Ich konnte Herrn Romzan nicht guten Gewissens raten, nach Traiskirchen zu gehen…

Kein gutes Land

Herr Romzan ist aus Tschetschenien nach Österreich geflüchtet, wo sein Bruder als anerkannter Flüchtling lebt. Zwischendurch war er in Polen, aber er fühlte sich dort nicht sicher, weil ihm im Flüchtlingslager Agenten des prorussischen Kadirov-Regimes begegnet waren. 

Bevor er nach Traiskirchen ging, suchte er meinen Rat. Ich schickte ihn zunächst zu Herrn Klasek (Verein Hemayat), einem Psychotherapeuten und Experten für Folteropfer, der eine hochgradige posttraumatische Belastungsstörung zu Folge serieller Traumatisierung feststellte. Aus dem Befundbericht:

„Kein Tag ohne Kopfschmerzen. Er sage sich ‚nicht daran denken’, aber es komme von selbst wieder. ‚Es’ stehe immer vor den Augen. Er wisse nicht, was sie mit ihm gemacht hätten. Es habe alles gegeben, auch E-Schock, aber er erinnere sich so schlecht. Er verstehe die, die ihn gefoltert hätten; sie täten nur ihren Dienst. Deshalb sei Rache kein Thema für ihn. Eigentlich wolle er sterben, ‚zack, Messer hinein’, aber die Religion lasse das nicht zu. Von der Folter könne man Krebs bekommen, das sei das Ende seiner Leiden.“

Ich konnte Herrn Romzan nicht guten Gewissens raten, nach Traiskirchen zu gehen. Ich sagte ihm, er werde dort mit Sicherheit verhaftet werden. Er solle lieber untertauchen, vielleicht käme irgendwann eine andere Regierung, in Österreich oder in Russland – aber seine Frau war mit ihm geflüchtet, sie ist schwer krank, sie braucht ärztliche Behandlung, und allein wollte er sie nicht nach Traiskirchen lassen. Was ich gut verstehen kann.

Also sind sie zusammen nach Traiskirchen gegangen. Herr Romzan sitzt seither in Schubhaft. Gemäß § 76 Fremdenpolizeigesetz. Weil die „Annahme“ nahe liegt, Polen und nicht Österreich könnte für sein Asylverfahren zuständig sein. Die Haft hat ihn schwer mitgenommen. Folteropfer einzusperren, ist neuerliche Folter und führt stets zur Retraumatisierung; Prokop Liese, Ministerin für Folter und Deportation, trägt die volle persönliche Verantwortung dafür.

Der Unabhängige Bundesasylsenat (UBAS) hat meiner Berufung stattgegeben. Herr Romzan wird zum Asylverfahren in Österreich zugelassen. Bei Redaktionsschluß sitzt er noch in Schubhaft. Eine Haftbeschwerde ist eingebracht.

Das ist Österreich, in der Vorweihnachtszeit 2006. Kein gutes Land für Fremde auf der Flucht. Kein gutes Land für Menschen guten Willens – solange diese Regierung besteht.

Michael Genner

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