Eine Richtigstellung

In unserem Newsletter vom 7. Juli 2009, „Asylamt Eisenstadt“ (http://www.asyl-in-not.org/php/asylamt_eisenstadt,17595,20337.html), berichteten wir über eine tschetschenische Klientin, bei der sechs voneinander unabhängige Fachärzte eine schwere Traumatisierung, unter anderem aufgrund einer Vergewaltigung, festgestellt hatten.

Nur eine Frau Dr. Anderle,“ schrieben wir, „zu welcher das Bundesasylamt sie beorderte, um noch einmal ihren Gesundheitszustand zu überprüfen, will von all dem nichts bemerkt haben und gelangt zu der Ansicht, sie übertreibe maßlos.“

Frau Dr. Elisabeth Anderle (eine vom Bundesasylamt immer wieder herangezogene Gutachterin) verlangt nun von uns eine Richtigstellung. Sie bringt vor, sie habe unserer Mandantin nicht vorgeworfen, sie „übertreibe maßlos“.

Ihre Anwältin weist uns „mit Nachdruck“ darauf hin, dass Dr. Anderle „so unqualifizierte Ausdrücke, wie dass ein Patient ‚maßlos übertreibe’, in ihren Gutachten nicht verwendet.“ Wir sollten eine Erklärung abgeben, daß wir es künftig „unterlassen“, ihre Mandantin „falsch zu zitieren“.

Oh pardon! Wir haben Frau Dr. Anderle einen gemeinverständlichen Ausdruck unterschoben. Sie hat sich natürlich viel seriöser ausgedrückt.

Tatsächlich hat sie geschrieben, das „Antwortverhalten“ unserer Klientin spreche „für Aggravation, Überbewertung und Fixierung der tatsächlich vorhandenen Beschwerden bis hin zu absichtlicher Darstellung nicht vorhandener Störungen oder Sachverhalte.“

AGGRAVIEREN“ ist der lateinische Ausdruck für „ÜBERTREIBEN“. Wir haben das von Dr. Anderle verwendete Fremdwort ins Deutsche übersetzt. Wir wenden uns an ein breites Publikum, dem solche Fachausdrücke nicht unbedingt geläufig sind.

Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 257. Auflage (1994), S. 26 (ein Standard-Werk) versteht unter „Aggravation“ eine „im Verhältnis zum objektiven Befund ÜBERTRIEBENE Präsentation subjektiver Krankheitserscheinungen; (…) vgl. SIMULATION“.

Aggravieren“ bedeutet laut Brockhaus’ Kleines Konversationslexikon: “erschweren, verschlimmern, übertreiben“; laut www.fremdwort.de: „Krankheitserscheinungen übertreibend darstellen“.

Noch deutlicher ist die Definition im Glossar „Psychiatrie/Psychosomatik/Psychotherapie“, http://www.neuro24.de/show_glossar.php?id=1568 :

Als Aggravation wird die bewusste verschlimmernde bzw. überhöhende Darstellung einer krankhaften Störung zu erkennbaren Zwecken bezeichnet. Gemeint ist also eine Übertreibung vorwiegend subjektiver Krankheitserscheinungen um den Arzt und die eigene Umgebung bewusst zu täuschen um in den Genuss der Krankenrolle und damit verbundener Vorteile zu gelangen.“ (Karl C. Mayer, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie).

Klingt schon ziemlich hart, nicht wahr? Aber hat es auch Frau Dr. Anderle so verstanden? Hören wir sie selbst. Sie erklärt in ihrem Gutachten ohnedies, wie sie es meint:

Sie attestiert (siehe oben) unserer schwer kranken Klientin, dass sie „absichtlich“ eine Störung „darstellt“, die „nicht vorhanden“ ist – mit einem anderen Wort: dass sie lügt. Oder ist dieser Ausdruck jetzt auch wieder „unqualifiziert“?

Aber weiter im Text: „Die tatsächlich bestehenden Beschwerden werden durch die bewusstseinsnahen Sicherungswünsche der Antragstellerin bis hin zu Simulation psychogen verstärkt (aggraviert), überbewertet und fixiert.“

Frau Dr. Anderle vermeint also, bei unserer Klientin „SIMULATION“ zu erkennen; das ist noch ein bisschen schlimmer als „Aggravation“. Und sie meint auch, ihre Gründe zu kennen: Sie simuliert, weil sie „SICHERUNGSWÜNSCHE“ hat.

Aber dass sie deshalb „maßlos übertreibt“ – nein, das hat Frau Dr. Anderle wirklich nicht gesagt…

Zuletzt diagnostiziert Dr. Anderle eine „Anpassungsstörung, wobei die tatsächlich vorliegenden Beschwerden aufgrund versorgungsrechtlicher Sicherungswünsche aggraviert werden.“

Unsere Klientin übertreibt laut Dr. Anderle also nicht maßlos, sondern sie „aggraviert“ und „simuliert“ nur, sie stellt „absichtlich nicht vorhandene Störungen“ dar, und das alles, um ihre „Versorgung“ zu sichern.

Wir nehmen also das Wort „maßlos“ zurück und hoffen, wir haben Frau Dr. Anderle und ihrer Anwältin mit dieser freiwilligen Richtigstellung gedient.

Unsere Leserinnen und Leser können sich selbst ihr Urteil bilden. Über Dr. Anderles Wirken werden wir weiter berichten.

Michael Genner, Obmann von Asyl in Not

Mag. Judith Ruderstaller, Rechtsberaterin

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