Tätigkeitsbericht Asyl in Not 2010
1.) Rechtsberatung
Im Berichtsjahr 2010 haben wir bis zum Stichtag 16.12. rund 3600 Beratungsgespräche im offenen Empfang und 218 Intensivberatungen geführt, zahlreiche Schriftsätze verfasst, darunter 389 Asylbeschwerden im inhaltlichen Verfahren, 95 „Dublin“-Beschwerden, 31 Beschwerden wegen „entschiedener Sache“, 36 Schubhaftbeschwerden, 57 Ergänzungen und Beweisvorlagen und 52 Stellungnahmen.
Als bevollmächtigte VertreterInnen nahmen wir an 114 Einvernahmen im Bundesasylamt und 82 Beschwerdeverhandlungen im Asylgerichtshof teil.
Wir haben 54 Asylverfahren erwachsener Flüchtlinge gewonnen (davon 36 aus Tschetschenien, 7 aus dem Iran, 3 aus Afghanistan, 3 aus Georgien, 2 Kurdinnen aus der Türkei, 1 Dagestaner, 1 Moldawierin, 1 Somalier); plus 47 Kinder.
34 von uns vertretene Flüchtlinge erhielten zwar nicht Asyl, aber „subsidiären Schutz“, davon 28 aus Tschetschenien, 3 Inder, 1 Palästinenser, 1 Afghane, 1 aus dem Kongo, plus 18 Kinder.
In 12 Fällen entschied der Asylgerichtshof wegen der guten Integration unserer (im Asylverfahren negativ beschiedenen) KlientInnen, daß ihre Ausweisung auf Dauer unzulässig ist, sodaß sie dann vom zuständigen Magistrat unbeschränkte Niederlassungsbewilligungen (im Volksmund „Arbeitsvisum“) erhielten. Unter ihnen waren 9 aus Tschetschenien, 1 Kurde, 1 Ukrainer und 1 Georgier.
Das sind also hundert gewonnene Verfahren, hundert Erwachsene und 65 Kinder, denen wir ein Aufenthaltsrecht in Österreich erkämpften.
Dazu kommen 29 gewonnene Dublin-Verfahren (also Zulassung zum inhaltlichen Verfahren) und 12 gewonnene Schubhaftbeschwerden. Im Vergleich zum Vorjahr haben wir weniger Dublin-Beschwerden geschrieben, weil weniger Flüchtlinge neu nach Österreich gekommen sind; dafür ist die Erfolgsquote relativ höher.
2.) Das Team
Unser Team bestand im Berichtsjahr aus zwei hauptamtlichen RechtsberaterInnen: Mag. Ruderstaller (Leiterin der Rechtsabteilung) und Michael Genner und einer teilzeitbeschäftigten Rechtsberaterin: Mag. Tanja Svoboda.
Unser georgischer Kollege Goga Giorgadze war (neben seinem Brotberuf als selbständiger Dolmetscher) wie bisher für uns als ehrenamtlicher Rechtsberater tätig. Ein tschetschenischer Dolmetscher und Rechtsassistent, Movladi Abdulaev, ist seit November 2010 geringfügig beschäftigt.
Ein afghanischer Dolmetscher, Rahmatollah Heydari, der bei uns arbeitet, wird durch die „Aktion 4000“ von AMS und WAFF finanziert.
Weiter standen uns noch zwei Zivildiener zur Verfügung.
Der Posten von Mag. Judith Ruderstaller wurde zu einem Drittel von dem Dublin-EU-Projekts gefördert an dem wir teilnehmen. Alle anderen Ausgaben sind über private Spenden und die jährliche Kunstauktion finanziert.
15 StudentInnen (Jus, internationale Entwicklung, Kultur- und Sozialanthropologie) absolvierten bei uns ehrenamtliche Praktika.
Unser Vereinskassier Norbert Doubek ist seit 1.9.2010 auch ehrenamtlich als Geschäftsführer für uns tätig
Karin Ortner, die die Auktion nun schon zum zweiten Mal organisiert hat, verdient unseren besonderen Dank.
