Die Hoffnung stirbt zuletzt – noch nach unseren Klienten

Rustam A kam zusammen mit seiner Frau, da er in Tschetschenien aus politischen Gründen verfolgt wurde, im Juli 2008 über Polen nach Österreich, wo seine erwachsenen Kinder als anerkannte Flüchtlinge leben.

Bei einer Untersuchung stellte sich heraus, dass er unter Leukämie leidet – sofort wurde eine Therapie eingeleitet. Im Jänner 2009 beschloss dennoch der Asylgerichtshof seine Ausweisung nach Polen: weg von den Kindern, während laufender Therapie!

In Polen drohte ihm eine lebensbedrohliche Unterbrechung, ja sogar ein völliges Verweigern der Behandlung aus Kostengründen. So erging es der HIV-positiven Fatima K, der man die Behandlung verweigerte, weil sie ohnehin schon eine Leiche sei. So ging es auch vielen anderen nach Polen Abgeschobenen, den schönfärberischen Berichten der Asylbehörden zum Trotz.

Eine Abschiebung nach Polen ist für ihn also mit Lebensgefahr verbunden. Daher entschloss er sich zu einem weiteren Asylantrag, den er mit einer Verschlechterung seines Gesundheitszustandes begründete. Es ging ihm nämlich, bedingt durch die unsichere Situation und den damit verbundenen Stress, viel schlechter, die Medikamente schlugen kaum mehr an.

Damals war die (in der Dublin-Verordnung vorgesehene) sechsmonatige Überstellungsfrist beinahe abgelaufen, sodaß Österreich zur Führung des Asylverfahrens zuständig geworden wäre.

Statt aber den Asylantrag wie in zahllosen anderen Fällen nunmehr zuzulassen, stellte das Bundesasylamt eine rechtswidrige, weder durch das österreichische Gesetz noch durch die Dublin-Verordnung gestützte Anfrage an Polen, ob Rustam und seine Frau auch nach Ablauf der Überstellungsfrist rückübernommen werden. Polen stimmte zu.

So wurde im Februar 2009 der Asylantrag ein weiteres Mal wegen Zuständigkeit Polens zurückgewiesen. Unsere Beschwerde wies der Asylgerichtshof im März 2009 ab, ohne auf die relevanten Punkte (Verschlechterung der Krankheit, Lebensgefahr durch drohende Unterbrechung der Therapie, Unzulässigkeit der Abschiebung nach Ablauf der Überstellungsfrist) einzugehen.

Über eine Rechtsanwältin brachten wir eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ein. Dieser erkannte nach kurzer Zeit die aufschiebende Wirkung zu, was den Klienten und uns hoffen ließ, die Beschwerde würde zumindest behandelt werden.

Weit gefehlt: Selbst in einem Fall wie diesem, wo es um das Leben eines Menschen geht und grundlegende Verfahrensvorschriften willkürlich verletzt wurden, konnte der Verfassungsgerichtshof keine Gefährdung verfassungsgesetzlicher Rechte sehen. Die gerügten Rechtsverletzungen wären bloß eine „allenfalls grob unrichtige Anwendung des einfachen Gesetzes“ – die Behandlung der Beschwerde wurde abgelehnt.

Der Verfassungsgerichtshof gesteht also ein, dass allenfalls sogar in gravierender Weise Gesetze verletzt wurden, was einen Akt der Willkür und damit einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz, ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht, darstellt. Trotzdem lehnt er die Behandlung der Beschwerde ab.

Damit hat er neben seinem Unwillen, sich mit krassen Asylfällen auseinanderzusetzen, einmal mehr bewiesen, wie notwendig es ist, den Verwaltungsgerichtshof als Kontrollinstanz wieder einzuführen.

Jeder Strafzettel, bei dem es um einen noch so geringen Betrag geht, kann beim Verwaltungsgerichtshof bekämpft werden. Aber offenbar wird die Wertigkeit der Rechte und des Lebens gesellschaftlich unerwünschter Menschen geringer eingestuft als jene eines falsch geparkten Wagens.

Rustam A wird also nach Polen abgeschoben. Ob er dort stirbt, ist dem Verfassungsgerichtshof egal.

Mag. Judith Ruderstaller

Leiterin der Rechtsabteilung von Asyl in Not

www.asyl-in-not.org

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Kontonummer 5.943.139, Asyl in Not

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