Der Terror in Norwegen ist Teil einer rassistischen Offensive, die weite Teile Europas erfasst.
Dabei haben wir es mit einer Arbeitsteilung dreier Elemente zu tun:
Regierungen machen rassistische Gesetze, um die „Fremden“ in einem Zustand der Rechtlosigkeit zu halten und eine „Festung Europa“ aufzubauen (übrigens: auch im ehemals liberalen Norwegen wurde vor kurzem das Asylrecht verschärft);
rechte Gruppen, Bewegungen und Parteien schüren den Haß gegen Fremde und mobilisieren den Druck von unten, den die Regierungen brauchen, um ihre Gesetze durchzuziehen;
militante Täter üben Terror aus, um antirassistische Kräfte abzuschrecken. Dabei ist es belanglos, wie irre diese Mörder sind; auch sie spielen nur die ihnen zugedachte Rolle im schmutzigen Spiel.
Alle drei Elemente (so sehr sie einander mitunter auch hassen mögen) dienen einem gemeinsamen Zweck: der Zerstörung der Freiheit und Gleichheit, der Abschaffung der Menschenrechte und der Demokratie.
Ein solches Spiel mit verteilten Rollen hatten wir schon einmal: in den Neunzigerjahren in Österreich.
Damals hatten Löschnak und Matzka das Asylgesetz und das Fremdenrecht (1991/93) massiv verschärft; zugleich hatte Haider die FPÖ mit rassistischen Parolen zur Massenpartei gemacht (Löschnak galt als „Haiders bester Mann in der Regierung“); 1993 setzte der Briefbombenterror ein und kulminierte 1995 mit dem Mord an den Roma von Oberwart.
Übrigens: auch damals hat man versucht, den faschistischen Terror zu verharmlosen, indem man ihn einem wahnsinnigen „Einzeltäter“ zuschrieb.
Die damalige Arbeitsteilung hatte aber keinen nachhaltigen Erfolg. Die große Mehrheit der anständigen Menschen ließ sich nicht einschüchtern.
1995 stürzte Löschnak über sein skandalöses Vorgehen gegen die Roma (Hausdurchsuchungen bei den Familien der Opfer!). Sein Rücktritt war aber auch ein später Sieg des 1993 von SOS Mitmensch gegen Haiders Anti-Ausländervolksbegehren organisierten Lichtermeeres.
Der folgende Innenminister Caspar Einem (1995 – 1997) schuf (in Zusammenarbeit mit uns NGOs) ein besseres, menschenrechtskonformes Asylgesetz.
Zwar erreichte die FPÖ 1999 mit einem massiv fremdenfeindlichen Wahlkampf ihren bis dahin größten Erfolg. Aber die Massendemonstrationen gegen Schwarz-Blau Anfang 2000 (in Verbindung mit den Maßnahmen der Europäischen Union) verhinderten zunächst auf mehrere Jahre eine Verschärfung des Asyl- und Fremdenrechts.
Diese setzte erst 2004 (mit Strassers Novelle) und 2006 (Prokops Antifremdenrechtspaket) ein, wurde aber durch unseren politischen und rechtlichen Widerstand wenigstens teilweise erfolgreich bekämpft.
Daher ist es kein Wunder, daß der Mörder von Oslo gerade Österreich als Beispiel für ein Scheitern des legalen Wegs der Rechten zur Macht anführt.
Aber es gibt keinen Stillstand der Geschichte. Jedem Sieg der Menschenrechte folgt ein rechter Gegenschlag.
Daher hat Asyl in Not schon 2009 angesichts des EU-Wahlkampfes und des damaligen blauen „Comic“-Hefts eine Strafanzeige gegen die FPÖ wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung eingebracht und ein Verbot dieser Partei verlangt.
Damals brachte auch die Initiative „Lichterkette“ tausende Menschen zum Protest gegen rechte Hetze auf die Ringstraße vor das Parlament.
Dennoch wurde unsere Anzeige von der weisungsgebundenen Staatsanwaltschaft „zurückgelegt“. Auf die Querverbindungen staatlicher Behörden zu den Rechten werden wir noch oft zu sprechen kommen.
Sehr genau wird zu untersuchen sein, welche Verbindungen es zwischen norwegischen Plattformen, auf denen der Mörder seine Hetze ungestraft öffentlich machte, und der österreichischen Rechten gibt. Einer extremen Rechten, die noch immer unter dem Schutz des tiefen Staates operiert.
Statt die FPÖ zu bekämpfen, mißbrauchen nun Teile der Regierung die Gelegenheit, um verschärfte Befugnisse zu fordern, die auf einen Polizeistaat abzielen. Auch das ist ein Teil des Rollenspiels.
Das geplante „Anti-Terror-Gesetz“ wird sich offenbar nicht gegen die rechten Hetzer und Mörder, nicht gegen den Rassismus in den Strukturen richten, sondern gegen die Zivilgesellschaft, gegen die Medienfreiheit, ja gegen die Freiheit insgesamt.
Unsere Antwort auf den rechten Angriff muß verstärkte Mobilisierung sein: eine geistige, politische Aufrüstung im Kampf für die Menschenrechte und die Demokratie.
Dabei vergessen wir aber auch nicht den real existierenden Islamismus, vor dem so viele unserer KlientInnen geflüchtet sind. Auch ihn gilt es zu bekämpfen, mit gleicher Entschlossenheit, wie wir den heimischen Faschismus zu bekämpfen haben.
So kompliziert sind die Dinge nun einmal. Unser Grundsatz lautet daher: Viel‘ Feind‘ – viel Ehr‘. Aber auch: Alles zu seiner Zeit…
Michael Genner
Obmann von Asyl in Not
Spendenkonto:
Raiffeisen (BLZ 32000)
Kontonummer 5.943.139, Asyl in Not
Quellen:
http://www.norwegen.no/News_and_events/germany/policy/politicalnews/asylpolitik08/
http://www.derwesten.de/nachrichten/Auch-Norwegen-hat-Grenzkontrollen-verschaerft-id4844104.html