Taslina ist 2009 aus Tschetschenien geflüchtet, weil ihr Bruder verhaftet worden war. Auch hatte sie im Krieg viele Bombenangriffe erlebt, wäre einmal fast entführt worden von einem russischen Offizier. Es ging ihr aus allen diesen Gründen psychisch gar nicht gut. Mittlerweile ist ihr noch so manches andere widerfahren.

Sie flüchtete nach Belgien, weil dort ihre Schwester lebt. Belgien schob sie nach Polen zurück, weil das der erste „Dublin“-Staat war, den sie betreten hat. Daß ihre Schwester belgische Staatsbürgerin ist und ihr helfen könnte, sich rasch zurechtzufinden und zu integrieren, war den dortigen Behörden egal.

In Polen war Taslina zwei Monate in Schubhaft. Da sie von diesem ach so „sicheren Dublin-Staat“ somit nicht Gutes erlebt hatte, flüchtete sie postwendend zu ihrer Schwester nach Belgien zurück.

Dort lebte sie eine Weile, von den Behörden unbemerkt (oder sie drückten einfach ein Auge zu). Eines Tages lernte sie Herrn Salman kennen, einen Tschetschenen, der in Österreich asylberechtigt ist, für eine österreichische Firma arbeitet und öfters nach Belgien auf Montage fährt.

Die beiden fanden zusammen, Taslina wurde schwanger, Salman nahm sie im Juli 2011 nach Österreich mit. Natürlich „illegal“ im Amtsjargon, was denn sonst? Hätte sie auf ein Visum warten sollen? Das hätte sie doch nie bekommen.

Sie verbrachten zuerst ein paar Wochen halbwegs unbeschwert; dann erst, Anfang September, ging sie nach Traiskirchen und stellte einen Asylantrag.

Sie gab an, gerade erst aus Belgien gekommen zu sein. Aber der Traiskirchner Fremdenpolizist Nikolaus Schantl nahm ihr das Handy weg und stellte an den darauf gespeicherten Fotos fest, daß sie schon im Juli in Österreich gewesen sein mußte. Er verhaftete sie.

Nikolaus Schantl ist einer, der so gern ein Schäuferl nachlegt zum ohnedies herrschenden Unrecht; dafür haben wir ihn schon öfters an den elektronischen Pranger gestellt. In einer anderen Sache prüft derzeit die Wiener Neustädter Staatsanwaltschaft eine von Rechtsanwalt Dr. Herbert Pochieser eingebrachte Strafanzeige gegen ihn wegen Freiheitsberaubung und Amtsmißbrauchs.

Für Taslinas Verhaftung gab es nicht den geringsten Grund. Sie wohnte bei ihrem Mann, er sorgte für sie, es gab keinen Grund zur Annahme, sie würde sich „dem Verfahren entziehen“.

Salman wandte sich an Asyl in Not. Meiner Schubhaftbeschwerde gab der Unabhängige Verwaltungssenat Niederösterreich (sonst nicht für flüchtlingsfreundliche Entscheidungen bekannt) sofort statt. Taslina wurde aus der Haft entlassen und lebt seither wieder in St. Pölten bei ihrem Mann.

In der Schubhaft hatte Salman sie mit einem islamischen Geistlichen besucht, der die rituelle Trauung durchführte. Mittlerweile heirateten sie auch in St. Pölten auf dem Standesamt.

Ich begleitete Taslina zur Einvernahme in die Traiskirchner Erstaufnahmestelle. Wir gaben zu Protokoll, daß sie schwanger sei, ihr Kind jedenfalls (wie sein Vater) asylberechtigt sein werde, daß daher ihre (vom Asylamt angekündigte) Ausweisung nach Polen menschenrechtswidrig sei. Die Einvernahme wurde vertagt.

Salman, der einen festen Arbeitsplatz hat, wollte Taslina mitversichern. Ihre Schwangerschaft war problematisch, sie hatte Schmerzen und brauchte einen Arzt. Aber die Gebietskrankenkasse weigerte sich: Mit der „grünen Karte“ (Zulassungsverfahren) hätte sie keinen Anspruch darauf…

Salman brachte sie ohne Versicherung ins Krankenhaus St. Pölten. Zu spät; sie erlitt eine Fehlgeburt. Ursache dafür war ohne Zweifel der Stress der vergangenen Monate, die Schubhaft, die Angst vor der Trennung von ihrem Mann. Taslina geht es psychisch noch viel schlechter als zuvor; eine Klinische Psychologin hat Posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert.

Für das Leid, dass ihr durch die Schubhaft und den Verlust des Kindes zugefügt wurde, hat Österreich sie bisher nicht entschädigt; im Gegenteil: Das Krankenhaus schickte Herrn Salman eine Rechnung über 2400.- Euro.

Salman hat jetzt doch erreicht, daß sie bei ihm mitversichert ist. Ein Fremdenpolizist, bei dem er sich beschwerte, hatte ein Einsehen: Er riet Salman, noch einmal zur Krankenkasse zu gehen und zu sagen, er komme von ihm… So hat es funktioniert.

Rechtliche Schritte gegen die Gebietskrankenkasse behalten wir uns vor; Herr Salman wird die 2400 Euro nicht bezahlen.

Aber jetzt steht das Entscheidende bevor: wird Taslina bei ihrem Mann in Österreich bleiben dürfen? Inzwischen mußte sie noch dreimal nach Traiskirchen fahren, zweimal mit mir zu Einvernahmen, einmal zur dortigen Ärztin, die (im Gegensatz zur klinischen Psychologin) lediglich eine „kurze depressive Reaktion“ feststellen konnte…

Das Asylamt beabsichtigt also nach wie vor, Salman und Taslina auseinanderzureißen. Obwohl Taslina nach der Fehlgeburt mehr denn ja die Nähe und Fürsorge ihres Mannes braucht.

Bei Redaktionsschluß gibt es noch keinen Bescheid. Aber das Asylamt beabsichtigt, Taslina nach Polen abzuschieben. In ein Land, wo sie niemanden hat, von dem sie nichts kennen gelernt außer dem Schubgefängnis, in dem sie zwei Monate eingesperrt war.

Dagegen wird Asyl in Not mit allen rechtlichen und politischen Mitteln vorgehen, die uns zur Verfügung stehen. Über den weiteren Verlauf werden wir berichten. Bitte beachten Sie die Berichte auf unserer Homepage: www.asyl-in-not.org.

Protestschreiben richten Sie bitte an Innenministerin Mikl-Leitner, ministerbuero@bmi.gv.at, zur Aktenzahl 11 10.101 East Ost (Taslinas und Salmans Namen haben wir geändert, aber die Zahl reicht zur Identifizierung aus).

Michael Genner,

Obmann von Asyl in Not

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