Die gute Nachricht: Josef ist frei.
Aber der Prozeß war eine Farce, das Urteil ist ein Justizskandal.
Das Lügengespinst der Anklage ist in sich zusammengebrochen. Nichts davon konnte belegt werden, man wollte Josef zum Sündenbock machen, damit sich jeder, der zu einer antifaschistischen Demonstration geht, davor fürchten muss, auch als Rädelsführer zu gelten. Daher stand Josefs Verurteilung von vornherein fest.
Man hätte sich den Prozeß fast sparen können. Er war ein Manöver, um den Schein zu wahren. Den Staatsanwalt Kronawetter, der am ersten Prozesstag behauptet hatte, die antifaschistischen Demonstranten hätten bürgerkriegsähnliche Zustände geschaffen, und der damit zu angreifbar geworden war, hatte man in der zweiten Runde wohlweislich in den Urlaub entsorgt.
Sein Vertreter, ein gewisser Leopold Bien, war aber um nichts besser. Er verstieg sich dazu, den Demonstranten „Terrorismus“ vorzuwerfen und ausgerechnet Josef „Feigheit“ zu unterstellen. Wie erinnerlich, wurde Josef während seiner Haft der Preis seiner Heimatstadt Jena für Zivilcourage verliehen, weil er neofaschistischen Umtrieben dort entgegen getreten war. Was in Jena, dem Ursprungsort einer tatsächlich terroristischen Nazibande, wohl nicht ganz ungefährlich ist. Josefs Mutter fordert daher mit Recht eine Entschuldigung dieses Bien, von dessen persönlicher Courage die Öffentlichkeit bisher noch nichts mitbekommen hat.
Nun, wenn wir schon das Wort „Terror“ in diesen Zusammenhang stellen wollen: Terror heißt „Schrecken“. Und dieses Instrument möchten manche ganz gerne verwenden: In der Polizei zum Beispiel und in der Justiz. Sie nennen es etwas vornehmer: „Generalprävention“. Es sollen also demokratisch gesinnte Menschen davon „abgeschreckt“ werden, auf Demonstrationen gegen Neonazis oder andere rechte Geschöpfe zu gehen. Das ist das Ziel, das hier verfolgt wird. Aber erreichen werden sie es nie…
Zurück zum Prozeß: Das Urteil stützt sich einzig und allein auf die Aussage eines anonymen Polizeiprovokateurs. Der sich fortwährend in Widersprüche verstrickte. Und der natürlich, um seinen Auftrag nicht zu gefährden, ein Interesse hatte, zu mauern: schon ab den ersten Zweifeln, die an ihn laut wurden, als seine unwahre Behauptung, Josef habe Befehle gerufen, durch ein Sprachgutachten widerlegt worden war.
Dieser Mann hatte, wie gesagt, einen Auftrag. Nämlich: einen Sündenbock zu finden – oder besser gesagt: einen Sündenbock zu schaffen. Josef, auffällig groß, auffällig gekleidet, eignete sich dafür.
Auf den im Prozeß vorgeführten Videos sieht man Josef von hinten, mit weißer Aufschrift, ruhig und gemächlich schlendern. Einmal wird hinter ihm etwas geworfen. Aus den Uhrzeiten ergibt sich, daß der Angriff auf die Polizeiinspektion am Hof vorbei gewesen sein muß, als er dort eintraf.
Kein anderer Zeuge als der anonyme vermummte Denunziant hat gesehen, daß Josef Steine geworfen hätte. Kein anderer hat gesehen, daß Josef die Scheiben der Polizeiinspektion oder des Polizeiautos eingeschlagen oder eine Rauchbombe hineingesteckt hätte.
Nur diese eine feige kleine Denunziant! Der sich nun hinter seiner Dienstnummer versteckt. Und der sich, wir erinnern uns, während der Demonstration, an der er (seiner Aussage nach: immer dicht hinter Josef) vermummt teilnahm, so verdächtig aufführte, daß die eigenen Kollegen ihn verhafteten.
Man wird sich also noch sehr genau anschauen müssen, was damals wirklich geschah. Denn entweder hat dieser vermummte Polizist, so wie er behauptet, nichts Schlimmes getan und ist nur aus Versehen, weil er eben vermummt war und mit den anderen mitgelaufen ist, verhaftet worden. Ja dann ist es aber wohl vielen so gegangen an diesem Abend; ein Beweis mehr, wie leicht Unschuldige verhaftet worden sind von einer wildwütig gewordenen Polizei.
Oder?! Eine andere Variante gibt es ja auch. Eine noch schlimmere. Vielleicht hat er ja wirklich etwas Besonderes getan. Etwas Verhaftungswürdiges. Und sich dann gegenüber den Kollegen, die ihn festnahmen, auf seinen Dienstauftrag berufen. Dann aber stünde fest, daß die Gewalt zu einem wesentlichen Teil von der Polizei geplant wurde und von ihren Provokateuren ausgegangen ist.
Diesem einen Zeugen, dessen Namen, Vorleben, Umfeld und Neigungen wir nicht kennen, obwohl das nicht unwichtig wäre, um seine Glaubwürdigkeit zu prüfen, hat der Richter mehr geglaubt als Josef, einem von seiner Heimatstadt geehrten Preisträger, mehr als dreißig anderen Zeugen, mehr als den Videos. Aber warum mehr geglaubt? Weil er ein Polizeibeamter ist… Daß auch Polizisten lügen, zumindest gleich oft wie andere Leute, kam dem Richter, einem jungen Mann, dessen Lebenserfahrung wir nicht kennen, überhaupt nicht in den Sinn.
Aber der Zeuge hatte ja schon einmal gelogen: Als er sich unter die Demonstrierenden mischte, schwarz vermummt, um nicht erkannt zu werden als Polizist. Er hätte ja sonst seinen Auftrag gefährdet. Warum sollte er also nicht wieder lügen? Er hatte ja seinen Auftrag zu Ende zu führen: einen Sündenbock zu finden. Oder zu erfinden… Dieser Auftrag war sein Motiv.
Wir danken allen denen, die solidarisch waren. Vor einem halben Jahr, nach Josefs Verhaftung, sah es noch sehr düster aus. Damals waren allerlei Gutmenschen sehr besorgt darum bemüht, nur ja nicht anzustreifen… Aber das kennen wir ja leider genau
Seither ist die Welle der Solidarität immer stärker geworden. Daß Josef nun großteils bedingt verurteilt wurde und den Gerichtssaal als freier Mann verlassen konnte, ist ein Ergebnis des Umschwungs der öffentlichen Meinung, auf die die Justiz sehr genau achtet. Insofern ist der Prozessausgang trotz allem ein halber Sieg.
Die geplante Abschreckung und Einschüchterung wird nicht gelingen. Wir werden immer wieder kommen. Wir wissen, daß wir alle gemeint sind. Und wir geben nicht auf.
Michael Genner
Obmann von Asyl in Not
Samstag, 26. Juli 2014, 18 Uhr
Stephansplatz, 1010 Wien
Demonstration gegen die Kriminalisierung von Antifaschismus
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https://asyl-in-not.org/php/prozess_josef_s_eine_justizfarce,20714,35765.html