Tschetschenenjagd

Vergangene Woche haben die Erstaufnahmestelle des Bundesasylamts und die Fremdenpolizei in Traiskirchen eine Jagd auf tschetschenische Flüchtlinge inszeniert, die an die schlimmsten Tage der Strasserzeit erinnern und einen Vorgeschmack darauf liefern, was uns nach Inkrattreten des Prokopgesetzes im kommenden Jahr erwartet.

Uns sind bisher 16 Fälle bekannt, wo die Erstaufnahmestelle sogenannte Dublinbescheide erließ und die aufschiebende Wirkung von Berufungen gemäß § 64 Absatz 2 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG) aberkannte.

Vorher hatten Traiskirchner Amtsärzte angebliche „Traumauntersuchungen“ durchgeführt, die jeweils nur Minuten dauerten und negativ verliefen; die Einholung von Gegengutachten qualifizierter ExpertInnen sollte offenbar durch den sofortigen Vollzug der Abschiebungen verhindert werden.

Bisher sieben tschetschenische Männer wurden bereits nach Polen deportiert; ihr weiteres Schicksal ist derzeit unbekannt. Da sie vor ihrer Weiterflucht nach Österreich in Polen registriert worden waren, besteht die Gefahr, daß ihre Asylverfahren dort bereits negativ abgeschlossen sind und ihnen die sofortige Weiterschiebung nach Polen droht.

Über die tschetschenischen Frauen und Kinder wurde das „gelindere Mittel“ verhängt; das heißt, daß sie in Gastwirtschaften ihre Deportation abwarten sollen. Viele von ihnen sind aber in der Zwischenzeit untergetaucht. Auch ihnen würde in Polen die Weiterschiebung nach Russland drohen.

Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung steht in krassem Widerspruch zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 15. Oktober 2005. Der Verfassungsgerichtshof hatte damals die vom Strassergesetz vorgesehene Abschiebung trotz laufendem Berufungsverfahren als verfassungswidrig verboten.

Das AVG, auf das die Erstaufnahmestelle sich nun zu stützen versucht, sieht die Möglichkeit der Aberkennung einer aufschiebenden Wirkung nur bei Gefahr in Verzug vor. Welche „Gefahr“ die weitere Anwesenheit tschetschenischer Flüchtlingsfamilien im Berufungsverfahren darstellen soll, hat die Behörde nicht dargelegt. Wir erwarten daher eine rasche Behebung dieser Bescheide wegen offenkundiger Verfassungswidrigkeit.

Wie wir hören, wurde der Obmann der Vereinigung tschetschenischer Gefangener der Konzentrations- und Filtrationslager, Vacha Banjaev, der als anerkannter Flüchtling in Österreich lebt, vergangenen Freitag bei einem Besuch im Lager Traiskirchen vorübergehend festgenommen, als er eine dort tätige Rechtsberaterin besuchen wollte.

Herrn Banjaev wurden im Freigelände des Flüchtlingslagers Handschellen angelegt, weil er mit einigen Tschetschenen dort stand und mit ihnen sprach. Erst nach Intervention der Rechtsberaterin wurde er enthaftet. Seine Festnahme begründete die Polizei, wie wir hören, so: Tschetschenen sei es verboten, in einer Gruppe von über zwei Personen ohne Aufsichtsperson miteinander zu reden.

Wie heißt es bei Heinrich Heine? „Wo mehr als drei beisammen stehen, soll schnell man auseinander gehen. Wer auf der Straße räsonniert, wird unverzüglich füsiliert.“ Vor zweihundert Jahren, zu Metternichs Zeit…

Herr Banjaev berichtete uns, daß ihn die Zustände in Traiskirchen eher an ein Filtrationslager in Russland erinnern als an ein Flüchtlingslager. Das Aufsichtspersonal sei mit Hunden und Schlagstöcken ausgestattet und „geleite“, besser: kommandiere die Flüchtlinge so in die Ess- und Schlafsäle.

Asyl in Not fordert die sofortige Behebung der verfassungswidrigen Bescheide, die sofortige Rückführung der Deportierten nach Österreich, freies Geleit für ihre untergetauchten Angehörigen und die Amtsenthebung der für diese Bescheide zuständigen Beamten.

Asyl in Not fordert die Überprüfung der amtsärztlichen „Befunde“ durch echte ExpertInnen (so etwa den renommierten Verein „Hemayat“).

Asyl in Not fordert freien Zugang für NGO-Vertreter (und dazu gehören selbstverständlich auch Vertreter von Flüchtlings-Selbsthilfegruppen wie der Vereinigung tschetschenischer Gefangener) zum gesamten Bereich des Lagers Traiskirchen.

Licht ins Dunkel der Schubhaft!
Die Menschenrechte müssen wieder gelten in diesem Land.

Michael Genner
Asyl in Not

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