Asyl in Not hat auch im Berichtsjahr 2011 wie in den vergangenen Jahren Konflikte gesucht und ausgefochten, teils im Bündnis mit anderen, teils allein.
1.) Demonstration am 27. April 2011
So haben wir die Demonstration am 27. April 2011 gegen das Fekter’sche Fremden-Unrechtspaket mit organisiert, an der trotz Regen über dreitausend Leute teilnahmen.
Zu unseren Verbündeten bei dieser Aktion gehörten der grüne Gemeinderat Senol Akkilic, die Abgeordnete Alev Korun, die kurdischen Vereine in Wien, einige Mitglieder der afrikanischen Community, SOS Mitmensch, die ÖH und viele andere. Der Aufruftext war von mir entworfen, und auch sonst konnten wir die Stoßrichtung maßgeblich prägen.
Unsere Position innerhalb des zivilgesellschaftlichen Bündnisses, das wir 2009 mit den beiden Demonstrationen (1. Mai: „Mord verjährt nicht“, und 24. Oktober gegen Fekter) aufgebaut hatten, wurde somit gestärkt.
Angemerkt sei, daß die Aktion unser Budget nicht belastet hat; sie wurde von den Grünen MigrantInnen vorfinanziert und die ÖH hat auf mein Ersuchen einen wichtigen Teil der Kosten übernommen, wofür wir unserem Freund Thomas Wallerberger herzlich danken.
Thomas war 2009 bei uns Praktikant und hat schon bei der Vorbereitung der Demonstration am 1. Mai 2009 gute Dienste geleistet; 2009 – 2011 war er sodann Co-Vorsitzender der ÖH und auch in dieser Funktion ein treuer Bündnispartner.
Auch das Medienecho war schön, „Kurier“ und „Presse“ berichteten (u.a. über mein öffentliches Angebot an den neuen Integrationsstaatssekretär, bei uns ein Praktikum zu absolvieren), „Zeit im Bild“ brachte (erstmals) ein Interview mit mir. Die Demonstration hatte auch einen konkreten Erfolg: Die geplante Lagerhaft (Anwesenheitspflicht in den Erstaufnahmestellen) blieb totes Recht, sie wird nicht angewendet. Ein Beweis dafür, daß demonstrieren sich lohnt.
2.) Yasar/Denis
Gleich darauf führten wir – mit politischen und rechtlichen Mitteln zugleich – im Bündnis mit einer Plattform von NGOs im LGBT-Bereich – eine erfolgreiche Solidaritätskampagne für Yasar/Denis, eine Transgenderfrau aus der Türkei.
Sie war zuvor vom berüchtigten „Verein Menschenrechte Österreich“, dem Ecker-Verein, „beraten“ worden, mit dem Ergebnis, daß keine Beschwerde im ersten Verfahren eingebracht wurde und sie in Schubhaft kam.
Mit zwei Demonstrationen, bei denen Judith als Rednerin auftrat, einer „Thema“-Sendung im ORF (Interviews mit Judith und mir), einem (abgewiesenen) Antrag an den EGMR auf einstweilige Maßnahme und schließlich einem neuen Asylantrag, der zugelassen wurde und somit die Abschiebung im letzten Augenblick stoppte, war es eine von Judith Ruderstaller bravourös geleitete Aktion.
3.) Flüchtlingsfest am 17. September 2011
Unser Flüchtlingsfest, das für Juni und am Karlsplatz geplant war, mußten wir aus technischen Gründen (einer gleichzeitigen Veranstaltung am selben Ort) auf September und in den Sigmund Freud Park verschieben.
Im September waren aber die Sommerferien an den Universitäten noch nicht zu Ende. Auch war unsere Werbetätigkeit vielleicht nicht ganz ausreichend; dies lag an unseren noch ungenügenden Kapazitäten. Der Andrang des Publikums hielt sich daher in Grenzen.
Für diejenigen, die kamen, war es trotzdem ein schönes Fest. Herzlicher Dank an Norbert Doubek für seinen Einsatz bei der Organisation. Mir scheint übrigens, daß es heuer um unsere Kapazitäten besser bestellt ist, da für die Vorbereitung unseres diesjährigen WUK-Festes neue, junge Leute zur Verfügung stehen.
4.) Asylforum
Das gesamtösterreichische Asylforum in Linz im November 2012 bot uns Gelegenheit zum Konflikt. Es war einer unserer wichtigsten politischen Auftritte im vergangenen Jahr.
Die Veranstalter hatten, ohne uns zu fragen, eine Diskussion mit Behördenvertretern angesetzt und dazu ausgerechnet Marlene Jungwirth, eine sattsam bekannte Scharfmacherin aus dem Bundesasylamt Linz, als Rednerin eingeladen. Dies, ohne uns zu fragen, obwohl Asyl in Not eine Mitgliedsorganisation der Asylkoordination ist und ich dort im Vorstand bin.
