Eine Vorzeigefamilie aus dem Iran

Mahmoud und seine Frau Azadi sind 2001 aus dem Iran geflüchtet. Er besaß eine kleine Firma, sie studierte Physik. Er hatte einem Oppositionellen erlaubt, seinen Keller zum Kopieren regimefeindlicher Schriften zu benützen. Bis die Sache durch einen Zufall aufflog. Solche Zufälle können im Iran tödlich sein.
 Der Asylantrag des Ehepaares wurde vom Bundesasylamt abgewiesen. Von der Berufung bis zur UBAS-Verhandlung vergingen fünf Jahre. In dieser Zeit geschah nichts, der Akt war gut abgelegt. Immerhin – die beiden nutzten die Zeit. Sie lebten in Tirol und fanden Nischen, in denen ein halbwegs würdevolles Überleben möglich war.
Azadi inskribierte an der Innsbrucker Franzens-Universität und studierte weiter Physik, sie spricht heute perfekt deutsch; ihr Mann fand legale Arbeit in einer Tiroler Fabrik. Kurze Zeit war das möglich, trotz „Ausländerbeschäftigungsgesetz“. Der Tiroler Arbeitsmarkt ist, glaube ich, nicht zusammengebrochen deshalb.
 „Nicht einmal wir Asylbehörden konnten die Integration dieser Familie verhindern“, rief UBAS-Richter Benda erstaunt. Mahmouds Vater und sein Cousin waren mittlerweile in Teheran bei mysteriösen „Verkehrsunfällen“ ums Leben gekommen.
Schlimm genug, um das Senatsmitglied zu überzeugen: Mahmoud, Azadi und ihre Kinder erhielten Asyl. Sie werden es, hoffe ich, nicht allzu schwer haben auf ihrem weiteren Weg. Wie schön wäre es, hätten alle Flüchtlinge schon im Asylverfahren Gelegenheit, zu arbeiten und zu studieren!

Aus Deutschland abgeschoben – beinahe in den Tod

Herr Mustafa aus dem türkisch besetzten Teil Kurdistans hat eine fast zwanzigjährige Odyssee hinter sich. Vom faschistischen Militär verfolgt, war er mit Frau und Kindern zunächst in die Schweiz geflüchtet. Dort ging sein Asylverfahren durch die Instanzen – hoffnungslos.
Noch dazu hatte er auch in der Schweiz ein Strafverfahren am Hals: Er hatte nämlich von kurdischen Geschäftsleuten dort Mitgliedsbeiträge eingehoben für den Widerstand daheim; „Schutzgelderpressung“ nannten das die Schweizer Behörden, verständnislos…
 Mustafa und die Seinen flüchteten nach Deutschland weiter, beantragten dort wieder Asyl. Wieder vergebens; 2001 schob man sie ab in die Türkei. Mustafa wurde am Flughafen Istanbul sofort verhaftet, mit Elektroschocks gefoltert, monatelang eingesperrt.
Denn auch unter dem pseudo-„rotgrünen“ Regime war das Asylrecht in Deutschland nahezu abgeschafft. Allzu gut waren – auch damals – Deutschlands Beziehungen zu Verfolgerstaaten überall auf der Welt.
Eine Zeitlang lebte die Familie in der Türkei nach Mustafas Haftentlassung im Untergrund. Dann flüchteten sie wieder, diesmal nach Österreich. Auch sie ließen sich in Tirol nieder, wo Asylwerber kurze Zeit hindurch legale Arbeit erhielten.
Mustafa fand in Innsbruck einen Job als Pizzakoch. Die Mädchen gehen in die Schule; sie sprechen perfekt Tirolerisch. Das Asylverfahren dauerte auch in diesem Fall jahrelang. Ohne dass – von der Berufung gegen den erstinstanzlich negativen Bescheid bis zur UBAS-Verhandlung – irgendetwas geschah.
Ich begleitete sie zur Verhandlung, die Lehrer hatten Bestätigungen über den guten Schulerfolg der Mädchen vorgelegt; und es gelang mir, dem Richter zu erklären, dass die angebliche „Schutzgelderpressung“ zu lange zurück lag, um angesichts der guten Integration der Familie noch von Bedeutung zu sein.
So haben Mustafa und die Seinen in Tirol nun  endlich einen sicheren Zufluchtsort gefunden. Gerade rechtzeitig noch – bevor der neue Eiserne Vorhang allen Neuzugängen den Eintritt ins „Paradies Europa“ verwehrt…

Asyl für einen Flüchtling aus Nigeria

Was mich besonders freut: Ein Erfolg mit Seltenheitswert. Herr L. aus Nigeria hat Asyl erhalten! Flüchtlinge aus Nigeria werden fast nie anerkannt; gegen sie richtet sich der Generalverdacht des „Asylmissbrauchs“. In diesem Fall aber konnte ich genügend Beweise vorlegen und auch zwei Zeugen stellen, die die Angaben meines Mandanten bestätigten. Wir wünschen Herrn L., seiner Frau und seinen Kindern viel Glück!


