Gedanken zum Ersten Mai

Habt keine Angst!

Die Zeiten werden härter und es gibt viel zu tun. Unsere Feinde sind zahlreich und gefährlich. Und sie sind im Vormarsch. Da kann man schon einmal die Nerven verlieren. Das kann ich gut verstehen.


 
Aber manche sitzen da wie Kaninchen vor der Klapperschlange. Und einige (statt sich still zu verhalten) raten uns auch noch davon ab, auf die Straße zu gehen, und warnen uns davor, die Verhältnisse so zu nennen wie sie sind…
 
Aber Angst ist ein schlechter Ratgeber. Wir müssen ruhig und gelassen sein im Kampf. Unsere Köpfe müssen klar sein, unsere Hände dürfen nicht zittern. Sonst treffen wir nicht.
 
Das Land, in dem wir leben, ist tief gespalten. Zwei Lager stehen einander gegenüber. In der Mitte zwischen ihnen zerbröselt alles. Die Vergangenheit ist wieder da. Die Zukunft ist ungewiß.
 
Es hat keine Entnazifizierung gegeben in diesem Land. Stattdessen die Lüge, das „erste Opfer“ gewesen zu sein. Und das Buhlen der Staatsparteien um die Stimmen der Nazis, sobald die wieder wahlberechtigt waren.
 
Was hingegen noch da war an Widerstandsgeist in der Arbeiterschaft, wurde zerschlagen, niedergeknüppelt, im Oktober 1950 von den Streikbrechergarden eines gelben Bonzen im ÖGB…
 
Und bald darauf, in den Sechzigerjahren: die Anwerbung neuer „Fremdarbeiter“ (wie man sie damals noch ehrlicherweise nannte) durch den selben gelben Bonzen im Pakt mit dem Kapital. Sodaß unser inländischer Arbeiteradel nicht mehr die Dreckarbeit machen mußte, sondern sich als etwas Besseres fühlen durfte.
 
Und dann: ein Ruhigstellen. Bruno Kreisky hat es so ähnlich gesagt: Man muß den Menschen Arbeit geben, damit sie zufrieden sind. Damit sie Ruhe geben und nicht wieder Nazis werden.
 
Das hat eine Zeitlang funktioniert. Kreiskys Epigonen haben einen anderen Weg eingeschlagen. Keine aktive Arbeitsmarktpolitik mehr. Stattdessen: Sozialabbau. Und Anbiederung an die rechte Hetze.
 
Die erste massive Asylrechtsverschärfung war unter Innenminister Löschnak, einem extrem rechten „Sozialdemokraten“, und seinem furchtbaren Juristen, Sektionschef Manfred Matzka, vormals Wortführer einer vermeintlichen „Linken“ in der SPÖ, der auch noch die pseudomarxistische Ideologie dazu machte. Er wolle doch nur die inländischen Arbeiter schützen vor den bösen „Fremden“.
 
Und damals schon in den Neunzigerjahren: die perverse Arbeitsteilung zwischen der Bundesregierung und der Haider-FPÖ. Haider erzeugte den Druck, den Löschnak und Matzka brauchten, um ihre rassistischen Apartheidgesetze durchzuziehen.
 
Unzählige fleißige tüchtige ArbeiterInnen verloren beim damaligen „Gastarbeiterräumen“, auch „Strukturbereinigung“ genannt, ihre Existenz. Weil Matzka und Konsorten die Sonderinteressen der inländischen Hocharbeiterschaft gegen das fremde Unterproletariat verfochten…
 
Aber zurück zur Gegenwart. Nein, ich habe kein Verständnis für die Sorgen und Ängste derer, die nun wieder einmal angetreten sind, um für ihre erbärmlichen Privilegien zu kämpfen und Schwächere zu treten und zu unterdrücken.
 
Aber sie sind doch so viele, immerhin angeblich 35 Prozent? Was für eine Lügenpropaganda! Zehntausende, angewidert vom herrschenden System, sind gar nicht hingegangen zu dieser Wahl. Sie zählen bei den Prozenten nicht mit.
 
Und, ja: Unter den ominösen 35 Prozent sind natürlich auch manche, die „nur“ einen Denkzettel erteilen wollten, wem auch immer, ohne viel nachzudenken, und die nicht allein deshalb schon, quasi von Natur aus Nazis sind. Das gestehe ich ihnen einstweilen noch zu. Dann sollen sie aber rasch umkehren. Bevor es zu spät ist. Ich empfehle es ihnen sehr.
 
Aber vor allem: Der Großteil der arbeitenden Menschen in diesem Land ist vom Wahlrecht ausgeschlossen. Weil sie „Fremde“ sind. Und weil sie nicht genug Geld haben, nicht lange genug da sind oder zu lange arbeitslos waren, um eingebürgert zu werden.
 
Es ist daher ein Klassenwahlrecht, ein Rassenwahlrecht, ein Apartheidwahlrecht. Seine undemokratischen Ergebnisse erkennen wir nicht an.
 
Die Nazis sind also nur eine Minderheit in diesem Land. Aber eine freche. Wir, das Volk, wir die Zehntausenden vom 3. Oktober, wir die freiwilligen FluchthelferInnen, wir die Fremden, wir die Illegalen, wir treten gegen sie an. Ja, wir das Volk! Gemeinsam müssen wir sie nicht fürchten. Gemeinsam sind wir mehr als sie.
 
Den Kampf gegen sie führen wir (um ein Wort zu zitieren aus einer Zeit, als es noch eine Arbeiterbewegung gab in diesem Land) „mit allen zweckdienlichen und unserem natürlichen Rechtsbewußtsein entsprechenden Mitteln, die uns zur Verfügung stehen.“
 
Michael Genner
Obmann von Asyl in Not
Erster Mai 2016

 
www.asyl-in-not.org
 
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