3.) Das EU-Projekt
Das Projekt “Transnational advisory and assistance network for asylum seekers under a Dublin process” wird von der französischen NGO „Forum Réfugiés“ koordiniert und bezweckt eine grenzüberschreitende Rechtsberatung für Asylsuchende im Dublin-Verfahren. NGOs aus 16 EU-Staaten nehmen daran teil; österreichischer Projektpartner ist Asyl in Not.
Aus einem Bericht von Judith Ruderstaller, die uns im Rahmen des Projekts vertritt:
„Das Projekt hat sich im vergangenen Jahr hervorragend entwickelt und wir konnten zu den Partnerorganisationen in den für uns wichtigsten Zielstaaten in jeglicher Hinsicht eine gute Kooperation aufbauen, die auch in offenen Dublinverfahren von Vorteil ist.
Natürlich sind wir nach wie vor bemüht, für jeden einzelnen Asylwerber zu kämpfen und seinen Verbleib in Österreich zu ermöglichen, aber zumindest kann in jenen Fällen, in denen eine Überstellung in einen anderen Dublinstaat nicht vermieden werden kann, eine Nachbetreuung durch die dortigen Partnerorganisationen gewährleistet werden.
Zwecks Bekämpfung des ungerechten Dublin-Systems an sich haben wir die Möglichkeit, im monatlichen Bericht an die Projektleitung (die französische NGO Forum Réfugiés) und in Form eines ausführlichen Endberichts an die Europäische Kommission die Ungerechtigkeiten, Schwächen und praktischen Probleme der Dublin-Verordnung zu kritisieren und – so hoffen wir – eine Verbesserung der grundsätzlichen Lage zu erwirken.
Mittlerweile wurde die Anzahl der teilnehmenden Staaten auf nunmehr 16 vergrößert. Darunter auch die aus Sicht von Österreich wichtigsten Staaten wie Polen, Griechenland, Ungarn und Slowakei.
4.) Politische Arbeit
Aber auch im politischen Kampf ist manches weitergegangen. Obwohl es zu Jahresbeginn noch sehr düster ausgesehen hat. Wir haben, wie schon im Vorjahr, beharrlich daran gearbeitet, Bündnisstrukturen aufzubauen. So etwa für die Kundgebung am 18. Juni 2011, anläßlich des Weltflüchtlingstages, vor dem Polizeigefängnis Rossauerlände.
Diese Kundgebung, zu der Asyl in Not aufgerufen hatte und die von zahlreichen Organisationen (GPA-djp-Jugend, SJ, ÖH, den Grünen u.v.a.) unterstützt wurde, war von rund dreihundert Leuten besucht. Das ist nicht viel, aber angesichts des Wetters trotzdem ein Erfolg.
Diese Menschen ließen sich nämlich weder vom pünktlich zu Beginn unserer Kundgebung mit Blitz und Donner hereinbrechenden Wolkenbruch noch vom anhaltend kalten Wind vertreiben.
Das macht uns Mut, denn im weiteren Kampf gegen das herrschende Asylunrecht werden wir Ausdauer, Kraft und Widerstandsgeist brauchen.
Unser besonderer Dank gilt Romy Grasgruber, die die Idee hatte (und auch selbst ausführte), unsere Forderungen auf ein Transparent zu schreiben, das während der Kundgebung von den Teilnehmern unterschrieben werden konnte.
Ebenso unterstützten wir den „Lichtertanz gegen Rosenkranz“ am 25. März, das Aktionsforum „Damma wos“ am 1. April und die Kundgebung „Genug ist genug!“ am 1. Juli gegen Arigonas Ausweisung. Dieser „Aufstand der Anständigen“, zu dem wir beitragen durften, hatte schließlich Erfolg: Im November sind Arigona Zogaj, ihre Mutter und die jüngeren Geschwister nach Österreich heimgekehrt.