Kampf gegen Schubhaft und Dublin

Seit 1. Jänner 2006, dem Tag des Inkrafttretens des Prokopgesetzes, ist fast allen Flüchtlingen, die neu nach Österreich kommen, der Zugang zum Asylverfahren versperrt. Ausgenommen sind nur diejenigen, die auf dem Luftweg einreisen oder einen so guten Schlepper haben, dass sie ohne Behördenkontakt in dazwischen liegenden „Dublin“-Staaten nach Österreich gelangen.

Weggefallen ist die Schutzklausel für Traumatisierte und Folteropfer. Leidtragende sind die am meisten Verfolgten, die „echten“ Flüchtlinge im Regierungsjargon. Sie werden gnadenlos eingesperrt und deportiert.

Asyl in Not hat seit Anfang 2006 bis heute zahlreiche Schubhaftbeschwerden eingebracht. Es war insbesondere das Verdienst von Julia Kux, die diese Notwendigkeit angesichts der geänderten Lage erkannt und die Initiative dazu ergriffen hat. Gemeinsam mit Alex Klingenbrunner hat sie Musterbeschwerden ausgearbeitet, die an alle NGOs verschickt und weiterverwendet wurden.

Fast alle Haftbeschwerden wurden von den „Unabhängigen“ Verwaltungssenaten abgewiesen, sodaß wir mit Hilfe befreundeter Anwaltskanzleien (Dr. Pochieser, Dr. Rainer) Beschwerden an den Verwaltungs- und Verfassungsgerichtshof erheben mußten.

Unser Dank gilt hier besonders Roland Hermann (Kanzlei Dr. Rainer), einem der besten Experten in diesem Bereich, der tagaus tagein, unermüdlich und unentgeltlich Beschwerden schreibt.

In einigen wenigen Fällen ist es mir gelungen, die Aufhebung von Dublinbescheiden durch den UBAS gemäß § 41 Abs 3 AsylG zu erkämpfen. Das ist möglich, wenn das Verfahren erster Instanz so mangelhaft war, daß eine Berufungsverhandlung unumgänglich erscheint.

Dazu ist es nötig, in der Berufung eine große Zahl von Verfahrensmängeln aufzuzeigen: Traumatisierung; Familienbindungen in Österreich; Unsicherheit des Dublinstaates. Jeder einzelne solche Fall bedeutet also einen sehr hohen Arbeitsaufwand. Unser Lohn ist der Erfolg: die Haftentlassung des Flüchtlings.

Aber in einigen (noch anhängigen) Fällen hat die Erstinstanz neue Dublinbescheide erlassen: Beharrungsbescheide, die im Asylverfahren eigentlich nicht vorgesehen sind.  In einem solchen Fall hat der UBAS soeben einen solchen Beharrungsbescheid behoben und die Sache neuerlich an dass Bundesasylamt zurückverwiesen. Wie lange dieses – für die Flüchtlinge zermürbende und erniedrigende – Pingpongspiel weitergehen soll, ist nicht abzusehen.

Immer wieder kommen Klienten zu mir, die schon als Flüchtlinge anerkannt sind, die ich in ihren Verfahren vertreten hatte und die mir daher vertrauen; jetzt ist der Bruder oder die Schwester nachgekommen.  Ich solle ihre Vertretung übernehmen.

Sie sind stets über Dublinstaaten nach Österreich geflüchtet und haben daher keine Chance. Ich kann keinem von ihnen guten Gewissens raten, nach Traiskirchen zu gehen und einen Asylantrag zu stellen. Aber ich habe auch keine Alternative anzubieten. Unterzutauchen, illegal zu bleiben, ohne Aussicht auf Legalisierung, ist für niemanden eine Lösung. Also gehen sie sehenden Auges ins Gefängnis. Ich bin völlig hilflos dabei.

