“Furcht und Unruhe”
Asylrichter Bracher hat mich geklagt.
Liebe Leserinnen und Leser, Sie werden sich vielleicht erinnern: Asylrichter Nikolas Bracher (nikolas.bracher@asylgh.gv.at) wollte einen kurdischen Flüchtling, ein schwer traumatisiertes Folteropfer, in die Türkei ausweisen.
Dagegen habe ich öffentlich protestiert („Verwahrlosung der Judikatur“, https://asyl-in-not.org/php/asylgerichtshof_linz,19305,29151.html). Richter Bracher hat mich sodann wegen „gefährlicher Drohung“ und „übler Nachrede“ geklagt. Meine Aussendung sei geeignet gewesen, ihn „in Furcht und Unruhe zu versetzen“…
Unser Klient, Herr K., war als Anhänger der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) zu lebenslanger Haft verurteilt und nach 16 Jahren bedingt entlassen worden. Er hätte dann zur türkischen Armee, die sein Volk unterdrückt, einrücken müssen, wo es ihm als kurdischem Exsträfling wohl nicht allzu gut gegangen wäre; daher flüchtete er nach Österreich.
Richter Bracher meinte jedoch sinngemäß, Wehrdienst müsse jeder leisten, Herrn K. wäre schon nichts passiert. Dieses Skandal-Erkenntnis hat der Verfassungsgerichtshof aufgehoben und festgestellt, Richter Bracher habe Willkür geübt.
(https://asyl-in-not.org/php/der_verfassungsgerichtshof_stellt_fest,19905,30311.html)
Richter Bracher hatte auch vermeint, in dem von mir vorgelegten Befund der Psychologin Dr. Ledebur, die Herrn K. untersucht hatte, stehe (entgegen meinem Vorbringen in einer Beschwerdeergänzung) nichts von einer posttraumatischen Belastungsstörung.
Diese Behauptung Brachers habe ich in meiner Aussendung als „freche Lüge“ klassifiziert. Der Originalbefund, in dem die von mir zitierte Diagnose steht, befindet sich in meinem Akt.
Mittlerweile hat sich herausgestellt, daß vom Befund (offenbar durch einen Übermittlungsfehler) nur die (groß und deutlich nummerierten) Seiten 1, 2, 3 und 6 bei Herrn Bracher angekommen sind; mich um Nachreichung der Seiten 4 und 5 (wo die Diagnose stand) zu ersuchen, war ihm offenbar zu viel Verfahrensaufwand.
Erst nach einiger Zeit habe ich erfahren, daß Asylrichter Nikolas Bracher mich also wegen „übler Nachrede“ und „gefährlicher Drohung“ angezeigt hat.
Letzteres, weil ich geschrieben hatte, Richter Bracher trage für Herrn K.‘s weiteres Schicksal die „volle persönliche Verantwortung“; er werde ihr „nicht entgehen“. Ich hatte auch Brachers dienstliche Email-Adresse veröffentlicht, woraufhin er Protestmails erhielt. Ich hätte somit meine LeserInnen zu „aggressivem Verhalten angestiftet“.
Zum Beweis legte er zwei solche E-Mails vor. Sie waren wirklich ungeheuer aggressiv. So schrieb eine Leserin, Richter Bracher solle begründen, warum er nicht mehr für die Asylsuchenden sei (immerhin war er einmal Rechtsberater gewesen). Es sei nur fair, ihm diese Frage zu stellen.
Aber besonders arg für unseren Richter war das E-Mail von Familie S. aus Wien:
„Ihnen wünschen wir, dass Sie im nächsten Leben in einem Land wie der Türkei geboren werden und dann das gleiche Schicksal erleiden müssen wie die zigtausend Kurden, die die Türken bereits auf dem Gewissen haben.“
Diese Vorstellung, als Kurde in der Türkei auf die Welt zu kommen, hat bei Richter Bracher also beträchtliche Furcht und Unruhe ausgelöst, so daß er sich von mir bedroht fühlt. Aber keine Sorge: Mein langer Arm reicht noch nicht bis ins Jenseits, so daß ich darüber bestimmen könnte, ob und wie er wiedergeboren wird.
Die Staatsanwaltschaft hat übrigens das Verfahren zu diesem Punkt schon eingestellt.
Bemerkenswert ist, daß Richter Bracher Herrn K. genau dorthin ausweisen wollte, wo er selbst ganz bestimmt nicht als Kurde auf die Welt gebracht werden will.
Richter Bracher hat übrigens in einem Email an mich festgestellt, er hätte Herrn K. auch dann ausgewiesen, wenn die Diagnose „posttraumatische Belastungsstörung“ bei ihm aktenkundig gewesen wäre.
Daher habe ich den Vorwurf der „frechen Lüge“ mittlerweile zurückgenommen und festgestellt, daß Richter Bracher ein ehrlicher Mann ist: Er wird zwar leicht in Furcht versetzt, zeigt aber dennoch offen, wes Geistes Kind er ist.
Wir werden daher zur „üblen Nachrede“ wegen des Begriffs „freche Lüge“, wie Herr Bracher es sich wünscht, eine Gerichtsverhandlung durchführen. Sie wird uns Gelegenheit geben, jene Verwahrlosung der Judikatur, die in Teilen des Asylgerichtshofes zutage tritt, öffentlich anzuprangern.
Michael Genner
Obmann von Asyl in Not
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