Der Jetzige
Ich hatte ja schon mit einigen seiner Sorte zu tun und habe meinen Beitrag geleistet, den einen oder die andere aus dem Verkehr zu ziehen. Aber zum Jetzigen ist mir bisher noch nichts eingefallen. Seine Auslassungen sind so jenseitig, so krank und außerhalb alles dessen, womit man sich noch auseinandersetzen kann, daß einem die Worte fehlen. Ich versuche es jetzt doch, aber (schon aus hygienischen Gründen) möglichst ohne allzu direkt anzustreifen. Dabei stütze ich mich auf meine persönlichen Erfahrungen seit meiner frühen Jugendzeit.
Hierzulande (wie auch anderswo) geht vom Staatsapparat, besonders von der Polizei, eine strukturelle Gefahr für Freiheit und Demokratie aus. In Österreich hat man das 1927 und 1934 gesehen, in der Nazizeit dann sowieso. Aber auch nach 1945 gab es keine demokratische Strukturreform. Alte Nazis und Austrofaschisten besetzten die führenden Positionen im Staatsdienst auch weiterhin. Sie standen jeder Wende zum Besseren im Weg.
Bruno Kreisky, der die Gefahr erkannte, aber dennoch nie den Hebel ansetzte, um das Übel aus den Angeln zu heben, warnte daher (wie sein Sohn Peter berichtete) davor, daß es „parallel zu den Zwanzigerjahren schnell zu einer Allianz zwischen großen Teilen des Sicherheitsapparates und politisch reaktionären Kräften kommen könne“.
So hatten wir 1963-1964 einen Innenminister, vormals gelben Gewerkschaftsboss und Streikbrecherführer namens Olah, der nahe daran war, einen autoritären Führerstaat zu errichten, gestützt auf rechte Elemente in der Polizei und auf die mit gestohlenen Gewerkschaftsgeldern von ihm mitgegründete Achse Kronenzeitung-FPÖ.
Franz Olah war Antisemit und für einige meiner damaligen Schulkollegen schon deshalb ein großer Held. Die Konflikte im Gymnasium, seinetwegen wie auch wegen des Naziprofessors Borodajkewicz, waren meine frühesten politischen Erfahrungen und haben mich geprägt.
Es war das große Verdienst des damaligen Justizministers Christian Broda, eines alten Widerstandskämpfers, daß er Olah zu Fall brachte. Broda nahm dafür nicht nur die wüste Hetze der Kronenzeitung, sondern auch die physische Gewalt faschistischer Schläger in Kauf.
Hilfreich (wenn auch nicht allein ausschlaggebend) war ein psychiatrisches Ferngutachten, das Olah erhebliche Störungen bescheinigte und den scheinbar allmächtigen Polizeiminister so aus der Reserve lockte, daß er ein unüberlegtes Interview für die „Presse“ gab und damit selber seinen Sturz provozierte.
Olah kam dann wegen der veruntreuten Gewerkschaftsgelder hinter Gitter. Aber sein System, die Achse Krone-FPÖ, bestand weiter und vergiftet noch heute das politische Leben in diesem Land.
Nach ihm kamen und gingen viele andere Minister in der Herrengasse ein und aus. Zwei von ihnen, Erwin Lanc und Caspar Einem, waren aufrechte Demokraten und versuchten, das Beste zu machen aus ihrem schwierigen Amt.
Die sonstigen habe ich mir kaum gemerkt; die meisten gefielen sich im Lob der Kronenzeitung für ihren jeweiligen Beitrag zur Zerstörung des Menschenrechts auf Asyl.
Wir bekämpften sie der Reihe nach, ohne Ansehen der Person. Ihre Anschläge auf die Menschenrechte, auf die Verfassung haben wir immer wieder abgewehrt. Nach jedem Sturz, zu dem ich beitrug, machte ich mir eine Kerbe in den Kugelschreiber. Löschnak, Strasser, Fekter… Wer noch? Manchmal kam mir auch jemand anderer zuvor.
Der Jetzige ist zumindest so verhaltensauffällig wie der seinerzeitige Olah. Nur ohne dessen Charisma. Da haben sie wirklich den Allerletzten daher geholt.
Er möchte also die Versammlungsfreiheit abschaffen und Notverordnungen erlassen. Er möchte gerne schutzsuchende Menschen ohne jegliches Verfahren zurückweisen und in unsichere Dublinstaaten wie Ungarn deportieren, wo sie sofort hinter Gitter kommen, bis man sie weiterschiebt, ins Ungewisse. Er möchte Demonstrationen verbieten, wenn sie „den Geschäftsinteressen schaden“.
Mit dieser Logik kann man natürlich auch jede Demonstration für höhere Löhne untersagen. Höhere Löhne könnten den Geschäftsinteressen der Unternehmer, die sie bezahlen müssen, schaden, oder nicht?
Natürlich werden wir auch den da überstehen, wie schon die vorherigen. Aber dazu bedarf es auch diesmal wieder großer Anstrengungen. Besonders die Gewerkschaften (manche haben sich ja schon zu Wort gemeldet) sollten sich überlegen, welchen Beitrag sie jetzt leisten könnten zum Schutz der demokratischen Republik. Aber auch ein tüchtiger Psychiater könnte vielleicht wieder einmal nützlich sein.
Michael Genner
Obmann von Asyl in Not
5. Februar 2017
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Literatur:
Maria Wirth, „Christian Broda. Eine politische Biographie“, Wien 2011, S. 270-275
Peter Kreisky, „Kreisky und Kreisky“, in: Franz Richard Reiter, „Wer war Bruno Kreisky? Dokumente, Berichte Analysen“, Wien 2000, S. 149
Michael Genner, „Verleitung zum Aufstand. Ein Versuch über Widerstand und Antirassismus“, Wien 2012, S. 12 f., 27.