Ein internationales Netzwerk entsteht

Asyl in Not hat vom 23. bis 25. Jänner 2004 in der Friedensburg Schlaining (Burgenland) die erste internationale NGO-Konferenz für grenzüberschreitende Asylaktion (1st international conference of cross border asylum action) abgehalten, an der NGOs aus Deutschland, Österreich, Polen, Rumänien, der Slowakei, Slowenien, Tschechien, der Ukraine und Ungarn teilnahmen.

Hauptthema der Konferenz war die Bildung eines grenzüberschreitenden Netzwerks, um Asylwerbern wirksamen Rechtsschutz zu geben, Abschiebungen zu verhindern, die Schubhaft zu bekämpfen und die Menschenrechte auf Asyl, auf Schutz vor Abschiebungen und auf Respekt vor der persönlichen Freiheit in der erweiterten Europäischen Union zu verteidigen.

Im Rahmen eines vom Europäischen Flüchtlingsfonds geförderten Projekts (“Info and Cooperation Forum”, ICF) werden wir die Aufnahmebedingungen für Asylwerber in den Beitrittsländer untersuchen und über die Einhaltung von Mindeststandards wachen.

Am 1. Mai 2004 kommen neue Herausforderungen auf uns zu. An diesem Tag tritt in Österreich das neue, verfassungswidrige Asylgesetz in Kraft; am gleichen Tag treten auch unsere Nachbarländer der Europäischen Union bei. Sie werden “Dublinstaaten” sein – und Österreich wird Flüchtlinge dorthin zurückschieben, obwohl der Unabhängige Bundesasylsenat immer wieder festgestellt hat, daß es sich bei diesen Ländern um nicht sichere Drittstaaten handelt.

Unser Netzwerk hat seine Feuerprobe schon im vergangenen November bestanden, als Innenminister Strasser in dreister Missachtung der geltenden Gesetze eine Gruppe von 74 tschetschenischen Flüchtlingen in die Tschechische Republik zurückschieben ließ.

Damals konnten wir das von Strasser und Mittätern gewünschte spurlose Verschwinden der Flüchtlinge verhindern: Dank dem grenzüberschreitenden Zusammenwirken zwischen Asyl in Not, der Asylkoordination Österreich und unserer tschechischen Partnerorganisation OPU wurden die zurückgeschobenen Tschetschenen vor der Weiterschiebung geschützt.

Asyl in Not erstattete eine Strafanzeige gegen Innenminister Strasser, erhob Berufungen gegen die Aufenthaltsverbote und forderte die Weiterführung der Asylverfahren in Österreich. Ähnlich werden wir auch in Zukunft in allen Partnerländern unseres Netzwerks verfahren.

Wir werden die Aufmerksamkeit der europäischen Öffentlichkeit insbesondere auf das Netzwerk von Gefängnissen lenken, das die Regierungen der Beitrittsländer in vorauseilendem Gehorsam gegenüber der Festung Europa errichtet haben.

Am Vortag der Konferenz, am 22. Jänner, besichtigen wir das Flüchtlingsgefängnis in Szombathely – einen schrecklichen Ort, an dem Menschen bis zu einem Jahr eingesperrt werden, aus dem einzigen Grund, weil sie “Illegale” sind, Menschen ohne Papiere, ohne “rechtmäßigen” Aufenthalt…

Wir fanden dort Menschen vor, die unter unmenschlichen Haftbedingungen leiden, die über Gewalttätigkeit der Gefängniswärter, unzureichende Ernährung und fehlende medizinische Betreuung klagten.

Wir fanden einen jungen Chinesen vor, der einen Selbstmordversuch unternommen hatte, weil er geschlagen worden war, und der sich seit zehn Tagen im Hungerstreik befand und keinerlei medizinische oder psychologische Betreuung erhielt; meist lag er apathisch im Bett, manchmal schrie er verzweifelt und laut. Die Gefängniswärter behaupteten, er sei nicht wirklich im Hungerstreik, an jenem Morgen habe er (weil er es nicht mehr aushielt) eine Semmel gegessen.

Wir fanden einen jungen Mann vor, der nach einem Selbstmordversuch in einer Einzelzelle eingesperrt war, in der ständig das elektrische Licht brannte und die nur mit Gitterstäben vom Gang getrennt war, sodaß wir hineinsehen und mit ihm sprechen konnten. Seine offenen Wunden, so berichtete er uns, waren nicht behandelt worden.

Uns wurde berichtet, daß in den vergangenen Jahren zwei Selbstmordversuche gelungen waren und erst vor kurzem ein Häftling versucht hatte, sich zu erhängen. Wir hörten von zahlreichen Fällen von Hungerstreiks und Selbstverletzungen – ohnmächtigen Versuchen der Häftlinge, gegen unerträgliche Bedingungen zu protestieren.

In einem offenen Brief an den ungarischen Innenminister forderten die Konferenzteilnehmer die sofortige Einleitung einer Untersuchung über die Zustände in diesem Gefängnis, eine sofortige Verbesserung der Haftbedingungen und insbesondere sofortige medizinische Versorgung des jungen chinesischen Häftlings.

Die Konferenzteilnehmer wiesen den ungarischen Minister mit Nachdruck darauf hin, daß sie ihn – sollte der junge Chinese sterben – für seinen Tod persönlich verantwortlich machen würden.

Derzeit befinden sich in Szombathely nur 42 Häftlinge. Offiziell gibt es dort aber Haftraum für 150 bis 200. In Wirklichkeit aber könnten dort – da es sich um ein riesiges Gebäude, eine frühere russische Kaserne handelt – bis zu tausend Menschen zusammengepfercht werden.

Wir befürchten, daß nach dem 1. Mai 2004 viele Flüchtlinge aus Österreich nach Ungarn zurückgeschoben und in schrecklichen Haftanstalten wie Szombathely landen werden. Dagegen werden wir kämpfen, ebenso wie gegen Zurückschiebungen in die anderen Nachbarländer. Und wir werden unsere Partner-NGOs in den Beitrittsländern in ihrem Kampf gegen ungerechte, unmenschliche Zustände unterstützen.

Gemeinsam werden wir eine internationale Zivilgesellschaft aufbauen, die imstande sein wird, Breschen zu schlagen in die Mauern der Festung Europa. Wir träumen von einem neuen, demokratischen Europa, mit offenen Grenzen, wo Menschen verschiedener Herkunft, “Rasse” und “Kultur” friedlich zusammenleben werden.

Freilich – der Weg dorthin ist weit; wir stehen erst an seinem Beginn.

Michael Genner,
Asyl in Not


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