Diese Jungwirth hatte ein schwer traumatisiertes tschetschenisches Ehepaar (Malika und Rahman) und deren Kinder drei Jahre lang durch ein völlig rechtswidriges Aberkennungsverfahren gequält und hätte die Existenz dieser ohnedies leidgeprüften Menschen beinahe zerstört.
Rahman und Malika waren 2004 nach Österreich geflüchtet, wegen ihrer offenkundigen Traumatisierung (sie ist Vergewaltigungsopfer, ihm hatte man die Zähne eingeschlagen) hatte ich ihre Zulassung zum Verfahren erkämpft – aber dann war ihnen Frau Jungwirth zugestoßen. Eine unendliche Geschichte… Ich berichtete darüber ausführlich im Internet:
(http://www.asyl-in-not.org/php/menschen_denen_wir_helfen_konnten,12304,28255.html)
Insgesamt dreimal wurden sie von Jungwirth aus Österreich ausgewiesen; dreimal wurde die Ausweisung dank meinen Rechtsmitteln behoben. Wegen ihrer schweren Traumatisierung hatte der UBAS ihnen subsidiären Schutz gewährt; Jungwirth nahm ihn ihnen immer wieder weg.
Jungwirth war es völlig egal, daß Rahman seit Jahren legal arbeitete. Ihretwegen hätte er die Arbeit beinahe verloren. Nur mit Mühe konnte man den Arbeitgeber überzeugen, daß Rahman trotz Aberkennung noch zur Arbeit berechtigt war. Jungwirth forderte immer neue Gutachten an, um endlich den gewünschten Befund zu erhalten: nämlich daß es Malika und Rahman schon gut genug geht, um abgeschoben zu werden! Nach jahrelangem Pingpong zwischen Asylamt und Asylgerichtshof habe ich dieses Verfahren 2011 zu einem guten Ende gebracht. Der Asylgerichtshof erkläre die Ausweisung für auf Dauer unzulässig. Die Familie ist nun zur Niederlassung in Österreich berechtigt und hat hoffentlich nie wieder etwas mit dieser Jungwirth zu tun.
Ausgerechnet diese Person wurde nun als Vortragende präsentiert! Gleich nach ihrem Statement meldete ich mich zu Wort:
„Frau Jungwirth, wie geht es Ihnen, wenn Sie einen Menschen kaputt machen? Geht es Ihnen gut dabei? Diese Frage ist mit ja oder nein zu beantworten.“
Jungwirth, völlig überfordert: „Diese Frage beantworte ich nicht.“
Ich antwortete: „Frau Jungwirth, ich ermittle gegen Sie wegen Ihrer Verstöße gegen das Menschenrecht. An diesem Verfahren haben Sie mitzuwirken. Erinnern Sie sich an Malika und Rahmat?“
Jungwirth, mit leiser Stimme: „Können wir das nicht in der Pause diskutieren?“ Ich: „Oh nein, darüber reden wir öffentlich. Und es ist auch keine Diskussion, sondern eine Befragung.“
Ich benützte konsequent dieselben Begriffe („Befragung“, „Mitwirkungspflicht“) wie die Asylbehörden bei Einvernahmen; Jungwirth, die sich einen Augenblick lang in der Rolle ihrer Opfer wiederfand, schien den Tränen nahe. Da kam ihr eine andere Beamtin tröstend zu Hilfe und sagte: “Wir gehen. Es wird zu emotional.“
Jungwirths tägliche Opfer (von denen ich so manche in meinem Beratungszimmer weinen sah) wären froh, könnten sie sich so einfach aus der Affäre ziehen.
Was mich am meisten bestürzt, ist aber, dass ich diese Sache alleine durchziehen mußte, dass mich niemand aus der versammelten Runde unterstützte. Im Gegenteil, die Obfrau der Asylkoordination versuchte sogar (vergebens) mir das Wort zu entziehen. Offenbar war diese Jungwirth, und was sie den Flüchtlingen antut, den meisten Leuten dort ganz egal. Oder zumindest regte sich niemand genug auf, um etwas gegen ihre Anwesenheit zu tun.
Immerhin, ein Volkshilfekollege versicherte mir, die oberösterreichischen NGOs seien in die Einladungspolitik nicht eingebunden gewesen; auch ihn habe es „gerissen“, als er den Namen Jungwirth auf dem Programmzettel las… Ansonsten aber: peinliches Schweigen. Ein erschreckendes Symptom für einen Werteverfall innerhalb der NGO-Szenerie.