Ein Beispiel für viele: Herr Romzan aus Tschetschenien. Sein Bruder war auch mein Klient. Er ist anerkannter Flüchtling in Österreich. Romzan war zuerst in Polen, aber er fühlte sich dort nicht sicher, weil ihm im Flüchtlingslager Agenten des prorussischen Kadirov-Regimes begegnet waren. 

Bevor er nach Traiskirchen ging, suchte er meinen Rat. Ich schickte ihn zunächst zu Erwin Klasek (Verein Hemayat), einem Psychotherapeuten und Experten für Folteropfer, der eine hochgradige posttraumatische Belastungsstörung zu Folge serieller Traumatisierung feststellte. Aus dem Befundbericht:

„Kein Tag ohne Kopfschmerzen. Er sage sich ‚nicht daran denken’, aber es komme von selbst wieder. ‚Es’ stehe immer vor den Augen. Er wisse nicht, was sie mit ihm gemacht hätten. Es habe alles gegeben, auch E-Schock, aber er erinnere sich so schlecht. Er verstehe die, die ihn gefoltert hätten; sie täten nur ihren Dienst. Deshalb sei Rache kein Thema für ihn. Eigentlich wolle er sterben, ‚zack, Messer hinein’, aber die Religion lasse das nicht zu. Von der Folter könne man Krebs bekommen, das sei das Ende seiner Leiden.“

Wie immer in solchen Fälle, riet ich Herrn Romzan davon ab, nach Traiskirchen zu gehen. Ich sagte ihm, er werde dort mit Sicherheit verhaftet werden. Er solle lieber untertauchen, vielleicht käme irgendwann eine andere Regierung, in Österreich oder in Russland – aber seine Frau war mit ihm geflüchtet, sie ist schwer krank, sie braucht ärztliche Behandlung, und allein wollte er sie nicht nach Traiskirchen lassen. Ich kann das gut verstehen.

Also sind sie zusammen nach Traiskirchen gegangen. Herr Romzan wurde sofort in Schubhaft genommen. Gemäß § 76 Fremdenpolizeigesetz. Weil die „Annahme“ nahe liegt, Polen und nicht Österreich könnte für sein Asylverfahren zuständig sein.

Die Haft hat ihn schwer mitgenommen. Folteropfer einzusperren, ist neuerliche Folter und führt stets zur Retraumatisierung; Frau Prokop, Ministerin für Folter und Deportation, trägt die volle persönliche Verantwortung dafür.

Der Unabhängige Bundesasylsenat (UBAS) hat meiner Berufung stattgegeben. Herr Romzan wird zum Asylverfahren in Österreich zugelassen. Einer der seltenen, mühevoll errungenen juristischen Erfolge.

Aber den meisten können wir nicht helfen. Sie gehen nach Traiskirchen wie die Lämmer zur Schlachtbank. Und das ist das Schlimmste, wenn ich jemanden gehen lasse und ihm sagen muß, ich kann Ihnen nicht helfen, und ich weiß es genau und er weiß es auch, und er wird dort verhaftet, und wir können nichts tun.

Das ist überhaupt der zentrale Punkt: In Wirklichkeit hat die juristische Arbeit nur mehr sehr begrenzten Sinn. Wie schon auf der vorjährigen Generalversammlung berichtet und beschlossen, erhalten die außerjuristischen Aspekte unserer Arbeit immer größeren Stellenwert.


Der Kampf wird in Zukunft wohl noch härter werden. Ich fürchte nämlich: Uns stehen vier Jahre große Koalition bevor – alle Ungeheuerlichkeiten abgesichert mit Zweidrittelmehrheit.

Insbesondere droht eine Verkürzung des Instanzenzugs durch die Einführung des „Asylgerichtshofes“, wodurch der Weg zu den Höchstgerichten unmöglich gemacht werden soll.

Sonst geht alles weiter wie bisher. Menschenrechte werden gebrochen, Unschuldige eingesperrt, Folteropfer in der Schubhaft neuerlich traumatisiert. Vier lange, bleierne Jahre kommen auf uns zu. Für die neuen Auseinandersetzungen müssen wir organisatorisch und mental gewappnet sein.

Wohlgemerkt: Ich bin niemandemböse, der sich diesem Kampf nicht gewachsen fühlt und rechtzeitig geht. Allen, die bleiben wollen, danke ich sehr.

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