Asyl in Not unterstützte die E-mailkampagne von SOS Mitmensch gegen dieses Gesetzmachwerk und die Kundgebung am 21. Februar 2011 auf dem Minoritenplatz vor dem Innenministerium. Zu darüber hinausführenden, eigenen Initiativen in dieser Richtung fehlte uns vorerst die Kraft.
Weitere Aktivitäten, an denen wir teilnehmen:
„Arbeitstandem“, eine Initiative, die aus dem gesamtösterreichischen Asylforum in Graz hervorgegangen ist und für den Zugang von Asylsuchenden zum Arbeitsmarkt eintritt. Asyl in Not wird in diesem Gremium von Norbert Doubek vertreten. Hinzu kommen KollegInnen aus dem Integrationshaus, der Diakonie und dem Don Bosco-Flüchtlingswerk.
„Stoppt Hinrichtungen im Iran“, eine vor kurzem von Mustafa Akgün, Michael Genner und anderen gegründete Initiative, die bisher hauptsächlich auf Facebook aktiv ist und die öffentliche Meinung gegen die Verbrechen des Mullahregimes sensibilisieren will. Erwähnt sei hier auch unsere Unterstützung für eine exiliranische Kundgebung am Tag der Menschenrechte, dem 10. Dezember 2010, auf dem Albertinaplatz.
Unsere wichtigste mediale Waffe war auch im Berichtsjahr das Internet. Unsere E-maildatei umfaßt jetzt 1760 Adressen. Auf der Homepage haben wir pro Tag rund 300 Besuche von rund 250 PC‘s. Im Monat werden wir im Schnitt von 3000 Rechnern besucht.
Auch auf Facebook sind wir präsent: Asyl in Not hat derzeit knapp 600 Facebook-Mitglieder, Michael Genner hält bei 584 Facebook-FreundInnen.
Hinzu kommt der Rundbrief in gedruckter Form mit einer Auflage von 1000 Stück. Er wird konstant an rund 850 Adressen verschickt. 50 Exemplare gehen an den Asylgerichtshof und werden dort, wie wir hören, aufmerksam gelesen.
Michael Genner ist als Obmann zugleich Chefredakteur unserer Publikationen; Judith Ruderstaller ist nun aber auch schon immer öfter mit ihren Fallgeschichten präsent, Tanja Svoboda neuerdings ebenso. Wir verbreiten aber auch Nachrichten anderer Initiativen, zum Teil kleiner Gruppen in den Bundesländern, die sich gegen Abschiebungen wehren.
Unsere Veröffentlichungen werden von einem zwar kleinen, aber allmählich wachsenden Publikum gelesen.
5.) Ausblick
Angesichts der neuerlichen Verschärfungen gibt es keinen Grund zum Jubeln. Es kommen neue, schwere Auseinandersetzungen auf uns zu.
Unsere Hauptstoßrichtung ist auch in diesem Jahr – aber das muß ich wohl nicht extra betonen – der Kampf gegen Fekter und ihr Gesetz. Um ihn mit Erfolg zu führen, brauchen wir neue, junge Kräfte, die mit frischem Elan an die Sache herangehen.
Die Verjüngung des Vereins hat unmittelbar nach der Prokop-Affäre Anfang 2007 begonnen, Einige Junge, die heute zum Team gehören sind damals zu uns gestoßen. Was aber fehlt, ist eine junge mobile Gruppe im aktionistischen Bereich. Daran zu arbeiten, wird eine unserer Hauptaufgaben im kommenden Frühjahr sein.
Michael Genner
Obmann von Asyl in Not
WELTFLÜCHTLINGSTAG
ACHTUNG: Diese Veranstaltung ist abgesagt! Ein neuer Termin für SEPTEMBER wird bald bekannt gegeben.
Asyl in Not lädt ein:
KUNDGEBUNG und FEST
Freitag 17. Juni 2011, 16 bis 22 Uhr
Karlsplatz (vor der Karlskirche)
1040 Wien