5.) Menschenrechtspreis (10. Dezember 2011)
Ein besonderes Highlight zum Ende des Jahres war die Menschenrechtspreisverleihung durch die Liga für Menschenrechte am 10. Dezember 2011. Eine Ehrung nicht nur für mich, sondern für unsere Sache und unsere gesamte Organisation.
Unser Dank gilt hier besonders Volker Kier, unserem Ehrenvorsitzenden, der auch dem Vorstand der Liga für Menschenrechte angehört und die Sache dort initiiert und durchgezogen hat. Ich nehme an, von selber wäre die Liga eher nicht auf die Idee gekommen, ausgerechnet mir einen Preis zu verleihen. Hier gilt wie so oft der Grundsatz: „Es gibt nichts Gutes außer man tut es.“
Die Veranstaltung selbst war mit knapp 300 Teilnehmenden sehr gut besucht, ein gelungenes Beispiel für Mobilisierung im Wege der neuen sozialen Medien. Von den großen Medien hingegen wurde sie (von einer Ankündigung im „Standard“ abgesehen) totgeschwiegen.
Immerhin nahm aber „Zeit im Bild“ die Preisverleihung zum Anlaß, eine Wortspende von mir auszustrahlen, wenn auch zu einem anderen Thema (Grundversorgung).
Die Veranstaltung wurde von Tina Leisch, unserem neuen Mitglied, auf Video aufgenommen; ebenso wie gleich darauf meine Neujahrsnachricht; beide Filme wurden auf Youtube, wenn ich die Aufrufstatistiken richtig zusammenzähle, von rund tausend Menschen gesehen.
Dieses Medium werden wir in Zukunft verstärkt einsetzen, großer Dank an Tina, die sich bereit erklärt hat, uns dabei unter die Arme zu greifen. Rechtsberatung: Unsere Bilanz für 2012
Seit Jahresbeginn bis Stichtag 12. Dezember haben wir 3642 Beratungsgespräche in den regulären Öffnungszeiten durchgeführt, wobei etwa 800 Flüchtlinge in diesem Jahr erstmals zu uns gefunden haben.
Wir haben zahllose Schriftsätze verfasst, darunter 337 Beschwerden im inhaltlichen Asylverfahren, 66 Dublinbeschwerden, 29 Beschwerden im Verfahren wegen entschiedener Sache, 12 Schubhaftbeschwerden und 14 Beschwerden bzw. Anträge im Wiedereinsetzungs- und Wiederaufnahmeverfahren.
Wir nahmen – natürlich nach entsprechend ausführlichen Vorbereitungsgesprächen – an 91 Verhandlungen vor dem Asylgerichtshof, 63 Einvernahmen vor den Bundesasylämtern und sechs Verhandlungen vor den Unabhängigen Verwaltungssenaten teil.
Unsere Arbeit war häufig von Erfolg gekrönt und wir konnten insgesamt für 283 Personen ein Aufenthaltsrecht in Österreich erreichen. Davon haben 126 Personen den Status als Flüchtling erhalten. Der Großteil dieser Personen, nämlich 112, sind Staatsbürger der russischen Föderation, die übrigen von Afghanistan, Iran und einigen anderen Staaten.
82 Personen haben subsidiären Schutz erhalten. Auch unter ihnen waren Menschen aus der russischen Föderation mit 59 am häufigsten vertreten, aber auch elf von uns vertretene Afghanen erhielten dieses Aufenthaltsrecht, wie auch Staatsangehörige von Nigeria, Georgien, dem Irak und Aserbaidschan.
Schließlich haben wir in diesem Jahr auch zahlreiche Entscheidungen bekommen, in denen wegen guter Integration oder familiärer Bindungen unserer Klienten die Ausweisung auf Dauer unzulässig erklärt wurde, also eine Rot-Weiß-Rot Karte Plus erteilt werden muss, im Sprachgebrauch auch als „Bleiberecht“ bekannt. Insgesamt betraf dies 75 Personen. Darunter befanden sich wiederum 52 aus der russischen Föderation. Die übrigen stammten unter anderem aus Nigeria, dem Sudan, Gambia, Usbekistan, Bangladesh, Serbien und China.
Nennenswert sind auch unsere Erfolge im Bereich der Zurückverweisung von Verfahren an das Bundesasylamt in Folge mangelhafter erstinstanzlicher Verfahrensführung: Hier hatten wir in 64 Verfahren Erfolg und unsere KlientInnen eine weitere Chance, ihre Fluchtgründe darzulegen.
In Dublinverfahren hatten wir in diesem Jahr insgesamt in 26 Fällen Erfolg, sowie auch in vier Schubhaftbeschwerden.