Kenan S. darf „freiwillig ausreisen“.
Innenministerium pfeift Fremdenpolizei zurück.
Unsere LeserInnen erinnern sich: Kenan S., Familienvater und Menschenrechtsaktivist aus der Türkei, sollte am 21. Juni 2012 abgeschoben werden. Das konnten wir durch eine Protestaktion mehrerer Menschenrechtsgruppen am Flughafen und durch das Eingreifen beherzter Fluggäste verhindern.
Kenan S. darf „freiwillig ausreisen“.
Innenministerium pfeift Fremdenpolizei zurück.
Unsere LeserInnen erinnern sich: Kenan S., Familienvater und Menschenrechtsaktivist aus der Türkei, sollte am 21. Juni 2012 abgeschoben werden. Das konnten wir durch eine Protestaktion mehrerer Menschenrechtsgruppen am Flughafen und durch das Eingreifen beherzter Fluggäste verhindern.
Kenans Frau studiert und arbeitet in Wien; ihr kleines Kind ist herzkrank und auf ständige Betreuung durch beide Eltern angewiesen.
Kenans Asylantrag war von der (uns zur Genüge bekannten) Türkei-Abteilung des Asylgerichtshofes abgewiesen worden; seinen Antrag auf ein Studentenvisum lehnte die MA 35 ab, weil dieser Antrag nicht im Inland, sondern nur bei der österreichischen Botschaft gestellt werden dürfe.
Dagegen hatte Kenan Berufung eingebracht: eine Trennung von Frau und Kind sei ihm nicht zumutbar.
Diese Berufung wies das Innenministerium, wenige Tage nach der Aktion am Flughafen, ebenfalls ab, jedoch mit der Begründung, Kenan sei die (freiwillige) Ausreise deshalb zumutbar, weil er dann ohnedies innerhalb weniger Wochen sein Visum bekommen könnte.
Wir beschlossen, das Ministerium beim Wort zu nehmen. Zur Sicherheit fragte Alev Korun, Menschenrechtssprecherin der Grünen, im Kabinett des Innenministeriums an, ob es ernst gemeint sei, und erhielt die Antwort, es liege kein Rückkehrhindernis vor. Sollte Kenan von der Türkei aus seinen Antrag stellen, habe die MA 35 darüber zu entscheiden.
Kenan ging daher auf meinen Rat zur Rückkehrhilfe der Caritas; diese setzte, wie üblich, die Fremdenpolizei in Kenntnis, daß seine freiwillige Ausreise in die Wege geleitet sei. Kenan beantragte bei der türkischen Botschaft einen Reisepaß (was sechs Wochen dauern kann) und kaufte ein Flugticket für 26. September.
Statt ihn bis dahin in Ruhe zu lassen, fiel letzten Montag, am 23. Juli, die Fremdenpolizei über die unglückliche Familie her, um Kenan abzuschieben. Durch einen glücklichen Zufall war er nicht daheim; aber seine Frau und sein krankes Kind wurden in Angst und Schrecken versetzt.
Die Aktion der Fremdenpolizei hatte das offenkundige Ziel, die freiwillige Ausreise Kenans zu verhindern. Und zwar aus einem besonders infamen Motiv:
Nur eine freiwillige Ausreise ermöglicht Kenan nämlich den sofortigen Antrag auf ein Visum und eine rasche Wiederkehr. Im Falle einer zwangsweisen Abschiebung hingegen kann der Antrag frühestens nach achtzehn Monaten gestellt werden, sodaß die Familie auf lange Zeit zerrissen würde.
Eben das bezweckten offenbar jene Elemente in der Fremdenpolizei, die für den Überfall am 23. Juli verantwortlich sind.
Hinzu kommt, daß die Ankunft in der Türkei für Kenan im Fall seiner Abschiebung weitaus riskanter wäre als bei freiwilliger, legaler Rückkehr mit gültigem Reisepaß. Er müßte damit rechnen, am Flughafen verhaftet und verhört zu werden. Wie Verhöre dort aussehen, ist hinlänglich bekannt.
Asyl in Not und viele andere besorgte MitbürgerInnen haben gegen den Abschiebeversuch protestiert. „Der Standard“ berichtete. Die Fremdenpolizei behauptete, ihr sei von Kenans Ausreisewillen nichts bekannt…
Ich schickte dem Innenministerium eine Kopie des Flugtickets samt der Bestätigung über Kenans Rückkehrplan, die die Caritas-Rückkehrhilfe schon vor Wochen der Fremdenpolizei übermittelt hatte.
Am Mittwoch, dem 25. Juli, schrieb mir das Innenministerium, daß die fremdenpolizeilichen Zwangsmaßnahmen gegen Kenan bis zu seiner freiwilligen Ausreise ausgesetzt sind.
Wir freuen uns, daß es dem Innenministerium in diesem Fall gelungen ist, den Extremisten in der Fremdenpolizei einen Riegel vorzuschieben. Aber zufrieden geben wir uns damit nicht. Offenbar gibt es am Hernalser Gürtel zu viele Beamte, die nichts Wichtiges zu tun und daher Zeit genug haben, ihren Neigungen zu frönen.
Allen, die sich an den Protesten beteiligt haben, danken wir sehr.
Kenan wird am 26. September in die Türkei reisen und wir werden uns darum kümmern, daß ihm dort nichts passiert. Er wird dann bei der österreichischen Botschaft seinen Antrag stellen, über den die MA 35 zu entscheiden hat. Wir werden weiter wachsam sein.
Michael Genner
Obmann von Asyl in Not
http://derstandard.at/1342947413208/Abschiebung-trotz-Rueckkehr
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