Ein neuer Rechtsbruch:
Herr Abuschachid ist 24 Jahre alt. Er wurde im August 2003 von russischen Soldaten verschleppt, erhielt tagelang nicht zu essen und zu trinken, wurde wochenlang immer wieder geschlagen und misshandelt, an der Hand und an den Nieren verletzt. Er ist über die Slowakei nach Österreich geflüchtet und soll jetzt in die Slowakei zurückgeschoben werden. Die Amtsärztin in Traiskirchen stellte fest: „PTSD sehr wahrscheinlich“. PTSD, d.h. auf deutsch: er ist seelisch schwer bedient. Traumatisiert, im Fachjargon. Traumatisierte und Folteropfer dürfen nicht zurückgeschoben werden. Für sie gilt die berüchtigte Dublinklausel nicht. Sie müssen zum Asylverfahren zugelassen werden. So steht es im § 24 b – eine der wenigen positiven Änderungen im neuen Asylgesetz.
Trotzdem sitzt Herr Abuschachid in Schubhaft. Sein Asylantrag wurde in dreister Missachtung des geltenden Rechts als unzulässig zurückgewiesen. Meiner Berufung kommt laut Strassers Asylgesetz keine aufschiebende Wirkung zu. Er kann jederzeit abgeschoben werden.
Seine Frau Milana ist schwanger. Im Befund steht: „abortus imminens“. Drohende Fehlgeburt. Sie ist psychisch schwerst verstört. Im slowakischen Flüchtlingslager, so berichtet sie, gab es keine ärztliche Hilfe für sie, nur eine betrunkene Krankenschwester. Hier im „sicheren“ Österreich musste sie mitansehen, wie ihr Mann in Handschellen abgeführt wurde, als wäre er ein Verbrecher.
Immerhin: Milana ist nicht wie ihr Mann in Schubhaft, sondern mit ihrer 18 Monate alten Tochter im „gelinderen Mittel“ in einer Gastwirtschaft in Niederösterreich, während er im Polizeianhaltezentrum Eisenstadt auf seinen Abtransport wartet. Ab – ins Ungewisse. Wird sie ihn wiedersehen?
Tauchers leere Worte
Vor zwei Wochen, als Asyl in Not gegen die drohende Abschiebung des tschetschenischen Folteropfers M. und seiner Familie protestierte, hörten wir von Herrn Taucher, dem Leiter des Bundesasylamts, schöne leere Worte:
„Traumatisierte Personen sind eine besonders schützenswerte Gruppe… Für ein rechtskonformes Verhalten des Bundesasylamtes braucht es keine Pressekonferenz.“
Was für eine Heuchelei! Traumatisierte Menschen, auf der Flucht vor Folter, Krieg und Tod, verschwinden in Traiskirchen jeden Tag. Taucher, Strasser und ihre Beamtenschaft brechen das Menschenrecht, brechen die Verfassung schamlos und ohne Unterlass.
Asyl in Not hat für Herrn Abuschachid und seine Frau Milana Berufungen an den Unabhängigen Bundesasylsenat eingebracht. Wir verlangen, daß der UBAS heute noch die aufschiebende Wirkung zuerkennt und den skandalös rechtswidrigen Bescheid unverzüglich aufhebt. Wir fordern Herrn Abuschachids sofortige Enthaftung und seine Zulassung zum Asylverfahren.
Die Schuldigen an diesem Rechtsbruch wollen wir nun öffentlich zur Rechenschaft ziehen: den Beamten Bratschitsch, der unsere Klienten verhört und ihre „Nichtzulassung“ entschieden hat; die Beamtin Herta Koglbauer, die den Bescheid unterschrieben hat, sind persönlich schuldig geworden. Sie müssen aus dem Bundesasylamt hinaus.
Aber wir wissen natürlich, daß sie nur kleine Fische sind. Die Hauptschuldigen heißen Taucher und Strasser. Wir wollen eine Reform an Haupt und Gliedern. Österreich muß wieder Asylland werden. Die Menschenrechte müssen wieder gelten in diesem Land. Michael Genner