Alltägliche Abschiebungen
Asyl in Not veröffentlicht einen Brief von Ursula Omoregie, Obfrau des Vereins „Schmetterling“, über die Massenabschiebung am 21. Jänner 2010, der auch drei ihrer Vereinsfußballer zum Opfer fielen. Alltag in Österreich…
Der Verein „Schmetterling“ wurde 2006 gegründet, um Flüchtlingen Lebenshilfe zu geben; sportliche und kulturelle Aktivitäten stehen dabei im Vordergrund.
Ursula Omoregie,
Nachruf zur Abschiebung am 21. Jänner 2010
Bei dieser Massenabschiebung mussten erstmals auch Mitglieder von „Verein Schmetterling“ das Land verlassen:
IBETO Sunday, IDAHOSA George und AGBO Jude!
Sunday war seit der Vereinsgründung 2006 bei uns als Fussballer aktiv. Er war dreimal in Schubhaft, zuletzt seit 25.11.09 im PAZ Rossauerlände. Er begann vor zwei Wochen einen Hungerstreik, obwohl er aufgrund der Schubhaft bereits körperlich geschwächt war, er verlor pro Tag einen Kilo seines Körpergewichtes. Am Tag seiner Abschiebung betrug sein Blutzuckerwert 48 und er hatte 14 kg abgenommen !
Bei meinem letzten Besuch am Samstag, den 16.01., war er am Morgen des selben Tages kollabiert, sein Blutdruck betrug 218/128, was die Gefahr eines Schlaganfalls bedeutete. Kein Arzt hat sich darum gekümmert. Er selbst war bereits kaum in der Lage, mir zuzuhören, und sichtlich abgemagert.
George hat während seines Aufenthalts in Österreich verschiedenste Ausbildungen absolviert wie einen Universitäts-Deutschkurs und eine Ausbildung an der Kunstakademie. Er war unser Video-Mann und hat unsere Veranstaltungen bildlich festgehalten.
Während er seit September 2009 im PAZ Rossauerlände in Schubhaft war, ist aufgrund der Isolation eine psychische Erkrankung ausgebrochen. Es wurde eine schwere Psychose diagnostiziert und er wurde vom Verein „Dialog“ ärztlich betreut und medikamentös behandelt.
Bei vorhergehenden, von „FRONTEX“ europaweit organisierten Massenabschiebungen hatte ihn seine Rechtsvertretung durch Haftbeschwerden vor der Abschiebung bewahrt. Am 21. Jänner gab es keine Rettung mehr.
Jude hat in Wr. Neustadt mit seiner Freundin gelebt, die Hochzeit war geplant. Er war zwei Wochen in Schubhaft und in Hungerstreik. Sein Blutzuckerwert am Tag der Abschiebung betrug 37, sein Körpergewicht 49 Kilo.
Diese Werte sind schwerst gesundheitsgefährdend und erfordern eine Intensivbehandlung im Krankenhaus. Aber dieses Recht auf Gesundheit steht Menschen in der Schubhaft offenbar nicht zu!
Es war auch dem Rechtsvertreter nicht mehr möglich, am Tag der Abschiebung seine Klienten zu sehen; es wurde ihm verwehrt, weil sie schon in der „Sicherheitszelle“ auf den Abflug warten mussten.
Offenbar hat eine amtsärztliche Untersuchung ergeben, dass alle „flugtauglich“ waren… Um 21 Uhr bestiegen sie den Airbus in Richtung zu einer Stadt in Europa, von dort ging es weiter Richtung Lagos/Nigeria !
Um 21:10 Uhr erhielt ich den Anruf eines Rechtsvertreters, der bis dahin im Polizeianhaltezentrum Rossauerlände anwesend war: „Wir haben verloren, alle mussten den Airbus besteigen!“
Es stellen sich für mich einige Fragen:
Warum hassen wir Menschen so, die schon jahrelang hier leben? Die jedoch keine Chance auf Aufenthalt bekommen, deren einzige Perspektive darin besteht, in Schubhaft zu kommen und abgeschoben zu werden!
Was denken sich die Menschen in Nigeria, welche die Abgeschobenen in Empfang nehmen, wenn sie kranke Menschen sehen? So bringen wir die Menschen zurück in ihr Land!
Warum wird der Meinung des Menschenrechtsbeirates sowenig Gewicht beigemessen, der die Zustände in der Schubhaft kritisiert hat?
Warum zählt die Meinung des so genannten „Verein Menschenrechte“ mehr?
Dieser „Verein Menschenrechte“ begleitet die Abgeschobenen auf dem Transport und berichtet dann über eine Rückführung ohne Komplikationen!
Wer macht sich Gedanken, wie es mit den Zurückgebrachten weitergeht?
Ein Zeitzeuge hat in einem Interview im „Falter“ 2008 darüber berichtet, dass Abgeschobene ins Gefängnis kamen und dann nur gegen Kaution freigelassen wurden. In Gefängnissen in Nigeria ist man allem, was jemandem angetan werden kann, hilflos ausgeliefert! Trotzdem steht in den negativen Bescheiden, dass Nigeria ein demokratisches Land ist und die Menschenrechte achtet.
Sind Asylwerber oder Menschen ohne legalen Aufenthalt keine Menschen, sondern nur eine Aktenzahl?
Die Bürokratie hält sich eisern an gesetzliche Vorgaben! Es wird immer weniger Rücksicht genommen auf die Biographie des Einzelnen! Zurückbleiben nach einer Abschiebung verzweifelte PartnerInnen, Freunde und Bekannte, die einen Menschen, der zu ihrem Leben gehörte, verloren haben!
Ich spreche für die Abgeschobenen, für alle, die sich bemühen, Menschen vor der Abschiebung zu retten, und für alle persönlich Betroffenen.
Ursula Omoregie
Obfrau des Vereins “Schmetterling”
Rückfragen an:
Ursula.omoregie@chello.at