Grenzen ziehen

Kommentar zum Gusenbauer-Interview
für den “Standard” vom 19.7.2005

Alfred Gusenbauer, Noch-Parteichef der „SPÖ“, möchte Grenzen ziehen. Grenzen für seine Abgeordneten, für die Flüchtlinge, für die Anwendbarkeit von Verträgen.

Eine Partei wie diese müsse „dafür sorgen, daß ihre Linie vertreten wird“. Geschlossenheit – statt Offenheit… Wo kämen wir hin, würde sich die SPÖ spalten? Oder auch nur: Würden ein paar Abgeordnete so stimmen, wie es ihr Gewissen befiehlt? Noch dazu: bloß wegen der Menschenrechte… Was für ein Schreckgespenst. O-Ton Gusenbauer, „Standard“ 19.7.2005. „Wo beginnt das, und wo endet das?“ Ja dürfen s’ denn des? Wo kämen wir denn da hin!

Um das zu verhindern, wurden ehrliche Leute, die lernbereit sind und von ihrem Fach etwas verstehen, wie Walter Posch und Melita Trunk, von poststalinistischen Apparatschiks wie Darabos und Cap gedemütigt und bloßgestellt.

Gusenbauer, im selben „Standard“-Gespräch, ist sich „im Klaren“, dass in Österreich die Anerkennungsquote in Asylverfahren bei „20 – 30 Prozent“, in der Slowakei hingegen bei null Prozent liegt. Daher sei „gerade eine gesellschaftspolitisch liberale Einstellung sehr stark gefordert, hier Grenzziehungen durchzuführen.“

Ja hoppala! Erstens lag in Österreich, dem UBAS sei Dank, die Anerkennungsrate sogar schon bei 50 Prozent. Zweitens hat die Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention wirklich nichts damit zu tun, ob man „liberal eingestellt“ ist oder nicht. Es handelt sich vielmehr um einen völkerrechtlich bindenden Vertrag, der Gesetzeskraft genießt und von jeder Behörde unmittelbar anzuwenden ist

Was für Grenzen will er also ziehen? Grenzen für die Genfer Konvention, wenn er draufkommt, dass zu viele Leute Asyl erhalten? Will er dann den Vertrag brechen? Will er die Rückkehr in eine unsägliche Vergangenheit?

Vor Löschnaks Sturz, vor Einems Asylreform, vor der Gründung des UBAS war die Anerkennungsrate auch in Österreich fast null, war die Genfer Flüchtlingskonvention de facto abgeschafft. Der UBAS hat, vom Verwaltungsgerichtshof gedrängt, von uns NGOs getrieben, erstmals im Asylbereich für rechtsstaatliche Verfahren gesorgt.

In der Slowakei, die nicht „liberal“ genug „eingestellt“ ist, um sich an die Genfer Konvention zu halten, gibt es keinen UBAS, sondern einen gewissen Priecel, Chef der „Migrationsabteilung“, der allen Ernstes meint, Tschetschenen seien „Wirtschaftsflüchtlinge“, darum erhielten sie bei ihm kein Asyl.

Diese Slowakei ist die Ostgrenze der Festung Europa. Sie missachtet die Genfer Flüchtlingskonvention und schiebt Flüchtlinge, wie von uns schon öfters dokumentiert, über die Ukraine in Putins Folter-Gulags ab.

Aber zurück zu Herrn Gusenbauer. Er will Grenzen ziehen. Weil es in Österreich zu viele Asylgewährungen gibt. Verstehen auch alle, was das heißt?

Asyl erhalten, wenn’s gut geht, diejenigen, die Flüchtlinge sind im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Vorausgesetzt, sie werden zum Verfahren „zugelassen“. Genau das werden sie ab jetzt nicht mehr.

Genau diejenigen nämlich, die am meisten verfolgt wurden, die Traumatisierten und Folteropfer, sind vom neuen Asylgesetz an meisten betroffen. Sie sollen abgeschoben werden, in unsichere Dublinstaaten wie die Slowakei.

Es geht nicht gegen den „Asylmissbrauch“, nicht gegen die „Drogendealer“ und „Kriminellen“, sondern einzig und allein gegen die (laut Gusenbauer) „20 bis 30 Prozent“, die als Flüchtlinge anerkannt werden: die „echten“ Flüchtlinge im Sinne der Genfer Konvention. Genau die sollen weg!

Und wohin? In die Slowakei! Wo die Anerkennungsrate gleich Null ist. Wo sie keine Chance haben! Und warum? Weil sie (laut Gusenbauer) zu viele sind!

Dabei – wie viele sind es denn wirklich? Ein paar tausend im Jahr, in Spitzenzeiten. Was für eine „Belastung“ für dieses reiche Land! Zu viele, trotzdem… Es ist blanker Fremdenhaß, der hier zum Vorschein kommt.

Gusenbauer verrät hier, vielleicht ohne es zu wollen, den wahren Sinn des Antiasylgesetzes, das er, in trautem Einklang mit Prokop und Haider, mitbeschlossen hat.

Wir werden ihm daher – seine Grenzen ziehen.

Michael Genner
Asyl in Not

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