Lichterkette – eine kritische Bilanz
Viele tausende, großteils junge Menschen haben am 18. Juni vor dem Parlament gegen die rassistische Hetze demonstriert. Ein großartiger Erfolg, der uns Hoffnung gibt.
Es war ein starkes Zeichen gegen das Wiederaufkommen des Faschismus in diesem Land. Trotzdem müssen auch kritische Bemerkungen gestattet sein. Die Lichterkette hat nämlich leider manche Fehler des alten Lichtermeeres wiederholt.
Das Lichtermeer 1993 (getragen von großen Verbänden wie Kirchen und Gewerkschaft) richtete sich nur gegen Haider. Kritik an der Antiasylpolitik des Innenministers Löschnak und seines furchtbaren Juristen Matzka war nicht erlaubt.
Unmittelbar nachher trat Löschnaks Aufenthaltsgesetz in Kraft, das tausende fleißige, tüchtige Arbeiter zu Illegalen machte. „Gastarbeiter räumen“ nannte man das. Überall in Wien hingen die zynischen SPÖ-Plakate: „Gesetze statt Hetze“.
An der Vorbereitung der jetzigen Lichterkette habe ich teilgenommen, dabei immer wieder von den seinerzeitigen Fehlern erzählt und vor ihrer Wiederholung gewarnt. Darüber bestand auch ursprünglich Konsens.
Umso erstaunter war ich, als ich einige Tage vor der Kundgebung die (nach Themen gegliederte) Rednerliste erhielt. Das Thema Asyl kam überhaupt nicht vor! Dies obwohl gerade jetzt die Polizeiministerin Fekter (mit Unterstützung der SPÖ!) einen Gesetzentwurf vorgelegt hat, der eine neue Menschenhatz zur Folge haben wird.
Ich habe daher der Vorbereitungsgruppe angeboten, daß ich eine Rede zu diesem Thema halte. Dieser Vorschlag wurde abgelehnt, mit der formalen Begründung, das Programm sei schon voll, für eine solche Rede gäbe es nicht mehr genug Zeit.
Nun, eben das war ja meine Kritik, daß das Programm schon voll war und man dabei die Schwächsten unter den Opfern des herrschenden Rassismus, die Flüchtlinge, „vergessen“ hatte. Das war eine politische und keine technische Entscheidung.
Außerdem: Wer die Lichterkette miterlebt hat, wird mir zustimmen, daß es manche Längen gab, wo meine Rede leicht hineingepasst hätte.
Da ich ein guter Redner bin (pardon! Ich halte nichts von geheuchelter Bescheidenheit), wäre es mir gelungen, die Masse mitzureißen. Die Stimmung unter den jungen DemonstrantInnen war dafür günstig. Ich hätte die Lichterkette durch meine Rede zu einer Aktion gegen die rassistische Regierungspolitik gemacht.
Aber genau das war seitens der Veranstalter nicht erwünscht – genauso wenig wie damals beim Lichtermeer.
Das ist jetzt, wohlgemerkt, keine Kritik an den beiden Studentinnen Romy und Maria, die mit ungeheurem Engagement in kaum drei Wochen eine gewaltige Mobilisierung zustande gebracht haben. Sie verdienen Bewunderung und Lob. Es scheint mir aber, daß sie hinter den Kulissen nicht gut beraten waren.
Das muß offen gesagt und diskutiert werden. Dabei wäre es auch wünschenswert, wenigstens jetzt offen zu legen, wer eigentlich die „20 größeren Organisationen“ sind, die die Aktion im Hintergrund unterstützten, aber bisher anonym geblieben sind.
Asyl in Not (keine „größere“, sondern eine ganz kleine NGO) hat sich zur Unterstützung für die Lichterkette immer bekannt; wir haben auch unsere politischen Ziele in jeder unserer Aussendungen offen dargelegt.
Daß andere, Größere, im Verborgenen agieren, hinterlässt angesichts der vorhin dargelegten politischen Divergenzen einen merkwürdigen Beigeschmack.
Die Menschen, die bei der Lichterkette waren, hoffen wohl alle, daß es auch nach diesem Abend weitergeht. Sie haben ein Recht darauf darauf, daß man sie nicht enttäuscht.
Michael Genner,
Obmann von Asyl in Not