Folter in Tschetschenien.
Folter in Österreich.

Herr A. sitzt im Gefängnis in Eisenstadt. Er war bei mir, bevor er nach Traiskirchen ging. Sein Bruder L. war auch mein Klient und hat Asyl erhalten. Unter dem alten Gesetz. Als es fast noch so etwas wie einen Rechtsstaat gab.

Seit 1. Jänner gilt aber das neue, das Prokopgesetz. Ich sagte zu Herrn A.: „Man wird Sie verhaften, wenn Sie nach Traiskirchen gehen. Es ist besser, Sie tauchen unter. Vielleicht können wir Ihnen helfen dabei.“

Herrn A,’s Frau war mit ihm geflüchtet; sie war im neunten Monat schwanger. Herr A. sagte, sie müsse nach Traiskirchen, damit sie grundversorgt sei und das Kind im Spital zur Welt bringen könne. Und allein lasse er sie nicht ins Lager gehen.

Ich riet ihm, zuerst Herrn K., einen bekannten Psychotherapeuten (Verein Hemayat), aufzusuchen. Aus dessen psychotherapeutischem Bericht:

„Es zeigte sich ein zunächst verschlossener Mann mit depressivem Erscheinungsbild, der auf Nachfrage erklärte, er sei wegen Schlafmangels sehr erschöpft. Als Grund dafür gab er an, nach dem Hinlegen von Erinnerungen, später auch von Albträumen geplagt zu werden. Sein Bruder fügte hinzu: Er schreie im Schlaf, sei dann nassgeschwitzt und unorientiert.

„Inhalt der Albträume? Die Leiche seines anderen Bruders mit Folterspuren und Einschüssen, Maskierte. Danach habe er Angst, sie kämen auch zu ihm, und müsse sich über längere Zeit beruhigen. Er habe zu Hause bekleidet geschlafen, um jederzeit fliehen zu können. Hier habe er es anders versucht, das gehe aber nicht, denn die Angst bleibe.

„Er selbst sei zweimal verhaftet worden, sei befragt und erniedrigt worden. Er habe sich schon als Leiche gesehen, Todesangst ausgestanden. Beschreibt Folter in einem Keller, der auch Toilette für die ihn Verhörenden war. (Der Bruder springt wortlos auf und eilt aus dem Zimmer). Handbetriebener Stromgenerator, Schlagstock aus Gummi, Fußtritte. (Atmet schwer, hat feuchte Augen).

„Weiters beschreibt Herr A. Herzschmerzen, taube Arme, Schwindelgefühl und schwache Beine, Atembeklemmungen, erhöhten Puls – alles in Zusammenhang mit belastenden Erinnerungen. Er könne nicht allein sein, besonders in der Nacht. Beschreibt Einengung, Sinnverlust, Todessehnsucht. Es sei auch möglich, daß er über Selbstmord nachdenke. Schon das Geräusch eines Flugzeuges treibe ihn in Panik, sein Dorf sei stark bombardiert worden. Auch der überraschende Anblick eines Polizisten versetze ihn in Schrecken.

„Diagnose: Herr A. beschreibt – und durchlebt während der Sitzung – sukzessive eine höhergradige post-traumatische Belastungsstörung (ICD10: F43.1) zu Folge serieller Traumatisierung.“

Ich riet Herrn A. noch einmal davon ab, nach Traiskirchen zu gehen. Aber er ließ sich nicht umstimmen. Ich verstand ihn; ich hatte kein sicheres Spital anzubieten für seine schwangere Frau.

Den psychotherapeutischen Bericht samt meiner Vollmacht schickte ich nach Traiskirchen an die Erstaufnahmestelle und an die Fremdenpolizei. Herr A. ging durch die vier Stationen der Traiskirchner „Asylstraße“: Daten aufschreiben, Dokumente abgeben, Fingerprints, Handschellen. Die Fingerabdrücke hatten ergeben, daß er schon in Polen war.

Herr A. sitzt im Polizeigefängnis Eisenstadt. Seine Frau wurde ins Lager aufgenommen, bald darauf brachte sie ihr Kind zur Welt. Unsere Haftbeschwerde wies der „Unabhängige“ Verwaltungssenat Wiener Neustadt ab. Rechtsanwalt Dr. Herbert Pochieser wird dagegen zum Verfassungsgerichtshof gehen.

Der zuständige Fremdenpolizist der Bezirkshauptmannschaft Baden, Nikolaus Schantl, bat mich per Email, seinen Namen nicht permanent im Internet zu verbreiten. „Ich verstehe schon, daß Sie Aktionen setzen müssen, nur – ich mach hier auch nur meine Arbeit“, meinte er.

Ich schrieb zurück: „Die Arbeit, die Sie machen, hat zur Folge, daß unschuldige Menschen im Gefängnis sitzen. Es ist eine dreckige Arbeit. Deshalb stehen Sie im Internet. Lassen Sie Herrn A. frei – dann werde ich Sie lobend erwähnen.“

Herr A. sitzt immer noch in Eisenstadt. Er hat sein neugeborenes Kind noch nicht gesehen. Herr Schantl hat nicht auf meinen Rat gehört. Seine Email-Adresse: nikolaus.schantl@noel.gv.at, seine Telefonnummer: 02252-9025-22701. Seine Drahtzieherin erreichen Sie unter: ministerbuero@bmi.gv.at.

Traumatisierte einzusperren, ist Folter. Jeder Tag, den Herr A. im Gefängnis sitzt, bringt ein neues Trauma. Für den Schaden, den Herr A. an seiner Gesundheit erleidet, haftet Frau Prokop, haften ihre Knechte – und alle, die diesem Gesetz ihre Zustimmung gaben. Kein Opfer wird jemals vergessen. Die Zeiten ändern sich.

Michael Genner

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