahrende Schiffe auf sich aufmerksam zu machen, wie es nun heißt. Warum haben die FRONTEX-Schiffer, die fortwährend dort patrouillieren, nicht von sich aus bemerkt, daß da Menschen in Seenot sind? Oder – haben sie es bemerkt und sich bequem zurückgelehnt, um den Flüchtlingen beim Sterben zuzusehen?
Wer aber wissentlich (und billigend) in Kauf nimmt, daß durch sein Handeln oder Unterlassen Menschen sterben, erfüllt den bedingten Tatvorsatz und ist des Mordes schuldig.
Daß Menschen in Seenot sterben, wenn man sie nicht rettet, ist eine notorische Tatsache, deren Kenntnis selbst europäischen InnenministerInnen und FRONTEX-Leuten zugemutet werden kann. Daß es schon sehr oft, unter gleichen Umständen wie diesen, geschehen ist, ebenso.
Und daß der Auftrag, den FRONTEX erfüllen soll, nämlich die Abschreckung der Flüchtlinge, durch billigendes Zusehen beim Ertrinken am besten erreicht wird, wird niemand leugnen. Es gibt also auch ein Tatmotiv.
Daraus sind nun Konsequenzen zu ziehen. Die Schuldigen dürfen der gerechten Strafe nicht entgehen. Aber wie heißt das so schön? Es gilt natürlich, sogar für FRONTEX-Schiffer, die Unschuldsvermutung….
Asyl in Not fordert offene Grenzen und ein gesamteuropäisches Aufnahmeprogramm. Dazu gehört das Recht zu arbeiten, unter menschenwürdigen Bedingungen und für angemessenen Lohn, mit dem Recht, sich gewerkschaftlich zu organisieren und zu streiken.
Wir fordern die Abschaffung der Dublin-Verordnungen. Flüchtlinge müssen frei entscheiden können, in welchem Land sie Schutz suchen. Und wir fordern die Abschaffung von FRONTEX. Diese Agentur ist eine staatlich finanzierte Piratenbande und trägt, ebenso wie die Innenminister der Europäischen Union, die Verantwortung für das vieltausendfache Sterben im Meer.
Ja natürlich, ich weiß schon, daß der Begriff „Piraterie“ nach derzeit geltendem Recht nur auf nichtstaatliche Akteure angewendet wird. Das ist aber ein Nachhinken der Rechtslage hinter der Wirklichkeit. Dieser Tatbestand wird daher auch auf staatliche Agenten wie FRONTEX auszudehnen sein.
Michael Genner
Obmann von Asyl in Not
Eine Video-Stellungnahme von Michael Genner zum Massenmord im Meer finden Sie auch auf Youtube:
http://www.youtube.com/watch?v=8MutlQIOcmk
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